Die grossen Milchviehunternehmen, die in riesigen Massen produzieren, verkaufen ihren Massen-Nachwuchs direkt ab Lastwagen auf der Strasse für nur 300 000 paraguayische Guaraní, das sind 45 Schweizer Franken.

Kälbchen viel zu früh verkauft

Da werden die Kälber ohne Kolostrum und ohne Zufütterung direkt in den ersten paar Tagen verkauft – mehr tot als lebendig. Seit auch hier im Land die Fleischpreise stark gestiegen sind und da die Einheimischen als grosse Fleischverzehrer gelten, wird oft sehr naiv einfach ein solches Kalb zugekauft in der Hoffnung, bald gutes günstiges Fleisch für die ganze Grossfamilie zu haben.

Wirklich eine Ahnung haben wenige, Geld für Zufutter noch weniger. So suchte uns eines Tages verzweifelt ein paraguayischer Nachbar auf, der sich ein solches Neugeborenes ab Strassenverkauf zugetan hatte. Und nun damit überfordert war.

Michèle Huber hat Erbarmen mit dem Tier

Das Kalb sei nicht gesund und es liege im Sterben. Ob wir es ihm nicht abkaufen wollten, fragte er, wir verstünden doch etwas davon. Er verkaufe es uns in der Hoffnung, dass er nicht die ganze Investition verliere. Er habe ihm täglich einen halben Liter zugekaufte Milch zugefüttert, aber es wolle einfach kein Gras fressen. Wir erbarmten uns des Kalbes und wollten versuchen, es aufzupäppeln. Der Nachbar war glücklich, nicht sein ganzes Geld verloren zu haben, wir bezahlten ihm Hälfte des Preises: Knappe 20 Franken für ein halb lebendiges Holsteinkalb.

Glück und Unglück wechseln sich ab

Wir hatten Glück: Eine ebenfalls frisch zugekaufte trächtige Milchkuh nahm das Kalb an und wurde somit zur zwischenzeitlichen «Voll-Mutterkuh». Wir molken sie von Hand und steigerten das Säugen des Kalbes stetig an, bis wir es 24 Stunden lang mit der Kuh zusammen lassen konnten. Auch Kolostrum hatten wir noch, von dem es trinken durfte.

Obwohl es keinen Durchfall bekam, was wir eigentlich befürchteten, blieb es nur halb lebendig, war apathisch und mit seinem schwankenden Gang kaum von der Stelle zu bringen. Wir haben diverse Vitaminpräparate und Calcium dazugespritzt, aber leider erfolglos. Es erholte sich einfach nicht.

Nach fünf Wochen mit viel Betreuung und viel Zuneigung gaben wir fast etwas verzweifelt auf. Nun doch noch Durchfall. «Lange wird es wohl nicht mehr leben», dachten wir. Das entfachte eine leise Wut über die Grossproduzenten, die so verantwortungslos einfach Kälber auf der Strasse verkaufen, die ihrerseits so kaum eine Lebenschance und einen langen Leidensweg vor sich haben.

Gute Tipps kommen per Whatsapp

Da kam mir wieder eine Berner Oberländer Gruppe für Homöopathie in den Sinn. Ich suchte sie im Netz und fand durch sie Zugang zu der Whatsapp-Gruppe «HG Schweiz Hondrich Rütti», einer Gruppe, die sich über Homöopathie austauscht. Seit Februar 2023 sind auch Birgit Gnadl, die bekannte «Bischöfin der Homöopathie im Stall», und Dirk Bechmann Teil dieses Kreises.

Diese Gruppe, die Fragen und Informationen rund um die Homöopathie bei Rindern nachgeht, wird mit viel Herzblut für die Tiere unterhalten. Auf eine tolle, respektvolle und fachliche Art. Wir zögerten nicht lange, beschrieben unser Problem und baten somit um fachliche Hilfe in dieser Gruppe.

Innerhalb von zwei Stunden wurde uns geantwortet – mit wertvollsten Tipps und fachlich ergänzt durch Birgit Gnadl, die mittlerweile 25 Whatsapp-Gruppen mit über 2000 Teilnehmenden unterstützt. Die fachlichen Tipps haben wir sofort umgesetzt. Mit gekochtem Reis und Avocado-Mousse mit hofeigenem Honig sowie mit einem homöopathischen Mittel, Carbo vegetabilis C30, 50 ml Rotwein und einem Esslöffel Ei hatten wir sofort Erfolg.

Nach etwa 10 Tagen sprang das Kalb mit der restlichen Gruppe aufs Feld, als wäre es immer eins von ihnen gewesen.

Ein grosses Dankeschön

Wir möchten uns hiermit ganz herzlich bedanken bei dieser tollen Gruppe mit ihrer fachlichen, alternativmedizinischen Hilfe für Rinder. Wir alle wissen, wie notwendig Alternativmedizin auch in der Landwirtschaft ist, wo doch Antibiotikaresistenzen ein grosses Thema sind und vieles nach einem Strukturwandel schreit.

In der heutigen Zeit, wo Leistungsdruck, Zeitnot, Geldsicherheit und Agrar-Riesen die Welt dominieren, sind Menschen wie Birgit Gnadl und alle anderen Whatsapp-Gruppen-Mitglieder einfach nennenswert und lobenswert. Mit Herz und oft Selbstlosigkeit nehmen sie sich Zeit, um Tieren und deren Besitzern zu helfen – dafür steht ihnen eine grosse Wertschätzung zu.

In diesem Sinne und mit einem Funken für mehr Alternativmedizin in der Landwirtschaft: herzlichen Dank aus Paraguay.

[IMG 2]Zur Person: Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Lanat anerkannt und finanziell mitunterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen, gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.