Auf Schweizer Bauernhöfen herrscht Dichtestress: mehr als doppelt so viele Tiere wie Menschen leben nämlich hierzulande. 11,5 Millionen Hühner, je 1,5 Millionen Schweine und Rinder – insgesamt 16 Millionen Tiere. 

Das sind zu viele, findet die  Agrarallianz – ein Zusammenschluss von 19 Organisationen von der Heu- bis zur Essgabel – und fordert per Positionspapier unter anderem eine Reduktion der Tierbestände. «Fortschritte bei der Biodiversität, bei den Nährstoffüberschüssen oder beim Ammoniak sind nur möglich, wenn die Tierbestände abnehmen» sagt Agrarallianz-Geschäftsführer Christof Dietler gegenüber dem «Tagesanzeiger». Laut Dietler gilt dies vor allem für die Ost- und die Zentralschweiz, die agrarökologisch schon lange als Problemregionen bekannt seien.

Maximal 25'000 Tonnen Stickstoff

Konkrete Zahlen, um wie viele Tiere (oder Prozent) die Tierbestände verkleinert werden sollen, sucht man im Beitrag des «Tagesanzeigers» vergeblich. Im am Freitag veröffentlichten Positionspapier selbst heisst es, dass der Nutztierbestand so ausgerichtet werden soll, «dass die Nährstoffüberschüsse und negativen Umweltwirkungen der Landwirtschaft reduziert und die Umweltziele der Landwirtschaft eingehalten werden.» Die Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft sollen maximal 25'000 Tonnen Stickstoff pro Jahr nicht überschreiten. An diese grundsätzliche Forderung gekoppelt sind mehrere Vorschläge für die Ausgestaltung der Agrarpolitik 2022+.

So sollen die Tierwohlprogramme (insbesondere RAUS) gestärkt werden und zusätzliche Mittel für innovative und zukunftsfähige Projekte zur Verfügung gestellt werden. Die Agrarallianz versteht darunter unter anderem die Muttergebundene Kälberaufzucht, Zweinutzungshühner, Jungebermast und ähnliche Ansätze. Daneben unterstützt die Allianz die Reduktion der DGVE von 3,0 auf 2,5 pro Hektare und will zudem das GMF-Programm in Richtung «Feed no Food» weiterentwickeln. Ebenso sollen die Biodiversitätsprogramme ausgebaut werden. «Das Niveau soll ambitiös sein.» Dasselbe dürfte für die Ammoniak-Reduktion gelten. So soll der Bund Beiträge an die Kosten für bauliche Ammoniak-Reduktionsmassnahmen sprechen können und Stallbauten und zusätzliche Tierkapazitäten nur dort bewilligen, wo die kritischen Belastungsgrenzen noch nicht erreicht sind. Die Allianz strebt deshalb eine Anpassung bei den Produktionssystembeiträgen und bei den Investitionskrediten an.

Zeitpunkt für Diskussion ist günstig

Wie es im «Tagesanzeiger»-Beitrag heisst, ist der Zeitpunkt für die Publikation des Positionspapiers nicht zufällig gewählt. Der Schweizer Bauernverband wird kommende Woche an seiner Jahresmedienkonferenz über die anstehenden Herausforderungen der Schweizer Landwirtschaft sprechen. Im Februar wird die Botschaft zur AP 22+ erwartet, hinzu kommen drei Volksinitiativen (Trinkwasser-, Pestizidverbots- und Massentierhaltungsinitiative), die in den nächsten zwölf Monaten beschäftigen werden.

SBV: Tierzahlen liegen im grünen Bereich

Dass Vorschläge zur Reduktion der Tierbestände nicht nur auf offene Ohren stossen, liegt auf der Hand. Markus Ritter hält es nämlich für keine gute Idee, die Nutztierbestände zu senken. «Bei gleichbleibendem Konsum führt das nur zu mehr Importen von tierischen Lebensmitteln», lässt sich der Präsident des Schweizer Bauernverbandes zitieren. Die Tierzahl liegt laut Ritter absolut im grünen Bereich, eine Anpassung ist seiner Meinung nach also nicht angezeigt.

Dem Problem mit den Importen will die Agrarallianz mit höheren Anforderungen begegnen. So sollen für Importprodukte in Bezug auf die Tierschutzgesetzgebung die gleichen Vorschriften gelten, wie für die inländische Produktion. Die Verteilung der Importkontingente soll zudem so ausgestaltet werden, dass nachhaltigere Produktionssysteme privilegiert werden. Eine systematische Bevorzugung allerdings könnte zu Streitigkeiten führen und vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO enden.

Wirkungsabschätzung kaum möglich 

Ob die Tierbestände zurückgehen und so die Umweltbelastung reduziert wird, ist nicht nur von den Konsumentenwünschen abhängig, sondern auch von den Landwirten selbst. Diese können ihre Hofdünger nämlich auch an weniger intensiv wirtschaftende Kollegen verkaufen und so die Nährstoffbilanz auf ihrem Betrieb ausgleichen. «Solange sich für die Bauern diese Abgabe von überschüssigem hofeigenem Dünger unter dem Strich rentiert, dürfte die Tierzahl kaum sinken», schreibt deshalb der «Tagesanzeiger».