Es sah so aus, als hätte die Corona-Krise das Konsumverhalten und die Sicht auf die Landwirtschaft bzw. deren Rolle als Landesversorger verändert. Mag sein, doch offenbar nicht nachhaltig. Das zeigt sich spätestens seit der Öffnung der Grenzen und dem folgenden florierenden Einkaufstourismus und dem wahren Abstimmungskrieg, der im Hinblick auf die Pflanzenschutz-Initiativen tobt. Auch die Tiere haben nicht profitieren können, schliesst der Schweizer Tierschutz STS aus seiner Labelstatistik 2021. Diese gibt eine allgemeine und ernüchternde Übersicht über die Entwicklung der Labelmärkte. 

Mehr Bio, aber nicht beim Fleisch

«Bio-Produkte konnten in den meisten Segmenten überdurchschnittlich zulegen, aber nicht im Segment Fleisch», schreibt der STS in einer Mitteilung. Eine Befreiung aus der Nische sei nicht absehbar. Für den gesamten Labelmarkt Fleisch (inklusive Bio) verlaufe die Entwicklung der Absatzzahlen harzig bis rückläufig und die Stagnation bei der tierfreundlichen Produktion sei nicht überwunden. 

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Fleisch aus Label- oder Bio-Produktion ist teurer. Trotz immer mehr Ansprüchen an die Produktion scheinen nicht alle Schweizerinnen und Schweizer bereit, auch mehr dafür zu zahlen. (Bild RitaE / Pixabay)

Rückgang oder Stagnation mit Ausnahme der Eier

Die STS-Labelstatistik zeigt Unterschiede je nach Tierkategorie:

  • Rinder (inklusive Kühe und Kälber): Labelanteil stagniert bei rund einem Drittel.
  • Schweine: Deutlicher Rückgang auf 31,4 Prozent.
  • Mastpoulets: 8 Prozent Labelanteil, keine Bewegung.
  • Lämmer: Anteil Labelprodukte am Markt hat sich bei rund 10 Prozent eingependelt.
  • Milchkühe: Zunahme von 13,8 auf 15,7 Prozent.
  • Legehennen: Leichtes Wachstum auf hohen Niveau von 82,3 auf 84,5 Prozent.

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Auswirkungen des Strategiewechsels bei Coop 

Sowohl bei den Mastschweinen als auch bei Kälbern sieht der STS die Auswirkungen der Aufgabe des Coop-Labels Naturafarm, das neu von IP Suisse geführt wird. Das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass 2020 rund 80'000 Schweine (oder 10 Prozent) aus tiergerechter Haltung weniger nachgefragt worden sind, so der STS. Gerade da die Schweizer Bevölkerung die Haltung von Schweinen ohne Einstreu und Auslauf nicht mehr akzeptieren wolle, sei diese Entwicklung ein grosser Rückschritt für die Labelbewegung. 

Auf dem Kälbermarkt kamen die Folgen der Corona-bedingten Gastronomie-Schliessungen dazu, wo der Nachfrage-Rückgang im Labelbereich unerwartet deutlich gewesen sei (minus 17 Prozent oder 9'000 Tiere). 

Problematisch bei Poulets, erfreulich bei Legehennen

Was das Geflügel angeht, zeigt sich ein geteiltes Bild: Die Entwicklung bei den Mastpoulets sei problematisch, so der STS. Nur Coop führe Freiland- und Bio-Poulets, alle anderen Detailhändler und Gastronomen hätten dieses Angebot entweder nie geführt, es eingestellt oder würden nur eine kleine Menge vermarkten. Der Schweizer Tierschutz fordert hier mehr Engagement aller Akteure sowie eine attraktive Preis- und Margenpolitik. 

Ganz anders sieht es bei den Legehennen aus: Die inländische Eiernachfrage wächst stetig und auch der Bio- und Freilandanteil. Verantwortlich dafür sei auch, dass Freilandeier in der Gastronomie nachgefragt würden, meint der STS.

Keine Empfehlung für Swissmilk Green

15 Prozent der Milchkühe werden laut STS nach Bio- oder IP-Suisse-Richtlinien und damit mit «deutlichem Tierwohlmehrwert» gehalten. Die Branche habe den Handlungsbedarf erkannt und könne im Label- und Bio-Segment schöne Wachstumszahlen vorweisen. Man könne den neuen Branchenstandard Swissmilk Green jedoch noch nicht empfehlen, heisst es weiter, da mit der Bewegungsfreiheit dank regelmässigem Auslauf und Weide ein zentrales Tierwohl-Kriterium nicht vorausgesetzt werde. 

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Der STS vermisst in den Kriterien für Swissmilk Green den regelmässigen Auslauf für Milchkühe. (Bild BauZ)

Schafhaltung braucht bessere Förderung

Angesichts der tiefen Anteile von Label-Lämmern am Markt sollte die Förderpolitik für tierfreundliche Schafhaltung überdacht werden, findet der STS. Schliesslich mache es Sinn, Schafe auf Grenzertragsböden zu halten. Die Beteiligung an Tierwohlprogrammen sei indes deutlich höher, als was letztlich mit einem Labelzuschlag im entsprechenden Segment vermarktet werden könne. 

 

Absatz fördern und Preisdfferenz verkleinern

Nur 10 der 83 Millionen Rinder, Schweine, Lämmer und Geflügel, die in der Schweiz im letzten Jahr geschlachtet worden sind, waren laut dem Schweizer Tierschutz STS Label- oder Bio-Tiere. Um diesen Anteil zu vergrössern fordert der STS zum Handeln auf:

Marktakteure, Detailhandel und Gastronomie sollen den Label-Absatz fördern und die «künstlich hohen Preisdifferenzen zwischen dem Standard- und Labelsegment» reduzieren.

Der Bund solle lenkend eingreifen und die Rahmenbedingungen für eine Besserstellung von Labelprodukten schaffen. 

Konsumentinnen und Konsumenten sollen auf Schnäppchenjagden über die Grenzen verzichten und sich mit ihrem Einkauf zu tierfreundlicher Schweizer Produktion bekennen.