«Weissen Blumenkohl baue ich kaum an. Das kann doch jeder. Ich produziere farbigen Blumenkohl», sagt Savino Cimarosto. Der Gemüsebauer sprüht vor Begeisterung, wenn er von seinem Land, seinem Gemüse erzählt. Auf der Laguneninsel Sant'Erasmo bewirtschaftet der 55-Jährige zusammen mit Ehefrau Ilaria 5 Hektaren fruchtbares Land nur wenige Gehminuten vom Wasser entfernt: die i&s Farm Il Biologico di Sant’Erasmo.

Vom Finanz- zum Farmmanager

Stolz zeigt er seine Gemüsefelder, betont dabei immer wieder, wie wichtig ihm ökologische Grundsätze und biologische Methoden seien. Ein Beispiel ist im Lauchfeld zu entdecken: Zwischen den Stängeln breiten sich Süsskartoffeln aus. Ein Zufall, sagt Savino Cimarosto. «Aber ich lasse sie dort, denn es gefällt ihnen und sie wachsen sehr kräftig.»

Cimarosto war früher Jurist und arbeitete als Manager in der Finanzbranche. 2016 hatte er genug von der Finanzwelt und wollte nur noch die Arbeit machen, die ihn «rundum mit Glück erfülle». Damit trat er das Erbe seines Grossvaters und Vaters an, die beide Bauern waren. Seine Erfahrung aus dem Management ist ihm bei der Vermarktung seines Gemüses nützlich. Er baue das an, was seinen Kunden gefalle. Das Feedback erhält er direkt aus seinem florierenden Bio-Laden mitten in Venedig.

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Naturnahe Landwirtschaft

Heute aber, während er über seine Felder geht, erzählt er von der Natur auf seinem Land, von den Schlangen, Libellen und den vielen Vögeln, die in seinen Bäumen nisten. «Andere Bauern wollen keine Bäume auf ihrem Land, weil sie Platz brauchen und Schatten werfen. Für mich sind sie jedoch sehr nützlich», betont er.

So verwende er etwa die Blätter seiner Akazien als Dünger. Nachhaltigkeit ist Cimarosto in allen Bereichen wichtig. Deshalb nehme er auch eine kompostierbare Folie, um gewisse Setzlinge zu schützen. Und apropos Setzlinge: Im Schatten einiger Sträucher stehen mehrere Behälter mit Jungpflanzen. Die werde er später am Tag pflanzen – Salate, Kohl und anderes mehr auf den Winter hin. 1500 Setzlinge seien es ungefähr jede Woche.

Dieses Jahr sei die Bewässerung eine Herausforderung gewesen, denn zwischen dem 6. Januar und Mitte September gab es nur einen einzigen Regentag. Zum Glück habe er einen Brunnen, der ihm Wasser liefere.

Der Neo-Landwirt zieht alles biologisch. «Ich bin der einzige Bauer, der alles Gemüse und Früchte in der Lagune Bio anbaut», sagt Savino Cimarosto mit Nachdruck. Und mit einem Leuchten in den Augen, das keinen Zweifel an seiner Leidenschaft für die Landwirtschaft lässt.

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Venezianischer Wein

Die Leidenschaft für die Landwirtschaft ist auch Matteo Bisol anzumerken. Wenn der 35-Jährige von seinen Reben erzählt, ist er völlig fokussiert und kaum zu bremsen. Ein Teil dieser Reben wächst gleich neben dem touristischen Inselchen Burano bei einem stattlichen Kirchturm mit kleiner Kirche in Mazzorbo.

Matteos Vater Gianluca gründete 2002 den Betrieb Venissa, nun managt sein Sohn das Unternehmen und folgt der Philosophie des Vaters. «Uns ist die Bewahrung der Tradition fast wichtiger als die eigentliche Weinproduktion. Denn in dieser Region wurden bereits vor 2500 Jahren Reben gepflegt.»

Ganz so alt sind die ersten Reben von Venissa nicht, sie seien erst 100 Jahre alt, sagt Matteo Bisol und erzählt, wie sein Vater die Rebstöcke entdeckte. «Beim Spazieren sah er die Reben vor einem Haus stehen. Er kam mit dem Besitzer ins Gespräch und durfte ihm dann die 88 Weinstöcke abkaufen.»

Ein Teil der Reben wächst auf der Insel Mazzorbo:

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Salztolerante Reben

Eine DNA-Probe ergab, dass es sich um Dorona-Reben handelte, mit deren Trauben man «die besten, aber auch die schlechtesten Weine machen könne», wie Bisol schmunzelnd sagt. Der grosse Vorteil dieser Sorte: Sie kann im salzhaltigen Boden von Mazzorbo gedeihen. «Fachleute rieten uns davon ab, um den Kirchturm herum Reben zu pflanzen, wegen des hohen Salzgehalts in der Erde.»

Doch Gianluca Bisol liess sich davon nicht abhalten, hatte er doch entdeckt, dass bereits um 1300 auf diesem Land Reben standen. Der Erfolg gab ihm recht: Die erste Ernte 2010 ergab rund 4500 Flaschen.

Eine Herausforderung sei es aber, hier Reben zu pflegen, räumt Matteo Bisol ein. Wie salzhaltig sein Boden ist, ist anhand einer kleinen Pflanze, die in einem feuchten Graben zwischen den Reben wächst, zu sehen. Es ist eine Salicornia, die zeigt, wie viel Salz im Boden ist.

Bei hohem Salzgehalt wächst sie klein und kompakt, doch 30 Zentimeter höher entwickelt sie grössere Blätter, da dort weniger Salz in der Erde ist. «Diese 30 Zentimeter Höhenunterschied beeinflussen auch unsere Reben», sagt Matteo Bisol. «Die tiefer stehenden machen kleinere Trauben, die höherstehenden etwas grössere.»

Höherer Salzgehalt wegen Trockenheit

Dieses Jahr sei der Salzgehalt infolge der Trockenheit grösser als in anderen Jahren, erklärt Bisol. Ein Grossteil der Reben verlor deshalb bereits im Juli sämtliche Blätter. «Ausnahmsweise haben wir seit April auch regelmässig bewässert, da schon der Winter extrem trocken war.» Er und sein Team seien nun zuversichtlich, dass die Reben überleben werden.

Matteo Bisol setzt bei seinem Betrieb nicht nur auf Wein, sondern – wie andere Landwirte in der Region – auch auf Tourismus. Zum einen mit einem Restaurant, zum anderen mit einem kleinen Hotel. Ihm ist es wichtig, den Leuten zu zeigen, wie im Weinberg gearbeitet wird. So auch, dass das Unternehmen zum Beispiel schon immer biologisch gearbeitet habe, bislang einfach ohne Label. «Das wollen wir jetzt erlangen. Denn auf die Biodiversität haben wir seit jeher geachtet.»

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Würzige Kräuter und geschmackvolles Gemüse

Bereits seit langem zertifiziert ist der Betrieb von Stefano Valleri auf der grossen Insel Cavallino Treporti – vielen wohl vor allem deshalb ein Begriff, weil auf ihr der langgezogene Strand von Jesolo liegt. Stefano Valleris Firma – die 1957 von seinem Grossvater gegründet wurde – trägt das ICEA-Label (Institute for Ethical and Environmental Certification).

Auf rund 5 Hektaren stehen mehrheitlich Folientunnels, die seine Pflanzen schützen. Valleri baut einerseits Gemüse an, ist aber besonders bekannt für die Vielfalt an Kräutern. In den Tunnels werden die Pflanzen mittels Stecklingen vermehrt. «So haben wir Gewissheit, dass sich das Aroma, der Gehalt an ätherischen Ölen, in den Jungpflanzen erhält», sagt Valleri.

Um den Kunststoffverbrauch zu verringern, setzt er seit kurzem auf Töpfe aus recycelten Pet-Flaschen. Der Schwerpunkt seines Betriebs liegt seit 2008 auf dem Verkauf von verarbeitetem Gemüse. «Unser Ziel ist es, dass sämtliche Gemüse und Früchte innert 24 Stunden verarbeitet sind», sagt der Unternehmer.

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Gemüseanbau seit 1966

1966 erlebte die Region um Venedig das schlimmste Hochwasser seit Jahrhunderten. Damals stiegen die Pegel auf 194 Zentimeter über dem Meeresspiegel. Auf den Feldern stand das salzige Wasser 70 Zentimeter hoch. Danach mussten die Bauern drei Jahre warten, bis sie wieder Obst anbauen konnten.

Gemüse jedoch gedieh schon kurz nach der Flut. Waren es zu Beginn erst Zwiebeln, Kartoffeln und einige Tomaten, die das Unternehmen Valleri anbaute, folgte bald darauf eine grosse Vielfalt an Gemüsesorten. Heute noch trage der Salzgehalt des Bodens zum besonderen Geschmack des Gemüses bei, sagt Stefano Valleri.

Dieser Salzgehalt ist abhängig vom Wechselspiel von Regen, Trockenheit und Wasserspiegel. Drückt das Lagunenwasser nach längerer Trockenheit von unten hoch, nimmt der Salzgehalt zu. Fällt Regen, nimmt der Salzgehalt wieder ab. Eine Besonderheit, mit der Bauern wie Savino Cimarosto, Matteo Bisol und Stefano Valleri zu arbeiten gelernt haben. Denn der Salzgehalt verleiht ihren Produkten eine besondere Note.

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Cavallino-Treporti
Seit rund 500 Jahren wird auf Cavallino-Treporti Landwirtschaft betrieben. Waren es zu Beginn vorwiegend Getreide- und Viehbetriebe, kamen im Laufe der Jahre viele Gemüse- und Obstfarmen hinzu. Das Vieh wurde dann hauptsächlich wegen der Düngerproduktion gehalten, da der Boden auf Cavallino Treporti sehr sandig und arm an Nährstoffen war. Die Insel ist 44 Quadratkilometer gross, rund 111'000 Hektaren davon sind landwirtschaftliche Nutzfläche. Heute gibt es auf der Insel noch etwa 200 Bauernbetriebe, die mehrheitlich zwischen 2 und 3Hektaren gross sind und von Familien geführt werden. Wie sich dies in Zukunft entwickeln wird, ist ungewiss, denn rund 45 Prozent der Bauern sind über 60 Jahre alt und nur fünf Prozent sind jünger als 30.