AboSept-en-gueule: In der Schweiz wächst sie an einem riesigen Baum, mit einem Stammumfang von 4,7 Metern, in Orges VD. (Bilder Klaus Gersbach)ApfelObstbau: Bären halfen Äpfel züchtenMontag, 24. Mai 2021 Pfahlbauäpfel werden auch Holzäpfel oder Wildäpfel genannt, und ihr wissenschaftlicher Name ist Malus sylvestris. Diese Apfelart ist in ganz Europa verbreitet. Wir können davon ausgehen, dass sie vor vielen Millionen Jahren entstanden ist.

Es gibt nur noch wenige Bäume

Unterbrochen wurde die Existenz der Gehölze, inklusive der Apfelbäume, während den diversen Eiszeiten in Eurasien. Erst nach dem Ende der letzten grossen Eiszeit, die in Mitteleuropa und der Schweiz nördlich der Alpen vor rund 10 000 Jahren zu Ende ging, haben sich wieder Wildobstbäume angesiedelt. Das beweisen die bis zu 6000 Jahre alten, verkohlten Äpfel, die bei Ausgrabungen von Pfahlbausiedlungen in der Schweiz teils in grösseren Mengen gefunden wurden. Man kann annehmen, dass die Siedler damals die Äpfel halbierten, sie dörrten und Früchtelager anlegten.

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Apfelbäume der Art Malus sylvestris gibt es aber nur noch in kleiner Anzahl und drohen, ganz auszusterben, so auch in der Schweiz. Hierzulande wachsen Wildäpfel und -birnen vor allem im Gebiet der Juraausläufer in lichten Eichenmischwäldern. Der wohl grösste Wildapfelbaum der Schweiz steht in Glovelier im Kanton Jura. Aber auch der Schaffhauser Randen bietet ideale Wachstumsbedingungen für Wildäpfel und -birnen.

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Das seltene Erbgut soll erhalten bleiben

Die Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft schätzt den Bestand von Wildäpfeln und -birnen, die einen Mindestbrusthöhendurchmesser von 12 Zentimetern haben, auf zirka 50'000 bzw. 14'000 Bäume. Vergleicht man das mit anderen Zielarten im Schweizer Wald, ist der Bestand an Wildobstbäumen sehr klein.

1996 nahm sich Karl Stoll den Holzäpfeln an und verfasste dazu einen Bestimmungsschlüssel. Stoll war der ehemalige Präsident von Fructus, der Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten. Es ging ihm darum, festzustellen, dass die Malus sylvestris einen anderen genetischen Ursprung haben als unsere Tafeläpfel (Malus domestica). Das Erbgut der Wildäpfel und -birnen solle dringend erhalten werden, meinte Stoll.

Vergangenen Herbst hat Fructus an vier verschiedenen Orten sowie in ihrem nationalen Obstsortengarten in Höri, vier verschiedene originale Holzapfelhochstammbäume gepflanzt. Es sind Nachkommen von alten Malus sylvestris-Bäumen im Jura.

Ein lichter Wald ist wichtig

Einer, der sich mit Wildäpfeln und -birnen auskennt, ist Bernhard Egli. Der Biologe und gelernte Landwirt aus Schaffhausen weiss, wo auf dem Randen die Wildobstbäume wachsen. «Ich denke, es sind so um die 50 Exemplare. Wenn die Bedingungen optimal sind, entstehen stattliche Bäume aus den Sämlingen», erzählt der Fachmann.

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Ist der Wald jedoch zu wenig licht, beginnen die Bäume bald zu «serbeln». Dies ist auch der Grund, weshalb Egli begonnen hat, Wildobst zu vermehren. Er schneidet bei den wild wachsenden Bäumen Edelreiser und pfropft sie in seinem Garten auf selbst gezogene Unterlagen. Der Sortenname ist identisch mit dem Namen des Originalstandorts. «Holzäpfel heissen übrigens so, weil sie meist im Holz, also im Wald, wachsen und nicht weil sie hart wie Holz sind.»

Aus «Gwunder», wie er sagt, hat Bernhard Egli auch schon Holzäpfel gedörrt. «Dadurch baut sich die Gerbsäure ab, und sie werden durchaus geniessbar.» Auch bei Schmorgerichten landet ab und zu eine Handvoll Wildbirnen oder -äpfel bei ihm im Topf. Mit Vorlieben würden aber Rehe, Mäuse und Hasen die Früchte verspeisen, weiss Egli.

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Wertvolle und einheimische Pflanzen für Hecke und Wald

«Wildäpfel und -birnen sind wertvolle einheimische Pflanzen für die Hecke», meint Bernhard Egli. Aber auch zur Aufwertung von Waldrändern oder Wald im Allgemeinen würden sie sich gut eignen. In den Schaffhauser Wäldern herrsche zurzeit grosses Fichtensterben wegen des Borkenkäfers. «Wenn auf diesen Flächen mit einem Eichenmischwald aufgeforstet wird, müssten unbedingt auch Wildobstbäume gepflanzt werden», sagt Egli.

Momentan gebe es leider ein Problem: «Es ist nicht ganz klar, ob die Landwirtschaft oder der Forst für diese Art von Pflanzen zuständig ist.» Auf jeden Fall müsste das Forstpersonal auf die Pflege geschult werden. Denn nicht immer würde Wildobst als solches erkannt, und so kommt es vor, dass immer mal wieder einer der seltenen Bäume verschwindet.