Derzeit sind beim Verein Hochstamm Suisse 1510 Betriebe angemeldet – Tendenz steigend. «Wir wachsen stetig, es kommen jedes Jahr neue dazu», sagt Geschäftsführer Pierre Coulin. Insgesamt stehen in der Schweiz rund 225'000 Hochstämmer, die unter das Label fallen.

«Wir bewegen uns damit bei etwa 10 Prozent aller Hochstammbäume in der Schweiz unter Hochstamm Suisse», bilanziert Coulin. Der Vorteil einer Mitgliedschaft bei Hochstamm Suisse liege vor allem bei der Vermarktung, sagt Coulin. Ins Gewicht falle dabei die Partnerschaft mit dem Grossverteiler Coop. «Damit hat der Bauer einen grossen Absatzkanal, über den er seine Früchte auch verkaufen kann», sagt Coulin.

Zur Erntezeit sind die Arbeitskräfte oft knapp

AboTraditionelle Obstgärten wie auf dem Betrieb Mausacker in Steinebrunn TG können produktive Agroforstsysteme sein. Die Fläche unter den Bäumen kann als Weide oder Acker dienen.ObstbauBietet Agroforst den Hochstämmern eine Zukunft?Montag, 13. März 2023 Unterstützten will Hochstamm Suisse die Bauern auch bei Pflanzung und Pflege der Hochstämmer. So können Bäume für Neupflanzungen gratis bezogen werden, und über die Geschäftsstelle werden Mitarbeiter für Ernteeinsätze vermittelt. Besonders bei Kirschbäumen könnten viele Besitzer die Ernte nämlich gar nicht mehr einbringen, sagt Philipp Gut, Leiter Fachstelle Spezialkulturen am Bildungszentrum Wallierhof im Kanton Solothurn. «Die Zeit, als man zur Ernte noch die ganze Familie mobilisieren konnte, ist vorbei», sagt er. Auch gebe es kaum noch Familien, die in kurzer Zeit 50 bis 100 Kilogramm Kirschen verarbeiten könnten.

Wegen ihrer im Vergleich zu den neuen Sorten geringen Grösse können die Kirschen laut Gut auch nicht mehr als Tafelkirschen verkauft werden. Seine Beobachtung: «Wenn man die Leute danach fragt, ob sie lieber Kirschen von Hochstämmern kaufen wollen, sagen alle Ja.» Am Ende greife der Durchschnittskonsument aber doch zum Chrättli mit den grossen, prallen Kirschen – und eben nicht den etwas kleineren, aber geschmacklich ebenbürtigen Hochstammprodukten.

Nützling soll Kirschessigfliege unschädlich machen

Bei Hochstamm Suisse sieht man keine Absatzprobleme. «Ausser beim konventionellen Mostobst ist die Nachfrage bei allen Früchten grösser als das Angebot», sagt Coulin. Zu schaffen machen den Hochstammbesitzern laut Coulin derzeit weniger ökonomische als vielmehr agronomische Probleme. Das grösste davon ist die Kirschessigfliege, die den Hochstammkirschenanbau in der Schweiz beeinträchtigt. Bei Hochstamm Suisse hofft man, dem Schädling durch Einführung einer Nützlingsart beizukommen.

Frühe Blüte, später Frost

Erste Freisetzungsversuche in Italien und Frankreich seien vielversprechend angelaufen. Ein weiterer soll in der Schweiz von der Forschungsanstalt Agroscope durchgeführt werden, so Coulin. Er stehe kurz vor der Zulassung, sagt er: «Es gibt noch bestimmte bürokratische Hürden, aber wir sind guter Hoffnung.» Und so oder so: Sobald sich eine Nützlingsart in Europa ausbreite, werde sie früher oder später ohnehin auch in der Schweiz ankommen, denkt Coulin.

Ein weiteres Problem der Hochstämmer sind die in den letzten Jahren häufigen Spätfröste. «In den letzten Jahren blühten die Kirschbäume etwa zwei Wochen früher», sagt Philipp Gut vom Wallierhof. Damit fällt die Blüte nun genau in die Zeit ab Mitte April, in der auch heute noch Spätfrost üblich ist. «Von den letzten zehn Jahren waren drei Spätfrostjahre», sagt Gut. Der Schaden sei entsprechend gross und eine Herausforderung für die Produzenten.

Mit einer guten Sortenauswahl lässt sich viel machen

Hier könne man bei Neupflanzungen durch eine gezielte Auswahl der Sorten Gegensteuer geben, so Coulin. Gefährlich wir der Frost den Bäumen vor allem während der Blüte. «Man kann Sorten wählen, die eine geeignetere Blütezeit haben, oder die Auswahl so abstimmen, dass nicht alle Bäume zur selben Zeit blühen», sagt er. In Sachen Robustheit und Krankheitsanfälligkeit lasse sich mit einer guten Auswahl der Sorten viel machen. Unterstützt wird Hochstamm Suisse dabei vom Verein Fructus. Dessen Ziel ist es, alte Obstsorten neu zu entdecken und zu fördern.

Eine Tradition, die nicht immer schon da war

Eine Alternative seien Neupflanzungen mit Marroni- oder Mandelbäumen, sagt Philipp Gut vom Wallierhof. Mandeln seien aber ein klassisches Importgut, bei dem Schweizer Bauern kaum mit den ausländischen Lieferanten konkurrieren könnten. Auch wisse man noch zu wenig über deren Robustheit gegenüber Frost oder Krankheiten. Aus ökologischer Sicht müsse man sich deshalb auch überlegen, ob die Pflanzung von Linden oder Eichen allenfalls sinnvoller sei. Gut gibt zu bedenken, dass die Hochstammlandschaften zwar eine lange Tradition hätten, aber nicht einfach immer dagewesen seien. «Vor 500–800 Jahren gab es in der Schweiz keine Hochstämmer», sagt er. «Die Hochblüte der Obstgärten war vor 100 bis 200 Jahren.»

Grosse Firmen geben Geld für Klimaleistungen

AboHochstammbäumeRamseier Suisse bevorzugt Schweizer HochstammobstMontag, 13. März 2023 Coulin ist dagegen überzeugt: «Jetzt ist die Zeit, zu pflanzen». Finanziell gebe es neue Anreize. Als Beispiel nennt Coulin eine Zusammenarbeit von Swisscom und Myclimate Schweiz, die eine Kompensation von Treibhausgasausstoss mit Neupflanzungen vorsieht. «Darüber werden 3000 Bäume finanziert», sagt Coulin. Der Bauer erhalte einen Betrag von 105 Franken.

Als weiteres Beispiel verweist Coulin auf das Programm Flora Futura der Axa Winterthur. Diese will ihren Kunden zum Jubiläumsjahr 2025 je einen Quadratmeter Biodiversität schenken. Hochstamm Suisse beteiligt sich daran mit Neupflanzungen. «Hochstämmer sind Biodiversität pur», sagt Coulin. Schon allein deshalb ist er überzeugt: «Wir kommen mit dem Hochstamm schon weiter.»