Obwohl es erst Anfang März ist und die Temperaturen noch weit unter dem Gefrierpunkt liegen, fängt für viele Betriebe
die neue Saison schon wieder an. Auch im Gemüsegarten der Schweiz, im Berner Seeland sind die Feldarbeiten schon weit vorgerückt und die ersten Setzlinge im Boden.
Vlies gegen die Kälte
Auch für Roger und Monika Weber, die Gemüsebauernfamilie mit ihren beiden Kindern Florian und Claudia aus Treiten BE, hat die stressige Zeit begonnen. Salate, Radieschen, Bundzwiebeln und Kohlrabi spriessen schon in ihren Gewächshäusern. «Eigentlich wollten wir diese Woche auch die Kartoffeln setzen», sagt Weber. Aber die eisigen Temperaturen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. In seinen Gewächshäusern musste er die Setzlinge sogar mit doppeltem Abdeckvlies gegen die Kälte schützen.
«Zum Glück ist nichts passiert», fügt er an. Zur Kontrolle hebt er ein Vlies. «Sie haben Durst», sagt sein Kennerauge, «ich muss sie sobald wie möglich bewässern.» Auf den 22 Hektaren Land werden auch Zwiebeln, Krautstiele, Rübenkohl und Einschneidekabis (Sauerkraut) gepflanzt. Auch Sonnenblumen, Getreide und Mais kommen zum Zuge.
Aufgabe der Milchwirtschaft
Roger Weber und seine Frau Monika stammen nicht nur beide aus dem gleichen Dorf, sondern
sie sind auch Gemüsler durch und durch. Schon in den 70er Jahren gaben ihre Eltern auf beiden
Betrieben die Milchwirtschaft
zugunsten des Gemüseanbaus auf. «Früher gab es in Treiten noch 44 Milchlieferanten», weiss Grossvater Walter zu erzählen. Heute gebe es keinen Einzigen mehr. «Unsere Region ist mit ihren schwarzen Torf- und Moorböden geradezu prädestiniert für den Gemüseanbau», fügt Monika Weber hinzu. So werden zwischen Bieler-, Neuenburger- und Murtensee auf etwa 2600 Hektaren fast rund ums Jahr mehr als 60 verschiedene Gemüsesorten angebaut.
Möglichst günstig
Die Ansprüche der Konsumentinnen und Konsumenten an die Gemüseproduzenten sind hoch, sehr hoch sogar: So muss der Kopfsalat im Ladenregal mindestens 300 Gramm auf die Waage bringen, darf kein bisschen welken, muss wunderschön aussehen und dazu noch möglichst günstig im Preis sein. Verlangt wird heute zudem die totale Rückverfolgbarkeit vom Ladentisch bis auf den Acker.
Strikte Hygienevorschriften müssen erfüllt sein. Nur ein mit modernster Infrastruktur ausgestatteter Gemüsebaubetrieb kann das alles noch unter einen Hut bringen. Ende April, Anfang Mai, ist auch bei Webers der erste Salat schnittbereit. «Wir liefern unser Gemüse hauptsächlich an vier verschiedene Händler», sagt der Landwirt.
Damit die Menge genau koordiniert werden kann, wird ein Wochenplan erstellt. «Es kommt aber auch vor, dass man am Tag vorher, oder erst am Morgen weiss, welche Menge man liefern kann. «Vor allem beim Salat schauen wir, dass wir alle 14 Tage anpflanzen können, so sollte es möglich sein den Markt kontinuierlich zu beliefern», sagt das Betriebsleiterehepaar. Aber auch im eigenen Hofladen wird einheimisches Gemüse angepriesen.
Am Limit
«Wir arbeiten dabei oft am Limit», sagen Roger und Monika Weber. Je kleiner die Einheiten für eine Gemüsesorte sei, desto grösser der Aufwand. Während der Saison stellen Webers zusätzliche Arbeitskräfte, ein Ehepaar aus Polen an. Dass die Eltern von Roger Weber – Vater Walter und Mutter Therese noch anpacken können, sei ein Glücksfall. Die Situation könne sich aber schnell einmal ändern.
«Es ist immer schwieriger geworden, einen Betrieb dieser Grösse und mit dieser vielseitigen Palette wirtschaftlich zu führen», sagt der Gemüsebauer. Auf der einen Seite ist es der enorme Aufwand, ein breites Sortiment in Eigenproduktion zu führen. Auf der andern sind es die zunehmenden Vorschriften und der Papierkrieg, der einem zu schaffen mache. «Wenn ich zehn verschiedene Salate führe, muss ich für jeden die Rückverfolgbarkeit dokumentieren», so Weber.
Genügend Wasser
Vor allem genügend Wasser ist im Gemüseanbau der Schlüssel zum Erfolg. Dies ist auch auf ihren Betrieb nicht anders. «Wir haben ein sehr gut funktionierendes Wassersystem mit Kanälen und einer Grundwasserleitung», hält der Betriebsleiter fest. Dieses System wurde anlässlich der zweiten Juragewässerkorrektion in den 60er Jahren erstellt.
«Ohne das nötige Nass, könnten wir hier keinen Gemüseanbau betreiben», ergänzt Monika Weber. Jedes Jahr müsse man dafür eine Konzession lösen, die preislich aber nicht schwer ins Gewicht falle. Nicht nur die Wasserknappheit könnte in Zukunft zu vermehrten Problemen im Gemüsebau führen. Auch der Importdruck, der drohende Freihandel und die mögliche Senkung der Zölle drücken auf die Stimmung der Gemüsebauern.
«Bei den Konsumenten ist einheimisches Gemüse aber weiterhin gefragt», sagt Weber. «Die Leute wissen, woher das Gemüse kommt, und sind auch bereit, dafür etwas mehr zu bezahlen.» Heute sind dem Import von ausländischem Billiggemüse (Zoll-) Schranken gesetzt. «Wenn der Agrar-Freihandel so kommt, wie die EU das plant, fallen diese Schranken weg», ist er überzeugt. «Für mich würde das faktisch eine Halbierung des Einkommens
bedeuten und damit könnte ich die Produktionskosten nicht mehr decken.»
Denn nicht nur die Löhne seien im Ausland deutlich niedriger, sondern auch die Preise für Maschinen, Verpackungsmaterial und Hilfsstoffe. «Ich will nicht jammern, wir hatten in der Vergangenheit sehr gute Jahre und wir hoffen es bleibt auch so», sagen Roger und Monika Weber zueinander. Auf jedenfall freuen Sie sich schon jetzt auf eine erfolgreiche Gemüsesaison 2018.
Peter Fankhauser