Eingebettet in schönster Natur, steht der Biohof Hermisegg hoch über dem Isenthal, umringt von hohen Bergen und Wald. Nicht einmal die tief hängenden Regenwolken können das traumhafte Landschaftsbild trüben. Doch ganz so idyllisch, wie sich die Natur präsentiert, ist es hier oben nicht immer.
Bergsturz hinter dem Stall
«Knapp hinter dem Hofladenhüttli und dem Hühnerstall ist diesen Februar ein Bergsturz mit etwa 1500 Kubik Felsen niedergegangen», erklärt Landwirt Oskar Bissig. Ende März, an einem sonnigen Tag, löste sich aus der Schneemasse ein Murgang und donnerte über ihre Wiese. Oskar und seine Frau Antonia Bissig können sich noch genau erinnern. «Uns stand der Schrecken im Nacken, denn noch nie haben wir so was erlebt», so Oskar, der hier aufgewachsen ist.
Ein etwa 100 Kubikmeter grosser Stein steht seither mitten auf der Wiese. Die Abbruchstelle wird nun genauestens beobachtet. «Ein bisschen Angst haben wir schon. Vor allem ist es traurig, wie unser hart erarbeitetes Wiesenland dabei Schaden erlangt hat», so der Biobauer.
Tiroler Grauvieh passt
Den Betrieb hat Familie Bissig 2006 mit der Rasse Tiroler Grauvieh von Milchwirtschaft auf Mutterkuhhaltung und sogleich auf Bio umgestellt. «Das Grauvieh ist klein und leicht, ideal für unsere steilen Hänge, und es hat einen sehr guten Charakter. Die Rasse kann Grünfutter gut in Milch umsetzen. So bekommen unsere Kälber genug Muttermilch», erklärt der Meisterbauer und Agrotechniker die Kuhrassenwahl. Die acht bis zehn Mutterkühe kalben einmal im Jahr und erhalten betriebseigenes Futter. Seit einigen Wochen sömmern sie auf der Rigi.
Zu viel Futterzukauf
«Noch weiter Milchwirtschaft zu betreiben, ergab für mich keinen Sinn», erwähnt Oskar Bissig. «Wir haben intensiv gemolken. Die Milchleistung war hoch und das stetige Zukaufen des Futters konnte ich nicht mehr verantworten», begründet er die Betriebsumstellung. Mit Mutterkühen seien sie nun viel flexibler.
Betriebsspiegel
Betriebsleiter: Oskar und Antonia Bissig
Standort: Isenthal UR, 1000 m ü. M., Bergzone III
LN: 12,6 ha
Produktionsart: Bio Suisse
Tierhaltung: Mutterkuhhaltung, acht bis zehn Muttertiere, Tiroler Grauvieh; 60 bis 70 Legehennen im mobilen Stall; einige Burenziegen als Hobby
Landwirt und Wildhüter
Bissigs Betrieb ist zu klein, um die ganze Familie zu ernähren. Darum ist Oskar zu 80 Prozent beim Kanton Uri als Wildhüter angestellt. «Der Job ist saisonal sehr unterschiedlich.» So komme es vor, dass er in der Sommerzeit – zum Beispiel wegen eines kranken Wildtieres – die Heugabel fallen lassen und sofort ausrücken müsse. «Ja, dann heuen wir halt fertig» schmunzelt seine Ehefrau Antonia.
Oskar freut sich, dass er seine Leidenschaft als Wildhüter ausüben darf. So quasi von zu Hause aus, da ihr Hof sich mitten im eidgenössischen Jagdbanngebiet «Urirotstock» befindet. Seine Leidenschaft als Beruf auszuüben sei nur dank der Flexibilität seiner Familie, vor allem seiner Frau Antonia, möglich. Und dank der Umstellung auf Mutterkühe könne sie auch mal die Tiere füttern und den Stall machen.
Pasta mit gesunden Eiern
Nebst Kühen leben auf dem Betrieb von Bissigs 60 bis 70 Legehennen. «Unsere Hühner geniessen einen neu konstruierten, mobilen Hühnerstall mit grosszügigem Weidegang», erklärt die Bäuerin das Geheimnis ihrer frischen und gesunden Eier.
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Der Eierverkauf läuft sehr gut. Doch in der Coronazeit konnten sie die Restaurants nicht mehr beliefern und so hatte die 45-Jährige die Idee, mit den Eiern Pasta zu produzieren. Übers Internet erwarben sie sich eine Occasion-Profi-Pasta-Maschine und stellen nun seit Frühling drei verschiedene Sorten her. «Unsere Philosophie ist es, nur Schweizer Zutaten zu verwenden. Da staunten wir, wie schwierig es ist, Weizen in Bio-Suisse-Qualität zu beziehen», bedauern sie. Doch sie wurden fündig. Bei der Altbachmühle in Wittnau kaufen sie nun Hartweizen und Dinkel. Wöchentlich werden bis zu 20 Kilo Pasta hergestellt. «Bei der Produktion und Verpackung hilft die Familie sehr gerne mit», freut sich Antonia Bissig.
Seit drei Jahren hält sich Familie Bissig als Hobby ein paar Burenziegen. «Antonia war anfangs zwar ein wenig skeptisch, da sie sich um ihre vielfältige Blumenpracht rund um das Bauernhaus Sorgen machte», witzelt Oskar. Es kam gut: «Unsere acht Ziegen sind unsere besten Landschaftspfleger und fressen das Gelände frei von Büschen. Und meine Blumen stehen noch», freut sich Antonia Bissig.
Absatz ist gut
Bissigs betreiben ihren Biobetrieb mit Herzblut miteinander und freuen sich über den guten Absatz ihrer Produkte. Diese verkaufen sie einerseits übers Internet, andererseits im Dorfladen, in Restaurants oder ihrem Hofladenhüttli hinter dem Haus, welches direkt an einem Wanderweg steht. Auch die Mund-zu-Mund-Propaganda laufe sehr gut.
Die Angebotspalette reicht von Frischfleisch-Mischpaketen, «Hüüswirschtli» und Trockenfleisch aus eigener Produktion über Eier bis Pasta. Zudem gibt es im eigenen Lädeli Meringues, Holunderblütensirup, Tannschössli- und Löwenzahnhonig oder was sonst saisonal gerade reif ist.
«Wir sind sehr zufrieden und spüren, dass Bergbauernprodukte sehr gefragt sind», so die Bäuerin. Die Nachfrage sei sicher auch wegen Corona gestiegen. Aufgefallen sei ihnen vor allem, dass seither die Bevölkerung bewusster regionale Produkte einkaufen würde.
Gemeinsam erfolgreich
Ihre Töchter Jessica, Elena, Lara und Svenja helfen sehr gerne mit auf dem Biobetrieb. «Wir haben unsere Kinder nie gezwungen, zu arbeiten», hält Oskar fest. Aber alle lieben es, auf dem Betrieb mit anzupacken. Jessica, die Älteste, war Finalistin bei den Landwirtschaftslehrlingen des Jahres. «Sie und auch wir haben sehr viele positive Rückmeldungen erhalten», gibt die Familie stolz bekannt. Miteinander anpacken bedeute auch mehr Freizeit. «Diese Zeit verbringen wir dann gerne zusammen auf der Piste oder im Sommer beim Wandern», so Oskar. Zudem spielen Oskar und seine Töchter Jessica, Elena und Lara gerne an Familienanlässen mit ihren Schwyzerörgeli und Handorgeln.
Antonia und Oskar Bissig haben keine Wünsche für die Zukunft: «Wir sind sehr zufrieden, so wie es jetzt ist, sind aber immer offen für Neues», Ideen hätten sie noch viele.
12 Prozent Bio in Uri
Im Kanton Uri produzieren gemäss Landwirtschaftsamt rund 12 Prozent der direktzahlungsberechtigten Betriebe biologisch, nämlich 60 von 500. Diese Zahl sei recht stabil, sagt Edith Aschwanden, Vorstandsfrau vom Verein Bio Uri. Meistens handle es sich um langjährige Biobetriebe, eher klein strukturiert, mehrheitlich mit Kalb- und Rindfleischproduktion. «Ich würde mir wünschen, dass vermehrt junge, motivierte Landwirte bei Bio einsteigen», sagt Edith Aschwanden der BauernZeitung. In die Region und zu den Strukturen würde diese Betriebsweise passen, ist sie überzeugt.