Die Ernte im Seeland läuft auf Hochtouren. Oder sollte zumindest. Die Rede ist vom Rosenkohl. Doch die Situation ist alles andere als einfach für die Produzenten. Hat während der Wachstumsphase der Schädling Weisse Fliege den Produzenten das Leben schwer gemacht, ist es jetzt das nasse Wetter. Denn der Rosenkohl ist schlecht lagerfähig, wie Produzent Reto Minder aus Jeuss auf Anfrage der BauernZeitung erklärt. Durch den vielen Regen sind die Zellen mit Wasser vollgesogen.
Mindere Qualität durch rasche Fäulnis
Bei der mechanischen Beanspruchung während der Ernte platzen diese Zellen und die Bakterien haben freie Bahn. Resultat: Die Röschen faulen bereits nach einem Tag. Produzent Reto Minder musste bereits einige Posten abgelieferten Rosenkohl wieder retour holen. Der Handel habe dadurch das Vertrauen in die hiesige Qualität verloren, so Minder. Die Bestellungen sind auf ein absolutes Minimum zurückgegangen. Der Handel importiere lieber qualitativ gute Ware aus dem Ausland und nehme dafür sogar Strafzölle in Kauf. Dafür hat Minder Verständnis. Wenn der Rosenkohl bereits nach einem Tag im Sack schmierig sei, könne der Detaillist diesen auch nicht verkaufen. Aber: «Wir sind in der jetzigen Situation machtlos», erklärt der Produzent. Er könne rein gar nichts tun, um die Qualität und Haltbarkeit zu verbessern. Nur trockeneres Wetter könne eine Verbesserung bringen. Ob aber die Händler die Ware dann noch abnehmen, sei ungewiss.
Gute Pflanzenschutzmittel gegen Weisse Fliege fehlen
Auch wenn Reto Minder in der jetzigen Situation Verständnis für die Händler hat, fühlt er sich dennoch allein gelassen. Denn der Dialog vom Produzenten über den Handel zum Detaillisten und den Konsumenten komme zu kurz. Und genau das wäre enorm wichtig, um gegenseitig Verständnis aufbringen zu können. Der Bauer habe immer weniger und schlechter wirkende Pflanzenschutzmittel zur Verfügung, müsse aber dennoch weiterhin die immer gleich hohe Qualität der Produkte erbringen, bemängelt Reto Minder. Das gesamte Risiko bleibe beim Produzenten. «Das geht nicht auf», weiss er. Dieser Meinung sind auch Martin Keller und Esther Mulser vom Beratungsring Gemüse, Ins. Mit den heutigen Mitteln müssten Zugeständnisse gemacht werden. Denn, immer weniger Mittel spritzen dürfen bei dennoch gleichbleibender Qualität sei ein Widerspruch, betonen die beiden.
Der Anbau von Rosenkohl
Rosenkohl ist eine Pflanze mit sehr langer Kulturzeit. Sie wird Ende April gesetzt, die Haupterntezeit ist im November und Dezember. Die letzten Röschen werden im Januar geerntet. Beim Anbau bereitet die Weisse Fliege Probleme. Durch die lange Kulturzeit können sich mehrere Generationen bilden, was den Befallsdruck erhöht.
Schwarzer Russtaupilz als Qualitätsmangel
Die Larven der Weissen Fliege scheiden Honigtau aus. Dieser bleibt an den Blättern haften, woraus sich schwarzer Russtaupilz bildet. Dadurch ist die Assimilation der Blätter teilweise eingeschränkt. Zudem gilt Russtaupilzbefall als Qualitätsmangel. Dabei wäre er abwasch- oder abrüstbar. Die Pflanzenschutzmittel, die hierzulande noch eingesetzt werden dürfen, haben eine eingeschränkte Wirkkraft und wirken nur kurze Zeit. Das wirksamste Mittel Methomyl wurde vor drei Jahren verboten. Es müssten daher alle Register gezogen werden, erklärt Martin Keller. So hätte der Beratungsring Gemüse den Produzenten etwa empfohlen, zusätzlich zur normalen Spritzung biologische Mittel einzusetzen. Doch diese wirken meist nur direkt auf dem Schädling. Da sich viele im Spritzschatten befinden, werden sie nicht erreicht. Die Forschung nach noch besserer Applikationstechnik sei daher zwingend.
Eine Möglichkeit: Bewässern
Erste Erfahrungen hat der Beratungsring mit dem Einsatz homöopathischer Mittel gesammelt. Doch der Bedarf an Forschung ist sehr gross, erklärt Esther Mulser. Gute Erfahrungen sind mit der Massnahme des Bewässerns am Morgen gemacht worden, wenn noch Tau in den Pflanzen ist. So werde der Honigtau abgewaschen, damit sich der Russtau nicht bilden kann. Doch das ist nur möglich, wenn es nicht schon nass genug ist.
Die Produktion der Kultur aufgeben wollen
Im Seeland wird auf rund 50 Hektaren Rosenkohl angebaut. Das entspricht etwa 85 Prozent der gesamten inländischen Produktion. Für rund Dreiviertel der Anbaufläche im Seeland ist der Beratungsring von den Bauern beauftragt worden, die Kultur zu überwachen, was jeweils wöchentlich inklusive Abgabe einer Behandlungsempfehlung geschieht. Martin Keller weiss daher, dass bereits viele Produzenten den Verleider und einen möglichen Ausstieg aus der Rosenkohlproduktion angetönt hätten. Die hiesigen Bauern müssten sich an der sehr hohen importierten Qualität aus dem Ausland messen. Doch von draussen komme nur die absolute Top-Qualität ins Land, die zudem mit Unterstützung von Pflanzenschutzmitteln produziert werden, die hier nicht benutzt werden dürfen. Schlechtere Ware werde gar nicht erst importiert. «Das ist das grosse Problem», so Keller. Zwar hätten die Grossverteiler 2017 und 2018 Zugeständnisse an die Qualität gemacht, doch heuer sei wieder Top-Qualität verlangt worden.
Anbau im Seeland bedroht
«Wenn vom Handel weiter an den Maximalqualitäten festgehalten wird und keine neuen Mittel zur Bekämpfung der Schädlinge bewilligt werden, geht die inländische Produktion bachab», ist sich Martin Keller sicher. Für die diesjährige Saison bleibt nur zu hoffen, dass sich das Wetter noch bessert und die Händler dann auch noch heimische Ware annehmen.
Kommentar von Redaktorin Andrea Wyss
Die eierlegende Wollmilchsau
Die Rosenkohlproduzenten im Seeland leiden. Die erlaubten Pflanzenschutzmittel (PSM) erbringen, auch in höherer Dosierung, nicht dieselbe Wirkung, wie das verbotene Mittel Methomyl. Nun beeinträchtigt auch noch Nässe die Qualität. Der Handel hat sich von den hiesigen Produzenten abgewendet und importiert die Ware aus dem Ausland. Dafür werden sogar Strafzölle in Kauf genommen.
Teure Kultur
Rosenkohl ist im Anbau eine sehr teure Kultur. Einmal mehr trägt der Produzent jedoch alle Risiken alleine. Dem Handel scheint es egal zu sein, mit welchen Herausforderungen produziert wird. Hauptsache die Qualität stimmt. Dabei wird mit ungleich langen Ellen gemessen. Was importiert wird ist nur das Beste vom Besten, angebaut mit Unterstützung von PSM, die hierzulande verboten sind. An dieser Qualität müssen sich die Bauern messen lassen. Das ist nicht fair. Der hiesige Anbau von Rosenkohl ist massiv bedroht. Ob die Bauern künftig noch gewillt sind, so viel Risiko auf sich zu nehmen, ist ungewiss. Sollte die Trinkwasser-Initiative angenommen werden, würde das Problem nochmals verschärft.
Der Handel muss mithelfen
Der Handel muss von seiner Machtposition herabsteigen. Es kann nicht sein, dass jedes Produkt im Laden immer verfügbar ist, auch wenn die hiesigen Bedingungen dies gar nicht erlauben. Ein Verzicht des Angebots und entsprechende Information der Kunden wäre angezeigt. Denn billige Lebensmittel in top Qualität fordern, ohne PSM, aber am liebsten um die Ecke produziert, das gleicht einer «eierlegenden Wollmilchsau» und kann nicht funktionieren.