Als Auftakt zum zweiten Bio-Gipfel mit dem Titel «Bio auf meinem Teller – Fakt oder Fake?» warf Sebastian Wörwag, Rektor der Fachhochschule in Zollikofen, zentrale und auch kritische Fragen auf: Warum sind die Standards in der EU tiefer als in der Schweiz? Warum gibt es so viele Bio-Labels in der Schweiz? Wie schafft es die Branche, dass biologisch produzierte Produkte nicht nur ein Geschäft, sondern ein Verhalten werden? Wie können wir das Narrativ so verändern, dass sich die Konsument(innen) effektiv damit beschäftigen, wie das Produkt produziert wurde und dieses nicht nur kaufen, weil sie ein gutes Gefühl dabei haben. Die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) war Gastgeberin des Anlasses, welcher von den sechs Trägerorganisationen BFH-HAFL, Inforama, Bio Suisse, «Bio Bern», «Bern ist Bio» und FiBL organisiert wurde. 

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«Labels entlasten die Konsumentinnen und Konsumenten» 

Der Rektor gab auf der Bühne des Bio-Gipfels auch den Denkanstoss mit, dass Labels die Konsument(innen) dabei entlasten, sich mit der Herstellung des Produkts auseinanderzusetzen. Wörwag merkte an, dass man beim Kauf von Bioprodukten auch ein Gefühl kauft und regte zum Nachdenken an, warum dies beim Käufer, bei der Käuferin ausgelöst wird.

Der zweite Bio-Gipfel traff also den Nerv den Zeit, indem zumindest das einleitende Referat des Rektors die biologisch produzierten Produkte kritisch beleuchtete und Fragen stellte, die zum Denken anregen.

Wegweiser im Labeldschungel

Weniger kritisch, dafür nah an der Praxis ging es weiter mit einem Input von Manuela Keller von der Kontrollstelle Bio Test Agro AG. Keller führte das Publikum durch den Labeldschungel und beleuchtete die Unterschiede von Begriffen wie Zertifikat, Gütesiegel, Label, Deklaration und Audit. Manuela Keller verwies als Guide durch den Dschungel auf folgende Plattformen:

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Seminarraum, Hotel, Praxis und Stall in Einem

Mit einem Praxisbeispiel ging es weiter nach Chateau d’Oex im Kanton Waadt, wo die Familie Mottier seit 14 Jahren an einem 40 Millionen-Projekt «Votre Cercle de Vie» tüftelt. Mit der Motivation, die Konsumenten wieder zurück zur Produktion zu bringen, planen Esther und Nicolas Mottier einen Demeter-Stall, der unter demselben Dach wie ein Hotel, Seminarraum, Restaurant, Gärtnerei, Laden und Praxis sein soll. Dabei sollen die Kühe das Zentrum des Geschehens sein. Mottiers befolgen dabei das Konzept der Zirkularwirtschaft.

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«Die Landwirtschaft hat ein grosses Potenzial, die Menschen zurück zur Basis zu führen», sagte Esther Mottier am Bio-Gipfel. Aktuell laufen letzte Verhandlungen mit dem Kanton und den Ämtern. Heisst der Kanton das Projekt gut, können Mottiers die öffentliche Baueingabe tätigen. Sie planen, nächstes Jahr mit dem Bau des 40-Millionen-Projekts zu starten. Gemäss aktueller Budgetierung übernimmt der Kanton 35% der Kosten – der Rest werde über Privatpersonen, Banken und Schenkungen finanziert.

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«Wir haben nur alles zusammengetragen»

«Erfunden haben wir nichts», sagte Esther Mottier, «wir haben nur alles zusammengetragen». Die Initianten arbeiteten eng mit Hotelfachschulen, der Tourismusbranche, der Forschung, Ämtern, Kantonen und Architekten zusammen, um dieses Grossprojekt realisieren zu können. Dazu musste Landwirtschaftszone in eine Tourismuszone umgezont werden. Die Bereitschaft sei nun da, nach 14 Jahren Planungsphase, dieses Projekt umzusetzen. «Es ist ein Präzedenzfall. Die anderen Kantone könnten davon profitieren, deshalb stehen die Chancen mittlerweile gut, dass wir das Projekt umsetzen können», so Esther Mottier.

Von «Honigmelonemond» über Haferdrink bis hin zu Bio-Zimt

Weitere Referent(innen) am Bio-Gipfel waren die zwei Ernährungsberaterinnen des Podcasts «Honigmelonemond», Daniel Hasler (Dänu’s Hofprodukte), der seinen Betrieb kürzlich auf Bio umgestellt und die Direktvermarktung aufgegeben hat, Urs Marti vom Biohof Hüberli aus Kallnach, der Haferdrink und Polentamais produziert, Peter Lendi, der erklärte, wie Bio-Zimt aus Sri Lanka in die Schweiz gelangt, Florian Studer – von der Firma «SusChain» und François Devenoge vom Betrieb «Ferme la Lizerne».