Der Permakultur-Kleinhof Rosenberg im thurgauischen Wängi ist das Reich von Pia Steiner und Roland Schmid. Auf einer halben Hektare sind weit über 1000 verschiedene Blumen, Gemüse, Kräuter und Obstbäume zu einem bunten Zusammenspiel arrangiert.

Triebe und Blätter am häufigsten verwendet

An diesem passenden Ort fand am 15. August ein Kurs zu mehrjährigem Gemüse statt. Organisiert wurde er vom Strickhof, geleitet von Steiner und Schmid. Die beiden gaben darin einen Teil ihrer Erfahrungen weiter, die sie nach und nach gewonnen haben, seit sie vor etwa zwölf Jahren begonnen hatten, sich ­zunächst mit der Permakultur allgemein und später im Besonderen mit dem Anbau von mehrjährigem Gemüse zu beschäftigen.

Also waren bei dem Kurs nicht Zucchetti, Gurken oder Sellerie – alles einjährige Pflanzen – die Hauptdarsteller. Im Zentrum standen für einmal Arten, die für Gemüse weniger offensichtliche Namen tragen, so etwa Ampfer, Rhabarber, Taglilie und sogar Sommerlinde. «Rhabarber beispielsweise ist fast ausschliesslich als säuerliches Obst bekannt», stellte Pia Steiner fest. «Doch insbesondere die Stängel können auch für salzige Speisen verwendet werden, etwa in einem Risotto oder in einer Quiche.» Häufig sind es laut der Fachfrau gar nicht die Früchte einer Pflanze, die zum Einsatz kommen, sondern die Blätter oder die jungen Triebe. So auch bei der Schwarzwurzel: Diese ist mehrjährig, sofern sie nicht ganz geerntet wird. Bleibt die Wurzel in der Erde, liefert die Pflanze über Jahre schmackhafte Blätter, die wie Spinat verwendet werden können.

Eine essbare Lilie auf dem Teller

Eine Überraschung war auch, als Steiner das Aufgeblasene Leimkraut – gemeinhin als Wiesenblume bekannt –, als Gemüse vorstellte. Dessen jungen Blatttriebe seien gedämpft ein Genuss, in Italien sind sie als «Stridolo» bekannt. Ebenfalls nur als dekorative Pflanze kennt man die Taglilie, die in zahlreichen Gärten zu finden ist. Kaum bekannt ist hingegen, dass ihre Sprossen und Knospen angedünstet gut schmecken und ihre Blüten sich als köstliche Dekoration eignen. Jedoch sollte sie nicht verwechselt werden mit der ähnlich aussehenden Madonnenlilie, welche giftig ist.

Unter mehrjährigem Gemüse findet man auch kohlenhydratreiche Vertreter. Ein Beispiel ­dafür ist Yacón, die aus Südamerika stammt. Die Knollen schmecken leicht süsslich und können sowohl roh als Fruchtsalat wie auch gekocht als Gemüse verwendet werden.

Selber ausprobieren wird empfohlen

Erstaunlich ist auch, dass sogar Bäume als Gemüse zum Einsatz kommen. So eignen sich beispielsweise die weichen, jungen Blätter der Sommerlinde als Bereicherung für einen Salat. Pia Steiner führte die Teilnehmer auch zum Beet mit dem Schnittknoblauch, der vom Aussehen her an Schnittlauch erinnert. «Im Frühling, wenn er stark wüchsig ist, kann er bundweise geschnitten werden. Ich verwende ihn gerne als Zwiebelersatz, weil er einen ähnlichen Geschmack hat und sich ebenfalls gut andünsten lässt.»

Viele der Gewächse, die beim Kurs vorgestellt wurden, lassen sich durch Teilung der Wurzelstöcke vermehren. Bei manchen Sorten ist es zudem möglich, Stecklinge zu ziehen. Pia Steiner rät, langjähriges Gemüse im Herbst jeweils nicht zurückzuschneiden, sondern sich zurückziehen zu lassen, damit die Kraft wieder zur Wurzel zurückgehen kann. Einige Pflanzen darf man auch im Frühling etwas zurückschneiden, was mit erneutem Wuchs quittiert wird. «Jede Sorte hat ihre Eigenheiten. Man findet diese am besten selber heraus, wenn man sich mit damit beschäftigt und Verschiedenes ausprobiert», so Steiner.

Boden immer bedeckt

«Ziel der Permakultur ist es, dass ein Garten zu einem dauerhaften und widerstandsfähigen System wird», hielt Roland Schmid fest. Um den Boden zu schützen und die Bodenlebewesen zu ernähren, sei es wichtig, dass der Boden immer bedeckt ist, beispielsweise mit Mulch oder eben mit mehrjährigen Pflanzen, die mit ihrer Blattmasse den Boden bedecken. Zunächst hätten sie in ihrem Garten vor allem einjährige Pflanzen angebaut. Nicht immer erfolgreich: «Vor allem bei den Rüebli machten uns die Maulwurfsgrillen einen Strich durch die Rechnung, da sie beim Graben die feinen Wurzeln freilegten und diese dann austrockneten», erzählte Schmid. Das sei ein Anstoss gewesen, es fortan vermehrt mit mehrjährigen Pflanzen zu probieren. «Sie sind von Beginn an robuster und ihren etablierten Wurzeln schaden Maulwurfsgrillen kaum.»

Da die Versuche immer besser funktionierten, wurde daraus zunehmend eine Passion. Das Ehepaar recherchierte zum Thema und probierte immer mehr Sorten aus. «Die einen Pflanzen kamen, aus anderen wurde nichts», sagte Pia Steiner. Sie lernten weitere Vorteile mehrjähriger Gewächse kennen: So sind diese trockenheitsresistenter, weil sie tiefer wurzeln. Durch natürliche Bedeckung trocknet die Erde viel langsamer aus und die Beikräuter werden wirksam unterdrückt. Zudem braucht es weniger Bodenbearbeitung, da nicht jedes Jahr neu angepflanzt wird. Dennoch, manche der Mehrjährigen muss man mit der Zeit auch ersetzen, aber nach der Einarbeitungszeit ist der Arbeitsaufwand bei mehrjährigem Gemüse insgesamt deutlich kleiner.

Weitere Informationen unter den Stichworten Thurgau, Kleinhof ­Rosenberg: www.permakultur.ch

 

Überraschende Vielfalt

Eine Auswahl an mehrjährigen Gemüsesorten, welche in der Permakultur angebaut werden:

  • Ewiger Kohl: Mild im Geschmack, kann ganzjährig geerntet werden.
  • Basilikum-Minze: Sehr wüchsig, kann wie Basilikum verwendet werden (z. B. als Pesto)
  • Aufgeblasenes Leimkraut: Gedämpft als Frühlings- und Herbstgemüse, z. B. in einem Curry.
  • Schnittknoblauch: Roh als Gewürzkraut, gedünstet als Gemüse.
  • Sommerlinde: Junge Blätter als Salat. Diejenigen der Winterlinde sind auch verwendbar, aber weniger fein.
  • Gemüse-Ampfer: Ernte im Früh­ling und im Herbst, nur leicht säuerlich, Verwendung wie Spinat.
  • Vietnamesischer Wasser­fenchel: Geschmack wie Liebstöckel oder Sellerie, mag einen feuchten Standort.
  • Wilde Rauke: Junge Blätter können laufend geerntet werden, im Geschmack ähnlich wie Rucola, aber intensiver.
  • Yacón: Roh als Fruchtsalat, ge­kocht als Gemüse, nicht winterhart, aber einfach zu überwintern.