Frau Sutter kauft ihren Liter Milch gerne direkt beim Bauern und legt im Hofladen ausserdem noch ein Kilogramm Bauernbrot und fünf Äpfel in den Einkaufskorb. Kleinstmengen, weil sie einen Ein-Personen-Haushalt führt. So wie die Frau Sutter mögen es auch viele andere Konsumentinnen und Konsumenten: die Autofahrt aufs Land, den Schwatz im Laden und vor allem die frischen, regionalen Produkte direkt vom Hof.

Liefern lassen oder selber holen

«Es ist nicht belegt, dass die Direktvermarktung immer klimafreundlicher ist. Bisher fehlen umfassende Studien zur Umweltbilanz direktvermarktender Betriebe», sagt Otto Schmid, langjähriger Mitarbeiter am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und selbst Direktvermarkter von Bio-Obst und Getreide. Verschiedene Aspekte seien relevant, um zu beurteilen, wie ökologisch und nachhaltig ein Direktvermarktungs-Betrieb ist.

«Dass der Einkauf direkt ab Hof durch den kurzen Transportweg zum Klimaschutz beiträgt, ist nicht in jedem Fall haltbar», sagt der Experte. Für die Bewertung der Klimarelevanz, müssen die Transporteffizienz und die verwendeten Transportmittel berücksichtigt werden. Kurze Transportwege – vor allem, wenn per Fahrrad oder zu Fuss eingekauft wird – hätten sehr wohl Einsparpotenzial.

Einkauf im Hofladen ist ein Erlebnis

In unserem Beispiel macht es ökologisch also wenig Sinn, dass man wegen ein paar Kilo Gemüse in den weiter gelegenen Hofladen fährt, statt den Einkauf beim nahen Detailhändler zu tätigen. Es ergibt aber Sinn, wenn Direktvermarkter kooperieren und eine grosse Produktpalette anbieten oder eine verbrauchernahe Verkaufsstelle einrichten, wo sie die Produkte deponieren können. Für verkehrstechnisch abgelegene Höfe ist auch die Auslieferung per Post eine gute Alternative

Für viele Kundinnen und Kunden ist die Fahrt auf einen Hof aber viel mehr als nur ein Einkauf. «Da spielt das Erleben der Authentizität eines Hofes, der soziale Kontakt und die Suche nach Vertrautem eine Rolle», meint Otto Schmid. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie brachte der Drang, raus aus der Stadt zu gehen, viele Leute auf die Höfe. «Diese soziale Komponente der Direktvermarktung ist auch wichtig für die Imagepflege der Bauernfamilien», so Schmid. Allerdings könne diese auch auf andere Art und Weise gepflegt werden, wie mit einem Tag der offenen Tür oder Schule auf dem Bauernhof.

Direktvermarktung - ein Betriebszweig mit Potenzial

2021 legt der LID mit einer Serie den Fokus auf die Direktvermarktung. Unterstützung und Tipps zur Öffentlichkeitsarbeit und Kundenkontakt gibt es unter www.lid.ch/bauern.

Beim Mehrweggebinde müssen Kunden mitmachen

Ein anderes Thema in der Direktvermarktung ist die Verpackung von Lebensmitteln. Viele Früchte und Gemüse müssen aufgrund ihrer Beschaffenheit verpackt werden. «Sehr wichtig, um die Umwelt zu entlasten, ist es, wo möglich kein Plastik zu verwenden», sagt Schmid. In seinem Hofladen animiert er die Kundschaft dazu, eigene Gebinde mitzunehmen oder er bietet gebrauchte Papier-Tragtaschen oder Kartonschachteln an. Schmid empfiehlt, das Thema bei der Kundschaft anzusprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Bei gutem Rücklauf sind Mehrweggebinde wie Milch-Glasflaschen bis 200 Kilometer Transportweg den Einweggebinden ökologisch und ökonomisch überlegen. Die Kundschaft muss aber gewillt sein, die Gläser zurückzubringen. Ausserdem empfiehlt Schmid natürliches Verpackungsmaterial statt Verbundmaterialien, «weil die Auftrennung bei der Entsorgung wegfällt und das Recycling dadurch weniger aufwändig ist.»

Kostbare Lebensmittel nicht wegwerfen

Die Kostbarkeit verbrauchter Ressourcen wertschätzen und nichts wegwerfen, das ist das oberste Ziel bei der Minimierung von Food Waste. Auch Bauernhöfe können viel unternehmen, um Lebensmittelverschwendung zu minimieren und gleichzeitig eine höhere Wertschöpfung zu generieren. Otto Schmid arbeitet mit seiner Familie mit Institutionen zusammen, die sein Obst zweiter Klasse abkaufen und es weiterverarbeiten. «Aus deformierten, aber immer noch intakten Früchten können Apfelstückli oder Apfelmus gemacht werden, aus krummen Karotten werden Smoothies.»

Vielerorts gebe es Köche, die für zweitklassige Ware Verständnis hätten und innovative Ideen für die Verwertung solcher Produkte entwickelten. «Hier ist der direkte Kontakt wichtig», sagt Schmid. Er ermutigt Hofläden, Produkte zweiter Qualität entsprechend anzuschreiben und zu einem wesentlich günstigeren Preis zu verkaufen. «Es besteht die Meinung, die Kundschaft würde das nicht kaufen», sagt Schmid. Seine Erfahrung zeige aber, dass dies falsch sei, wenn Konsumentinnen und Konsumenten aufgeklärt werden. Und genau da sehe er die Chance von Hofläden, die den Kunden beispielsweise mit Rezeptideen weiterhelfen können.

Am Schluss zählt das Erlebnis

Es stimmt also nicht, dass die Direktvermarktung von vornherein ökologisch ist. Wenn ein Betrieb nicht nachhaltig wirtschaftet und er zudem noch weit weg von Kundinnen und Kunden liegt, sieht es mit der Ökobilanz rasch einmal weniger gut aus. Auf der anderen Seite steht der persönliche Kontakt zwischen Produzenten und der Kundschaft, der das Verständnis für die Landwirtschaft und die hiesige Nahrungsmittelproduktion fördert. Für viele Kundinnen und Kunden ist der Einkauf auf dem Hof ein Erlebnis und eine willkommene Abwechslung. Allfällige Nachteile in der Direktvermarktung können durch gezieltes Handeln in den Bereichen Food Waste und Verpackung oder durch alternative Absatzkanäle ausgeglichen werden.