Die meisten Metzger schlachten heute nicht mehr selbst. Sie kaufen die Fleischstücke im Grosshandel ein, denn das Schlachten ist aufwändig. Die Einrichtungen sind teuer und müssen hohe Hygiene- und Umweltauflagen erfüllen. Hinzu kommen Kosten für dauernd angestelltes, ausgebildetes Personal, aber auch für die Schlachttieruntersuchung sowie die Fleischuntersuchung, die bei jedem Tier vorgeschrieben ist.

Grosse Schlachthöfe können deshalb die Fixkosten tiefer halten als kleine. In der Schweiz gibt es etwa 600 Schlachtbetriebe für Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Geflügel. Vor etwa 20 Jahren waren es allerdings noch etwa 900 Betriebe, sagt Peter Jakob vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Dass es in der Schweiz vergleichsweise viele kleine Schlachtlokale gibt (siehe auch Textbox), liegt einerseits daran, dass sie traditionell zu einer Metzgerei oder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft gehören, andererseits aber auch daran, dass beim Direktverkauf die Händlermargen sowie lange und oft teure Transportwege entfallen.

 

Immer noch hohe Dichte an Schlachtbetrieben

 

Der Rückgang der Zahl der Schlachtbetriebe in der Schweiz ist nicht nur eine Folge der Rationalisierung. Er kommt auch daher, dass die landwirtschaftlichen Betriebe immer grösser werden und sie grosse Posten mit mehreren Tieren zur Schlachtung liefern. Trotz des Rückganges um etwa ein Drittel ist die Schlachtbetriebsdichte in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern immer noch hoch. In Grossbritannien gebe es weniger Schlachtbetriebe als in der kleinen Schweiz und der Kanton Bern habe die grösste Dichte an Schlachtbetrieben der Welt, nämlich 150 Schlachtbetriebe, stellt Peter Jakob vom BLV fest. Es sind vor allem Dorfmetzger und Genossenschaften, die noch selbst schlachten.

 

«Die Tierethik steht im Mittelpunkt»

 

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Es kommt auch vor, dass neue, regionale Schlachtbetriebe entstehen. Ein Beispiel ist der Schlachtbetrieb der Ueli Hof AG, der im Jahre 2014 fertig gestellt wurde. «Den Ursprung bildete der Hof der Familie Unternährer», erzählt Geschäftsführer Martin Schmitz. Die Familie Unternährer legt nicht nur grossen Wert auf tiergerechte Haltung, sondern auch darauf, dass die gesamte Wertschöpfungskette transparent und auf das Tierwohl ausgerichtet ist.

So entstand die Idee, eine Biometzgerei mit eigenem Schlachthaus in Ebikon zu bauen. «Die Tierethik steht im Mittelpunkt», erklärt Schmitz. Vater Walter und Sohn Ueli Unternährer setzten ihre Vision um und gründeten eine Erzeugergemeinschaft mit gleichgesinnten Bio-Landwirten. Diese profitieren, indem sie ihre Tiere direkt an den Schlachtbetrieb verkaufen können und die Händlermarge entfällt.

Die Landwirte, deren Tiere vom Ueli Hof geschlachtet werden, müssen die Ueli-Hof-Richtlinien einhalten, die über die Richtlinien von Bio Suisse hinausgehen. So darf die gesamte Transportdauer der Tiere zwei Stunden nicht überschreiten. Die Fahrweise muss schonend und rücksichtsvoll sein und die Tiere müssen zur vereinbarten Zeit angeliefert werden, damit keine Wartezeiten entstehen. «Der respektvolle Umgang mit den Tieren ist uns wichtig», betont Schmitz. Schlagstöcke und Elektrotreiber sind verboten. «Wenn ein Tier gar nicht weitergehen will, dann muss man geduldig sein und ihm Zeit lassen», sagt Schmitz. In Grossschlachthöfen, in denen alles wie am Fliessband gehen muss, sei so etwas nicht möglich. Der kleine Schlachtbetrieb ist so angelegt, dass die Tiere nicht in den Schlachtbereich sehen können.

 

Das ganze Tier wird verwertet

 

Der Ueli Hof schlachtet und verarbeitet nicht nur, sondern betreibt auch drei Verkaufsstellen, je eine Metzgerei in Ebikon und Luzern sowie den Hofladen in St. Niklausen. Das Sortiment stammt zu 100 % von den in Ebikon geschlachteten Tieren. Aus Respekt vor dem Tier legt die Metzgerei Wert darauf, dass das ganze Tier verwertet wird, nicht nur die besonders gefragten Fleischstücke. «Filet gibt es nur, solange es hat.»

Das verlangt auch von den Kunden einiges ab. Es sind meistens konsumkritische und qualitätsbewusste Konsumenten. Auch die Metzger sind gefordert. Sie müssen innovativ sein, um auch die weniger gesuchten Fleischstücke an den Mann und Frau zu bringen. Sie verarbeiten diese zum Beispiel zu Spezialitäten wie Bio-Hobelfleisch, Bio-Hofbratwurst oder Bio-Meersalzschinken. Der Ueli Hof verkauft seine Produkte nicht nur im Laden und im eigenen Webshop, sondern beliefert auch Detailhändler, Bioläden, Gastrobetriebe und Spitäler.

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Die Nachfrage steigt

Der Ueli Hof ist der einzige Bio-Schlachtbetrieb in der Schweiz. Geschlachtet wird jede Woche nur am Montag, und zwar durchschnittlich 20-25 Schweine, 6-10 Rinder, etwa drei Kühe und zehn Lämmer. Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten wollten Fleisch aus tierfreundlicher und biologischer Haltung. Es bestehe der Trend, weniger Fleisch zu essen, aber dann solches, das aus nachhaltiger Tierhaltung stamme, so Schmitz. Da im Schlachthaus nur wenige Tiere geschlachtet werden, sind die Investitionen je Tier hoch, was den Fleischpreis verteuert. Trotzdem sei die Nachfrage gut. In der Covid-Krise sei sie sogar gestiegen. 

 

Eine Chance für regionale Spezialitäten

Ein weiteres Beispiel eines innovativen kleinen Schlachtbetriebes ist derjenige der «appenzeller fleisch und feinkost ag». «Wir schlachten und verarbeiten selber. Alles kommt aus einer Hand», sagt Metzgermeister Philip Fässler. Zusammen mit seiner Frau Rosmarie führt er den alteingesessenen Familienbetrieb mit Verkaufsläden in Steinegg und Speicher und ist dabei, einen neuen Schlachtbetrieb zu bauen. Fässler setzt auf die Marke «Appenzell». Er kauft die Schlachttiere direkt beim Bauern ein und stellt daraus traditionelle Produkte wie Appenzeller Pantli, Appenzeller Mostbröckli oder Appezöller Schwartenmagen her. Aber auch neue Kreationen wie die Marke «appenzeller beef» bietet er an. Immer stammt das Fleisch von Tieren aus Appenzell. Die «Culinarium Krone», ein vom Bund anerkanntes Gütesiegel für Produkte aus der Region, bürgt dafür.

Der regionale Schlachtbetrieb trägt auch zu einem besseren Tierwohl bei, denn die Transportwege sind kurz und die Bauern können ihre Tiere einzeln anliefern und sie bis zum letzten Schritt begleiten. Wenn Appenzeller Käse einen so guten Ruf bekommen hat, warum dann nicht auch Appenzeller Fleisch? Herkunftsbezeichnung und Regionalität, aber auch Werte wie Tierwohl und Nachhaltigkeit können wichtige Verkaufsargumente sein. Sie bieten der Fleischwirtschaft neue Vermarktungsmöglichkeiten und auch kleinen, lokalen Schlachtbetrieben die Chance, Nischen mit Spezialitäten zu einzunehmen.