Die Direktvermarktung lockt mit dem Wegfallen von Margen und der Unabhängigkeit von grossen Abnehmern. Aber lohnt sie sich immer?

Simone Hunziker: Nein. Man muss die Preise gut berechnen, die eigenen Produkte nicht unter Wert verkaufen und seinen Lohn mit einkalkulieren. Ladenpreise zu unterbieten, finde ich nicht in jedem Fall klug. Bei nicht lange haltbarer Ware braucht es eine gute Planung, inklusive der Verwertung allfälliger Resten.

Es gibt viele verschiedene Arten der Direktvermarktung. Wie findet man die richtige für sich und seinen Betrieb?

Als Erstes empfehle ich, eine Produkte- und Marktanalyse zu erstellen. Ebenso soll man sich fragen, was man besonders gut kann und gerne macht. Wie viel Zeit kann und will man einsetzen und wer ist wofür verantwortlich. Die landwirtschaftlichen Zentren bieten hier unterstützende Unterlagen an.

Entscheidend ist die Kundschaft – wie ist sie für ein neues Angebot zu gewinnen?

Neue Direktvermarkter sollten möglichst überall darüber reden, sei es auf Social Media oder via Whatsapp-Status. Wir haben ausserdem gemerkt, dass Medienberichte in Lokalzeitungen oder dergleichen sehr nützlich sind. Die beste Werbung sind allerdings gute Produkte, die sich über Mund-zu-Mund-Propaganda herumsprechen. Förderlich kann auch die Beteiligung an einem Geschenkkorb sein, um erste Kundschaft zu erreichen.

Die Stiftung für praktischen Umweltschutz (Pusch) rät Gemeinden, die Direktvermarktung zu unterstützen. Haben Sie solche Beispiele erlebt?

Das kann man sicher probieren, der Erfolg wird von den Personen in den jeweiligen Ämtern abhängen. Auch eine Aktion in der Schule wäre denkbar. Mit beidem habe ich aber bisher keine Erfahrung.

Wo kann man sich für den Einstieg in die Direktvermarktung beraten lassen?

Alle landwirtschaftlichen Zentren haben eine im Bereich Direktvermarktung zuständige Person. In den bäuerlich-hauswirtschaftlichen Schulen gibt es ausserdem das Modul «Willkommen auf dem Bauernhof». Da werden alle Aspekte der Direktvermarktung, von der Lebensmittelgesetzgebung über Werbung bis hin zur Produktepräsentation, fundiert behandelt. Dieser Kurs eignet sich für Männer genauso wie für Frauen.

Ein neues Angebot braucht eine gewisse Anlaufzeit. Wie lange darf die anfängliche Durststrecke sein, bevor man das Projekt besser abbricht?

Ich würde 1 bis 1,5 Jahre schätzen. Dann sollte klar sein, ob die Direktvermarktung so funktioniert oder nicht. Sicher braucht es Geduld, nach einem ersten Boom gilt es, sich einen treuen Kundenstamm aufzubauen. Diesen gilt es dann aber auch zu pflegen, z. B. mit Newslettern, Flyern oder Spezialangeboten.

Sehen Sie noch brachliegendes Potenzial für die Direktvermarktung in der Schweiz?

Ja, wenn das Angebot zu den regionalen Bedürfnissen passt und die Preise so festgelegt werden, dass es auch wirtschaftlich Sinn macht. Allerdings sind die Ansprüche in den letzten 20 bis 30 Jahren gewachsen, man muss mit Herzblut und Engagement direktvermarkten. Geht es einzig um den finanziellen Aspekt, wäre es vielleicht besser, auswärts einem Nebenerwerb nachzugehen.

AboDirektvermarktungNussbaumers haben andere Wege zu ihren Kunden gefundenMontag, 13. Februar 2023