«Hast du ein Auto mit Allrad», fragt mich Elmar Feyer am Telefon. Nein, habe ich natürlich nicht und so laufe ich die zwei Stunden zu Fuss auf die Alp Cerniets hinauf, welche fast zuhinterst im Breccaschlund liegt. Vom Schwarzsee aus geht es steil hinauf, sehr steil sogar. Der Schweiss rinnt mir nur so über die Stirn, entschädigt werde ich dafür aber mit einer grandiosen Aussicht.

Richtig faszinierend

Die von Gletschern geformte Urlandschaft Breccaschlund ist eindrücklich, faszinierend und geheimnisvoll zugleich. Hier oben auf 1525 m ü. M. sind Elmar und Nicole Feyer als Hirtenpaar angestellt. 70 Rinder, sechs Kühe, zwölf Mutterkühe mit Kälbern, 22 Ziegen, zwei Pferde, ein paar Schweine und ein paar Hühner gibt es diesen Sommer zu versorgen. Die Milch wird zu Ziegenkäse und die Kuhmilch zu Mutschli, Raclette und Alpkäse verarbeitet. Vor 22 Jahren haben Nicole und Elmar Feyer als Neulinge das Abenteuer gewagt, die Hirtschaft für die Alp Cerniets, welche im Besitz der Alpgenossenschaft Alterswil ist, zu übernehmen.

«Das wir damals aus 40 Bewerbern den Zuschlag bekamen, hat uns natürlich sehr gefreut», sagt Nicole Feyer, die bis dahin keine Ahnung vom Älplerleben hatte. Hingegen hatte der gelernte Forstwart Elmar schon in seiner Jugendzeit als Ferienkind auf der Riggisalp bei der Familie Overney Bergluft geschnuppert. «Im ersten Sommer kamen wir sprichwörtlich auf die Welt», erinnert sich Nicole und lacht dabei herzhaft. Die Ungewohnte Arbeit brachte sie damals an ihre Grenzen. «Viele meinen auf der Alp könne man den ganzen Tag ein wenig Faulenzen und die Natur geniessen», sie irren sich gewaltig, sagt Nicole. «Entweder du überlebst den ersten Sommer nicht, oder es packt dich total», ist Elmar überzeugt.

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Nur zwei Monate

In den 22 Jahren haben sich Feyers nicht nur an die strenge Arbeit gewöhnt, sondern sie haben die Alphütte, mit Absprache der Alpgenossenschaft, eigenhändig renoviert und erweitert. Auf der Alp Cerniets ist das Hirtenpaar immer nur im Juli und August. Davor und danach verbringen Sie jeweils für drei Wochen mit dem Vieh auf der Vorweide Lengmoos auf 1300 m ü. M., auf der anderen Seite des Schwarsees. Zur Alp Cerniets gehört auch eine erfolgreiche Buvette, welche von Nicole und Elmar mit viel Liebe betreut wird. «Unsere Speisekarte ist klein», hält Nicole fest. Fondue, Rösti mit Wurst oder eigenen Käse könne man aber immer anbieten. «An schönen Tagen wird die Buvette richtig überrannt, wenn es regnet, sind wir hier oben allein», schmunzelt ihr Mann.

Obwohl allein ist ein wenig untertrieben, denn das Älplerehepaar hat auch immer treue Helfer und beherbergt jede Woche auch noch sechs Ferienkinder, die nach sieben Tagen wieder abreisen. «Ich liebe diese Abwechslung und den Trubel», meint Nicole. Nicht nur aus der Umgebung kommen diese, sogar aus Zürich oder aus Deutschland reisen die Kids an. «Da wir jeden Tag auch unsere Rinder einstallen, gibt dies natürlich viel zu tun», sagt Elmar. Die Tiere zusammentreiben, den Stall ausmisten oder die Weiden in Schuss halten – dass seien ideale Arbeiten für die Ferienkinder.

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Ein Massenlager

Auch das Massenlager mit 25 Betten, das Elmar mit vielen Details unter dem Dach gezimmert hat, ist ein Dauerbrenner. Hier oben riecht es nach Heu und überall hängen grosse Zügeltreicheln auf. «Für viele Stadtmenschen ist eine solche Übernachtung ein einmaliges Erlebnis», ist Elmar überzeugt. Auch Nicole Feyer mag den Kontakt zu den Leuten. Auf einer Alp, auf der nie jemand vorbeikäme, würde sie sich nicht wohlfühlen. «Willst du mal den Ziegenkäse probieren», fragt mich Nicole Feyer. Etwas zögerlich greife ich zu, im Wissen, dass mein Gaumen den Ziegenkäse nicht so mag. Zu meinem Erstaunen ist dem nicht so, im Gegenteil, der Ziegenkäse von Nicole, den sie jeden Tag frisch zubereitet, schmeckt sogar mir ausgezeichnet. «Du musst beim Käsen einfach sauber arbeiten», hält die Älplerin fest.

Einige Käse gehen in den Handel, viele kaufen ihr Wanderer gleich vor Ort ab. «Käsen ist eigentlich keine Hexerei, wenn man ein gutes Rezept hat», weiss sie. Aus der Kuhmilch produziert die umtriebige Frau auch Mutschlis. «Komm probiere den mal», sagt sie. Dieser Käse hat bei mir voll ins Schwarze getroffen – kein Wunder, dass Feyers keine Probleme haben ihren Käse an den Mann beziehungsweise an die Frau zu bringen. Auf der Alp probiert man immer wieder etwas Neues. Sei es ein Pizzaofen zu bauen oder ein Wochenende mit einem Freilichtkino zu veranstalten.

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Ein Alpen-Air-Kino

Bereits zum zwölften Mal fand Ende Juli das Alpen-Air-Kino statt. Mit einem Dokumentarfilm – jeweils mit Anwesenheit des Filmemachers und einem Kinderfilm werde so das letzte Juliwochenende eingeläutet. «Obwohl es dieses Jahr regnete, konnten wir trotzdem gegen 100 Zuschauerinnen und Zuschauer begrüssen», hält das Hirtenpaar fest. Nein, einen Alpsommer ohne Sie auf der Alp Cerniets können sie sich im besten Willen nicht vorstellen – und hoffen, dass sie noch lange in die Breccaschlund z Bärg gehen können.