Wenn Mike Müller auftritt, lacht das Publikum. Aber nicht nur. Seit der Comedian und Schauspieler als Bauer Wermelinger unterwegs ist – auf der Bühne, aktuell auch im Zirkus Knie – zeigt er, wie nahe Komik und Klartext auch in der Landwirtschaft beieinanderliegen.

Warum ein Bauer?

«Wenn man in der Schweiz Geschichten erzählt, kommt man an der Landwirtschaft nicht vorbei», sagt Mike Müller. Dass er ausgerechnet einen Bauern erfunden hat, liegt für ihn auf der Hand – aber nicht ohne Reibung. «Im Bundesrat sind die Bauern brutal übervertreten», findet er. «Es gibt ein Mass, wo es nicht mehr stimmt.» Gerade bei Themen wie der Hornkuh-Initiative, die «total emotional geführt» wurde, sei er skeptisch. «Überall sind Kühe mit Hörnern drauf – dabei stimmt die Erzählung längst nicht mehr.»

Er selbst kommt nicht vom Land. Vielleicht schaut er deshalb genauer hin: «Mich interessiert, wie man über Landwirtschaft redet. Viele Themen sind nicht neu – das hatten wir alles schon mal.» Müller erinnert an Bücher wie «Blösch», erschienen im Jahr 1983. Der Roman von Beat Sterchi erzählt von einem spanischen Gastarbeiter in einer Schweizer Fleischfabrik. Es geht um Migration, industrielle Schlachtung und die Entfremdung von Mensch und Tier. Müller erinnert daran, dass viele dieser Themen – Fleischkonsum, Arbeitsbedingungen, Tierhaltung – damals schon auf dem Tisch lagen. «Wir wussten das alles. Das ist nichts Neues.»

Wenn er gefragt wird, ob er den Bauern etwas raten würde, winkt er ab: «Ich mache den Bauern keine Vorwürfe. Ich hüte mich, zu sagen: ‹Das macht ihr falsch.›» Klar sei aber auch: «Teilweise wird der Bogen überspannt.» Seine Kritik kommt sanft, aber bestimmt. So nennt er Organisationen wie Proviande «problematisch», zumindest aus Sicht des kritischen Konsumenten. Da sehe er gewissen Modernisierungsbedarf, sagt er, und: «Man kann nicht nur ‹grännen›, man muss auch etwas tun, damit es besser wird.»

Er kennt aber auch die andere Seite – Bäuerinnen und Bauern, die aufgeben, weil sie sagen: «So geht es nicht mehr.» Zu viel Arbeit, zu wenig Einkommen. Doch Müller betont, dass solche Brüche nicht nur in der Landwirtschaft vorkommen. Zahlreiche Menschen in der Schweiz müssten mit wenig Geld auskommen und beim Einkauf genau aufs Budget achten. Er selbst habe das Privileg, beim Lebensmitteleinkauf nicht auf den Preis schauen zu müssen. Darum besucht er gerne Hofläden oder geht auf den Markt, kauft bewusst ein und von Betrieben, hinter denen er stehen kann. Fleisch isst er gerne – aber nur von Höfen, wo er das Gefühl hat, dass die Menschen «nah an den Tieren» sind. Dabei verlässt er sich auch auf die Marktfahrerinnen, «die Fiechter-Schwestern», die diese Betriebe persönlich kennen. So muss es für ihn nicht Bio sein, aber: «Die kennen jeden ihrer Betriebe. Auf dem Markt ist der Kopfsalat schwer, als hätte er einen Ziegelstein dran. In der Migros gibt’s das nicht mal alle Schaltjahre», sagt er. Und trotzdem: «Nicht alle können sich über Hofläden ernähren.»

Der Stadt-Land-Graben

Gefragt danach, ob er Unterschiede zwischen der städtischen und ländlichen Bevölkerung feststelle, sagt er: «Klar gibt es die», und genau damit arbeitet er auch gerne. Mit Stadt und Land und den Klischees der Kantone. «Die Zürcher mit der grossen ‹Gügge› – die wissen alles und eigentlich nichts.» Und die Bauern? «Bauern wissen wahnsinnig viel über Politik. Viele sitzen im Parlament. Andere Berufsgruppen wie IT oder Pflegepersonal sind dort kaum sichtbar», meint er und ergänzt: «Wenn ich nur einen dummen Schweinebauer spielen würde, der irgendwo abseits Tiere plagt – das wäre zu wenig.» Komik sei Überraschung, sagt er – und spielt bewusst mit Klischees: «Im Bernbiet ist der lange Brunnen sauber und der Platz gewischt. Im Jura hats noch Autos im Stall.» Und Mike Müller macht auch Unterschiede klar: «Zuoberst ist der Winzer, der hat ein Foulard. Der Fleischbauer trägt keins. Diese Hierarchien unter den Bauern – sie interessieren mich.»

Die Figur Wermelinger tritt heuer also im Zirkus auf. «Innerhalb von sechs Minuten alle zum Lachen bringen.» Mal mit Hund, mal mit Pointen, mal mit Zorn. Wermelinger ist eine Figur, die sich wehrt – gegen Institutionen, gegen den Staat, manchmal einfach gegen alles. «Die Schweizer sind ein bisschen anarchistisch», sagt Müller. «Aber hey Fründe: Ohni Staat wäred ihr alli tot», sagt er in seinem Solothurner Dialekt.

Zur Unterhaltung

«Er ist der schlechtestgelaunte Bauer der Schweiz, der immer wieder saugute Laune hat», fasst Mike Müller Bauer Wermelinger in einem Satz zusammen. Dennoch sei es keine Rolle mit erhobenem Zeigefinger. «Wir wollen die Leute unterhalten. Danach ist die Nummer wieder weg – kein Gesetzesantrag.» Aber unterschätzen sollte man ihn nicht: Die Figur erlaubt Müller, unbequeme Fragen zu stellen und eine klare Kante zu zeigen.

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