Die landwirtschaftliche Bildung im Baselbiet feiert ein Jubiläum. Vor 100 Jahren wurde die Schule Ebenrain in Sissach eröffnet. Das soll am 1. September anlässlich des traditionellen Ebenraintages mit einfliessen. Die BauernZeitung hat bei Lukas Kilcher, dem Leiter am Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung zur Geschichte und zur Aktualität nachgefragt.

Mit Blick nach vorne und Blick zurück: Wo steht die Landwirtschaft im ­Baselland heute?

Lukas Kilcher: «Was gestern genehm war, wird heute verworfen. Wer erhält morgen den Siegerpreis?» So beginnt das Kapitel zur Geschichte der Baselbieter Obstwirtschaft von Dr. A. Meyer in der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der landwirtschaftlichen Schule Baselland von 1968. Meyer beschreibt, wie sich der Baselbieter Obstbau einst von Klöstern aus verbreitet und in guten Jahren Kisten mit Dörrobst für schlechte Jahre gefüllt wurden. Oder wie um die Gründungszeit der landwirtschaftlichen Schule Baselland 1919 per Regierungsratsbeschluss der Preis für Tafelkirschen limitiert wurde, damit sich auch Ärmere Kirschen leisten konnten. Immer wieder hatten die Obstbauern mit neuen Schädlingen zu kämpfen, beispielsweise mit dem Frostspanner um 1930, worauf der Regierungsrat den Ausbau der Obstbauberatung beschlossen hat. In der Nachkriegszeit setzten Importe von Südfrüchten dem hiesigen Obstbau zu. Preise kamen unter Druck, worauf im Baselbiet allein zwischen 1951 und 1961 90 000 Hochstammbäume gefällt wurden, auch um stattdessen mit niedrigeren Stammhöhen zu produzieren.

Und was ist heute?

Auch 2019 gilt, was gestern gut war, wird heute wieder verworfen, so zum Beispiel für einen Baselbieter Kirschenproduzenten aus Kärnerkinden, welcher diesen August wegen Preisfrust ­seine 3,5-Hektaren-Kirschen-anlage rodete. Der Frust ist verständlich, wird doch im Supermarkt den Konsumenten die Kaufentscheidung für günstige Importfrüchte nahegelegt, zuungunsten von teuer verkauften hiesigen Kirschen. Der Frust geht auch bei den Hochstammproduzenten weiter, welche aus wirtschaftlichen Gründen und wegen zunehmendem Schädlingsdruck Jahr für Jahr weitere Hochstämmer roden. Die Zukunft des Baselbiets als Chirsiland ist herausfordernd, das gilt auch für weitere Zweige der Baselbieter Landwirtschaft.

Wo sehen Sie denn die ganz grossen Herausforderungen der Gegenwart im Bereich der Bildung?

Das Beispiel aus dem Obstbau zeigt: Die Herausforderungen liegen damals wie heute darin, immer wieder beweglich zu sein und Marktchancen erfolgreich nutzen. Nur ist das speziell für Spezialkulturbetriebe einfacher gesagt als getan. Mit zunehmender Mechanisierung und Technisierung wird die Landwirtschaft kapitalintensiver und damit ökonomisch anspruchsvoller. Dazu trägt auch der Klimawandel bei, denn die Kulturen brauchen immer mehr Bewässerung und Schutz vor neuen Schädlingen. So produzieren heute immer weniger Landwirtschaftsbetriebe ihre Ernte auf immer grösseren Betrieben mit immer mehr Technik, Kapital und Inputs. Diese Tatsache verändert auch die Anforderungen an das Fachwissen in der Landwirtschaft.

Was können die Bauern Ihrer Ansicht nach jeden Tag tun, um sich erfolgreich weiter zu entwickeln?

Die Bauern müssen nicht nur innovativ sein, wie häufig gefordert, sondern auch vorsichtig, überlegt, vorausschauend, flexibel und anpassungsfähig. Mit überlegt meine ich auch kritisch, denn neue Technologien haben oft etwas verklärend Euphorisches an sich, wie heute zum Beispiel die Digitalisierung.

Und welche Aufgaben nimmt der Ebenrain wahr?

Eine der Institutionen, die den Bauern dabei behilflich sein will und sein kann, ist die landwirtschaftliche Schule wie jene in Baselland, die seit ihrer Gründung vor hundert Jahren nie nur eine Vermittlerin von Fachwissen war. Sie hat immer auch die Auswirkungen der Anwendung neuer Technologien thematisiert und wird dies ­immer tun. Zum Beispiel kalkulieren und diskutieren die Lehr- und Beratungskräfte am Ebenrain die Sinnhaftigkeit eines Jätroboters, eines Melkroboters oder moderner Hangmäher. Oder, der Ebenrain hilft mit beim nationalen Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, um weniger Pestizide einsetzen zu müssen und um die damit verbundenen Risiken zu senken. Als Bildungsinstitution ist es unsere Aufgabe, Landwirtinnen und Landwirte mit Fakten und Argumenten in der Reflexion zu unterstützen, wie sie arbeiten möchten und ob technische Neuerung ihren Alltag, ihr Einkommen und ihr Leben verbessern. 

Welches Ziel verfolgt der ­Ebenraintag?

Die Bevölkerung beschäftigt sich mit vielerlei Fragen rund um die Landwirtschaft und Ernährung, vom Pflanzenschutz über das Tierwohl bis zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherheit. Ich verstehe, dass sich die Bevölkerung Sorgen hierzu macht. Deshalb liegt mir ein lebendiger Dialog zwischen Bevölkerung und Landwirtschaft sehr am Herzen, genau dazu ist der Ebenraintag da, welcher jährlich bis 7000 Besucherinnen und Besucher anlockt.

Was bietet der Ebenraintag vom kommenden 1. September?

Tagesthema ist das Jubiläum der landwirtschaftlichen Bildung Baselland. Wir zeigen, wie sich die Bildung in der sich wandelnden Gesellschaft und Landwirtschaft verändert hat, anhand von Beispielen aus der Praxis. Das landwirtschaftliche Bildungswesen hat sich in diesem Jahrhundert eigenständig, aber ebenso stark wie die Landwirtschaft und die Gesellschaft verändert. Was genau diese Veränderungen beinhalteten, wer sie unter welchen Bedingungen initiiert, durchgeführt oder zu verhindern versucht hat, davon handelt auch ein neues Buch mit dem Titel «Zukunft säen», das ich zusammen mit dem Agrarhistoriker Peter Moser erarbeitet habe und das wir am Ebenraintag erstmals der Öffentlichkeit präsentieren.

 

Ebenrain-Nacht für Ehemalige

Im Jubiläumsjahr 2019 gibt es nicht nur einen Ebenraintag, sondern zusätzlich eine Ebenrain-Nacht. Am Samstag, 19. Oktober ladet der Ebenrain ehemalige Ler­nende der Landwirtschaftsschule sowie Partner und Wegbegleiter ein zu einer Jubiläumsfeier nach Sissach. Ab 18.30 Uhr stehen Apéro und Gedanken zum Jubiläum auf dem Programm, gefolgt von gemütlichem Austausch mit regionalen Köstlichkeiten, Musik und humoristischen Einlagen von zwei ehemaligen Schulleitern. Anmeldung bitte bis Ende August, allerspätestens bis 19. September auf: www.ebenrain.ch oder 061 552 21 21.