«Ich bin ein pensionierter Landwirt und habe in meinem bisherigen Leben eigentlich nichts Spezielles erlebt ...». Mit diesem Schreiben gelangt Hans-Martin Kübler im Februar an die Redaktion der BauernZeitung. Im kurzen Brief erläutert er, warum er sich dennoch vom Aufruf der Schicksalsserie angesprochen fühlte: «… und doch habe ich mein Erlebtes in Form eines Buches aufgeschrieben – vor allem der Umbruch im Bauerntum, besonders die Entwicklung von der Handarbeit zur heutigen Landtechnik», schreibt der jetzt 69-jährige Landwirt aus Siblingen im Kanton Schaffhausen.

Für Futter machten die armen Bauern machten

Einleitend erzählt der pensionierte Landwirt, wie es war, in der grössten «Fröntler-Hochburg» aufgewachsen zu sein. Er erinnert sich daran, wie ein Bauer und Viehhändler des Dorfes Siblingen ein sehr aktives Mitglied der Nationalen Front (NF) war und arme Bauern einspannte, um seine Interessen an den NF-Versammlungen zu vertreten. Als Gegenleistung dazu erhielten diese Bauern Futter für ihre Kühe. «Die NF ist in Siblingen nie aufgelöst worden, sie schläft nur. Eine leide Geschichte für unser Dorf, denn sie flackert immer mal wieder auf», beschreibt der Siblinger im ersten Kapitel seines Buches, in dem auch seine Lebensgeschichte beginnt.

In den weiterführenden Kapiteln erzählt Hans Kübler, wie sich sein Grossvater vom Leben verabschiedete und von der Siblinger Sauenhändler-Sprache, welche aus dem Hebräischen abgeleitet ist, weil Anfang der 1930er-Jahre jüdische Händler aus dem süddeutschen Raum nach Schaffhausen auf den Markt kamen. Die Siblinger Sauenhändler nahmen die Sprache der Juden an (die aus religiösen Gründen nur Rindvieh handelten), um untereinander Abmachungen treffen zu können, ohne dass es die Kundschaft verstand.

Hans Kübler war auch dabei, als die Pferde langsam von den Traktoren abgelöst wurden. «Mein Vater war in unserem Dorf der letzte Bauer, der Feldarbeiten noch bis 1983 mit den Pferden ausführte. Ich selbst war ein ‹Traktörler› und hatte in dieser guten landwirtschaftlichen Zeit wenig Interesse daran, die Pferdehaltung weiterzuführen. Viele Jahre später – beim Aufbau unserer Wein-Selbstvermarktung und den Degustationen, wäre es wieder interessant gewesen», sinniert der Autor.[IMG 2]

Schwester Ruth im Bach

Wehmütig erinnert sich der ehemalige Landwirt in seinem Buch an das Leben in einem «richtigen Bauerndorf». Über 70 Bauernfamilien wohnten und arbeiteten dort. Weniger wehmütig, dafür schuldbewusst erinnert er sich an ein Ereignis mit seiner Schwester Ruth, als er nur wenige Jahre alt war: «Einmal musste ich meine Schwester hüten aber wäre lieber mit meinem Vater aufs Feld. So fiel mir halt der Kinderwagen samt Inhalt Ruth in den Bach vor unserem Haus. Diese Tat musste ich am 6. De-zember bitter büssen: Obwohl ich davon gerannt bin, kam der Samichlaus hinterher und wollte mich in seinen Sack stecken».

Nach der Schule direkt auf den Acker, das war selbstverständlich

Eine weitere Szene aus dem Buch: «In den wichtigsten Fächern wie Rechnen und Sprache hatte ich sehr grosse Mühe. Keine gute Voraussetzung also, um später einmal selbstständiger Bauer zu werden. Die Traktoren, die vor dem Schulhaus vorbeifuhren, erkannte ich jedoch bereits am Motorengeräusch und konnte deren Besitzer jeweils zweifellos zuordnen.» Hans Kübler erzählt, wie selbstverständlich es war, direkt nach der Schule auf dem Feld auszuhelfen. Dabei war die Getreideernte für ihn ein besonders aufregendes Ereignis. «Eines der Kinder musste die erste Puppe immer so lange halten, bis die nächsten Garben angestellt wurden. Einer der Männer knickte die letzte Deckgarbe übers Knie und deckte die Puppe damit zum Schutz vor Regen gegen die Hauptwindrichtung ab.» Allgemein spielt der Getreideanbau im Buch «Mein Weg durchs Bauernleben» eine zentrale Rolle, schliesslich ist Getreide «die Grundlage unserer Ernährung», wie es der Autor selber beschreibt.

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Die Freude am Beruf nicht verlieren

[IMG 4]Auf «seinem Weg durchs Bauernleben» musste der Autor (unter anderem während seiner Schulzeit) Anschuldigungen anhören, und wurde sogar von den Lehrpersonen wegen seiner beruflichen Bestimmung blossgestellt. Nichtsdestotrotz hat Hans Kübler die Freude am Bauern nie verloren und lebt mittlerweile mit seiner Frau auf dem Rosenacker – ganz in der Nähe seines Heimatdorfes Siblingen.

Das Buch über den Umbruch im Bauerntum ist also eine empfehlenswerte Lektüre, zumal es nicht nur um die Entwicklung der Arbeit in der Landwirtschaft geht, sondern auch um Anekdoten aus dem bäuerlichen Alltag, die einen immer wieder zum Schmunzeln bringen.

Mein Weg durchs Bauernleben

Das vom Landwirt Hans-Martin Kübler verfasste Buch über den Umbruch des Bauerntums vom Jahr 1953 bis 2018 kann für 20 Franken in der BuchhandlungBücherfass in Schaffhausen gekauft werden. Eine Bestellung ist auch über die E-Mail-Adresse info(at)buecherfass.ch möglich. 

Hier gehts zur Buchhandlung: www.buecherfass.ch

Schicksalsgeschichten: Erzählen Sie uns von Ihrem Leben!
Im Rahmen unserer Schicksalsserie lassen wir Personen mit bäuerlichem Hintergrund über schwierige und emotionale Themen sprechen, die unsere Leserschaft und Personen ausserhalb der Landwirtschaft beschäftigen. Dabei diskutieren wir Themen wie Generationenkonflikte, Fehlgeburten oder Todesfälle in der Familie. Aber wir möchten auch erfreuliche Erlebnisse teilen, so wie aussergewöhnliche Liebesgeschichten, Überraschungen im Stall oder Glücksfälle. Wir haben dieses Gefäss eröffnet, weil wir es wichtig finden, auch tabuisierte Themen anzusprechen und den Dialog darüber zu erleichtern.

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