Das Land, das wir als erstes gekauft haben, ist einen halben Hektar gross und war einmal ein Teil einer alten Mandarinenplantage. Obwohl wir viele wertvolle Bäume fällen mussten, die in enger Monokultur gepflanzt wurden, stehen immer noch über vierzig Mandarinenbäume auf unserem Grundstück.

Dieses Jahr waren die Bäume voll mit Mandarinen und die Äste hingen bis zum Boden. Es ist erfreulich, jeden Tag direkt von den Bäumen frische Mandarinen essen zu können und das über drei Monate hinweg. Wir bereiteten zu Hause phantasiereiche Gerichte mit den orangen Früchten für uns zu. Da gab es Mandarinen zusammen mit Erdnüssen, Mandarinensaft, -gelee, -konfi, -torte, und -quark. Oder getrocknete Mandarinen in einem «Znünibrot» anstatt einer Aprikose.

Kisten um Kisten voller Mandarinen

Trotz vielseitiger und täglicher Verwendung blieben die Mandarinenbäume voll. Wir verkauften sie in Kisten zusammen mit der Morgenmilch oder günstig an Zwischenhändler. Diese fuhren damit oft umständlich und schwer beladen mit dem Bus an den Markt von Asunción, der Hauptstadt von Paraguay, um sich so ein paar Guarani (paraguayische Währung) zu verdienen.

Ebenfalls verschenkten wir die Mandarinen an arme Familien, die diese dann zu Fuss verkauften, um sich etwas zu Essen zu kaufen. Oder wir verfütterten die Mandarinen an die Schweine und Rinder, aber trotzdem blieben die Bäume einfach voll.

Eines Abends, beim Mate-Tee trinken, kam uns die Idee: Warum nicht wertvollen, reinen Biosaft aus den Mandarinen herstellen? Die Augen meiner Kinder leuchteten. Da kamen schnell schöne Erinnerungen auf, als ich in der Schweiz mit dabei war, professionell Apfelmost herzustellen. Den damaligen Pasteurisator haben wir importiert.

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Glasflaschen sind rar in Paraguay

Abnehmer für den Mandarinensaft waren schneller gefunden als Abfüllgut. Da in Paraguay immer noch Plastik- oder Aluminiumflaschen am häufigsten verwendet werden, sind Glasflaschen rar.

Deshalb mussten wir die Herstellung der benötigten Glasflaschen einer hiesigen Fabrik in Auftrag geben. Die Hälfte des Kaufpreises mussten wir zuvor anzahlen. Nach bereits drei Tagen wurden 250 Flaschen ins Haus geliefert. Also konnte es losgehen.

Jede einzelne Frucht wurde von Hand geerntet. Kiste für Kiste türmte sich. Nach dem händischen Waschen und Verlesen pressten wir zu viert die Mandarinen aus. Dies ging ganz einfach und ohne Maschine ebenfalls von Hand. Während über dem Feuer im Freien die Flaschen sterilisiert wurden, konnte drinnen der pure Mandarinensaft fachgerecht pasteurisiert und heiss in die Flaschen abgefüllt werden.

«Zeit ist Leben»

Sagt Michèle Huber über die paraguayische Lebenseinstellung.

Da es in Paraguay immer noch heisst «Zeit ist Leben» und nicht wie in Europa «Zeit ist Geld», konnten wir uns eine Woche lang diese Zeit nehmen. Am ersten Tag wurde abgelesen, am zweiten ausgepresst, pasteurisiert und abgefüllt und am dritten Tag etikettiert. So war der Turnus.

100 Prozent Mandarinensaft-Biosaft

Bis am Ende der Woche entstand ein toller, leckerer, zuckerfreier Mandarinensaft. Ohne Konzentrat, ohne Farbstoffe oder andere Konservierungsmittel. Natur pur, 100 Prozent Bio. Nach einer Woche mit vollem Einsatz waren weit über 100 Liter Mandarinensaft verarbeitet, abgefüllt und etikettiert.

«Für Dich, für mich, für uns»

Der Slogan von Michèle Huber über ihre hergestellten Bio-Landwirtschafts-Produkte.

100 Flaschen wurden von einer Kooperative, ähnlich der Genossenschaft Landi, bestellt. Andere wurden an Restaurants und auf den Markt geliefert oder via Zwischenhändler verkauft. Am Schluss ergab sich ein Reingewinn, der grösser war als unser gewöhnliches Monatseinkommen.

Wir waren glücklich, all unsere Mandarinen verarbeitet zu haben.

Der Slogan, der eigentlich für alle hergestellten Bio-Landwirtschafts-Produkte stehen sollte. Als Wertschätzung dieses Naturprodukts.

Zur Person
Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Lanat anerkannt und finanziell mitunterstützt. Leider funktionierte die
Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen, gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.