Sie ist eine der Letzten, die vor Beginn eines wichtigen diplomatischen Essens den Raum noch betreten darf. Sie stellt Blumen auf den Tisch, in die Ecken, auf Simse. Und sie ist eine der Ersten, die nach der Verhandlung wieder an Ort und Stelle ist, um die Arrangements wieder einzusammeln.
Die Magistraten und ihre Gäste sieht sie selten – aber sie weiss, wer teilnimmt und ob allenfalls gewisse Pflanzen wegen Allergien nicht verwendet werden dürfen. Brigitta Baumann arbeitet zusammen mit ihrer Arbeitskollegin Karin Mosimann als Floristin in der Bundesgärtnerei am Bundesrain.
Nahe am politischen Geschehen, aber trotzdem nicht dabei – das fasziniert Brigitta Baumann, seit sie die Stelle vor 15 Jahren angetreten hat.
Keine stark riechenden Pflanzen verwenden
Eine schwarze Arbeitsschürze umgebunden, steht sie im Floristikatelier der Bundesgärtnerei. Das Marzilibähnchen sieht man vor dem Fenster auf und ab fahren. Aus dem Radio tönen Oldies, auf Rollwägelchen stehen Kübel mit Schnittblumen parat für die Verarbeitung.
Karin Mosimann arbeitet an einem Gesteck für ein Diplomatenessen: Rosa Calla und Wachsblumen finden zu einem hübschen Tischschmuck zusammen. Brigitta Baumann bindet Ranunkeln, Gerbera, Kamille und Schneeball zu einem Strauss, der in das Von-Wattenwyl-Haus kommen wird, einem der Repräsentationshäuser des Bundes.
«Wir achten darauf, keine stark riechenden Pflanzen zu verwenden», erklärt Brigitta Baumann, «das stört bei einem Essen und der Pollen kann in der Nase kitzeln.» Jasmin, Freesien und Lilien kommen deswegen kaum zum Einsatz. Oder wenn, dann nur in kühlen, grossen Räumen.
In den Farben der Flaggen
Auch sonst gibt es als Floristin im Dienst des Bundes einige Dinge zu beachten. Sind ausländische Gäste zu Besuch, sind die Blumenarrangements immer in den Farben der Flaggen des Gaststaats gehalten, «das ist eine protokollarische Vorgabe», erklärt Baumann.
Ein grosses Plakat mit den Flaggen hängt deshalb über dem Arbeitsplatz der beiden Floristinnen. Wenn die Bundesämter bei den Floristinnen Bouquets bestellen, geben sie jeweils Zweck des Anlasses und Teilnehmer bekannt. Für eine Sitzung des Bundesamts für Zivilluftfahrt mit serbischen Vertretern steht an diesem Nachmittag im Kühlraum eine Blumendekoration in den Farben Rot-Blau-Weiss parat.
Für Notfälle, etwa wenn eine Stelle in der Bundesverwaltung vergessen hat, die Dekoration zu ordern, haben die beiden Floristinnen meist zwei bis drei Arrangements parat, die sie kurzfristig ausliefern können.
Das Bringen und Abholen von Blumen ist ein beachtlicher Teil ihrer Arbeit. Die grösste Lieferung steht jeweils am Montag an. «Dann stellen wir jedem Bundesrat frische Blumen ins Büro, bringen den Vorzimmern Gestecke und schmücken Eingänge mit Blumensäulen links und rechts», sagt Brigitta Baumann.
Pro Tag entstehen bis dreissig Werkstücke
Pro Tag entstehen zwischen zehn und dreissig Werkstücke. Viele davon werden mehrmals verwendet. Das Calla-Wachsblumen-Gesteck ist für insgesamt fünf Anlässe, die zum Teil nur ein bis zwei Stunden dauern, vorgesehen. «Dies verlangt eine genaue Planung», sagt Baumann, «dass alles gut aneinander vorbeigeht und wir die Blumen nach Ende des Anlasses möglichst rasch wieder in den Kühlraum zurückholen, damit sie lange frisch bleiben.»
Nachtschicht vor Staatsempfängen
Besonders viel Aufwand erfordern Staatsempfänge, wie letztmals im Januar 2014, als die südkoreanische Präsidentin zu Gast war. Gegen 80 Blumenarrangements in den Flaggenfarben des Staatsgastes müssen auf den gleichen Zeitpunkt fertiggestellt werden.
Üppiger Blumenschmuck ist gefragt, auch an Stellen, die sonst leer bleiben, zum Beispiel der Mauersockel der drei Eidgenossen im Parlamentsgebäude. «Dann sind wir zu dritt während dreier Tage im Einsatz», sagt Baumann. Vereinzelt ist eine Nachtschicht nötig.
Doch wenn dann in den Medien Fotos vom Staatsbesuch abgedruckt werden und die Blumendeko darauf schön abgebildet ist, hängen es die beiden Floristinnen mit Freude und Stolz an die Tür zum Kühlraum.
Der Stil bleibt traditionell
In einem Ordner sammeln sie Fotos einzelner Arrangements, die sie für Grossanlässe angefertigt haben. Experimentelle Floristik oder wilde Sträusse sind darauf nie zu sehen. «Wir pflegen eher den traditionellen Stil», sagt Baumann. Die Blumen sollen schmücken, aber nicht ablenken. Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens kann sich Baumann jedoch frei bewegen und ihre Ideen einbringen.
Und was ihr an ihrer Arbeit besonders gefällt: «Hier kann ich aus dem Vollen schöpfen», sagt sie. Sie muss nicht kleinlich kalkulieren, ob diese Rose nun noch ins Budget passt oder ob sie besser darauf verzichtet, da die Dekorationen zahlreich zum Einsatz kommen – und dem Bund ein tadelloser Blumenschmuck wichtig ist.
Sarah Fasolin
Dieser Artikel ist im frauenland erschienen.