Noch sind die Folientunnels leer, aber die Tomatensetzlinge sind bestellt. Sind diese gesetzt, beginnt für Agnes Leu und ihre Familie die arbeitsreiche Zeit. Nach und nach werden die anderen Kulturen ausgesät: im Tunnel Zucchetti, Peperoni, Gurken, auf dem Feld Rüebli, Randen, Kürbisse und verschiedene Saisongemüse. Mit der Erdbeerernte wirds noch intensiver.


Der Hof Waldegg, am Westhang oberhalb von Embrach ZH, wird seit gut siebzig Jahren als Biobetrieb bewirtschaftet. Milchproduktion, Legehennen
haltung, Kartoffel- und Getrei-

de­anbau sowie ein grosser Gemüsegarten sind die Hauptproduktionszweige.


Die Direktvermarktung ist aufwendig. «Wir haben viele Stammkunden, die bei uns den Wocheneinkauf oder den grossen Monatseinkauf machen», erzählt Agnes Leu. «Es gibt Kunden, die kaufen schon ewig bei uns ein, andere wollen Regionales oder einfach Lebensmittel ab Hof, wieder andere gezielt Bioprodukte.»

Im Laufe der Jahre optimiert


Agnes Leu ist auf einem Bauernhof im Nachbardorf aufgewachsen. Als ausgebildete Bäcker-Konditorin ist sie auf den Waldegg-Hof gekommen. Mit den drei Kindern und zunehmend mit Betriebsarbeiten war und ist sie voll ausgelastet. Die Direktvermarktung wurde im Laufe der Jahre weiter optimiert, verarbeitete Produkte wie Konfitüre und Tomatensauce kamen dazu.

Heute ist Agnes Leu hauptberuflich Direktvermarkterin, unterstützt von ihrem Mann René, den Schwiegereltern und gelegentlich von den erwachsenen Kindern.

«Wir sind neue Betriebszweige immer sachte angegangen, haben klein angefangen und geschaut, ob es funktioniert. Das hat sich bewährt.» Die Lebensqualität der Familie ist ein wichtiger Faktor. Ferien mit den Kindern, etwa auf dem Zeltplatz am Bodensee, haben zwischen der Arbeit Platz gehabt.


Sohn Dominik ist gelernter Zimmermann und absolvierte die Zweitausbildung zum Landwirt. Er arbeitet Teilzeit als Zimmermann und auf dem Hof. Für Agnes und René ist es selbstverständlich, dass er als künftiger Betriebsleiter schon jetzt einbezogen wird in die Weiterentwicklung des Hofs. Er soll aber auch seine persönlichen Freiräume nutzen können.


Einmal pro Woche wird gebacken


Leus bauen selber Urdinkel und Weizen an. Deshalb haben sie auch die Produktion von Teigwaren diskutiert und gerechnet. Sie kamen zum Schluss, dass die Zeit fehlt, auch die Zeit, sich das nötige Wissen und die Erfahrung zu beschaffen, und haben die Herstellung der Leuenüdeli nun ausgelagert.


Kürbisse wurden auf dem Betrieb schon immer angepflanzt. Als vor einigen Jahren der grosse Boom kam, hat sich Agnes Leu eher zurückgehalten, vor allem bezüglich eines trendigen Sortimentes. Nach wie vor pflanzt und erntet sie etwa zehn Sorten Speisekürbisse, welche die Kundschaft wünscht und schätzt.


Jeden Freitag ist Agnes Leu schon früh in der Backstube anzutreffen, damit rechtzeitig um sieben Uhr die verschiedenen Brote und Zöpfe für die Kundschaft fertig gebacken sind. Die meisten Brote und Zöpfe werden im Voraus bestellt, eine grössere Lieferung geht ans örtliche Alterszentrum. «Wir lassen aus unseren Dinkel- und Weizenkörnern Halbweiss, Ruch- und Vollkornmehl mahlen; beide 
Getreidearten sind als Körner oder gemahlen auch im Laden zu kaufen.»


«Eine Tomate muss nach Tomate schmecken»


Ganz bewusst haben sich Leus gegen die Selbstbedienung entschieden. In den Gesprächen mit Kundinnen und Kunden informiert Agnes Leu über die Herstellung der Produkte und nimmt auch Kundenwünsche entgegen.

Ihre eigenen Werte fliessen natürlich auch ein: «Eine Tomate muss nach Tomate schmecken – und das tun leider nicht alle Sorten. Ich habe eine grosse gelbe Fleischtomate im Sortiment, die ist wirklich super – und das haben meine Kunden auch gemerkt, darum fragt kaum mehr jemand nach dem trendigen Ochsenherz.»


Auch im Kartoffelanbau heisst der Grundsatz: Klar und auf den Konsum ausgerichtet. Leus bauen auf mehr als einer Hektare vier Sorten an, darunter frühe, fest kochende und mehlig kochende. «Im Biolandbau ist die Sortenauswahl nicht so gross.

Im Gemüsebau kommen zum Teil Pro-Specie-Rara-Sorten zum Einsatz, etwa bei den Randen», ergänzt die Bäuerin, und man merkt, dass sie etwas davon versteht.

Margreth Rinderknecht