«Jetzt brauche ich mein Lieblingswerkzeug», sagt Els Gassmann und holt die Tackerpistole. Eine Ecke ihrer «Kunst am Meter» hat sich gelöst und muss zurück an die Wand. Die Windböen haben auch mehrere Skulpturen umgeblasen; sie stellt sie wieder auf - und bleibt entspannt. Sie freut sich auf die Eröffnung ihrer Ausstellung, «meine bisher grösste Kiste», erzählt sie, und ihre niederländische Muttersprache tönt nur noch ein bisschen durch. Sie hat schon viele Male ausgestellt, aber das hier ist ein besonderer Ort.

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Kunst in der Schubkarre

Die ganze Familie hat geholfen. Schubkarrenweise wurden die Objekte aus Els Gassmanns Atelier im Bauernhaus ins Älpli nebenan geführt. Das war einst die Unterkunft von Knechten, Mägden und Rindvieh, später wohnten darin Mieterinnen und Mieter. Demnächst wird das Älpli abgerissen, aber zuvor stellt Els Gassmann hier aus. «Mein Mann ist ein Wasserwaage-Mensch, aber die hat er beim Aufhängen der Bilder bald weggelegt», berichtet sie. «Es hatte keinen Wert.» Die alten Wände sind in alle möglichen Richtungen schief, die Balken biegen sich. Es knarzt von Menschen und Geschichten.

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Statt Gerümpel sieht sie potenzielle Kunstwerke

Die Malereien, Skulpturen und textilen Werke von Els Gassmann fügen sich in die Räume vom Älpli und erzählen die Geschichten weiter. Ein Fontannen-Lisi aus Ton räkelt sich auf dem uralten Kachelofen, im Kuhstall streckt sich Gülla auf ihrem Sockel aus einem ausgedienten Güllenrohr der Decke entgegen. Ansichten von Buchs und der Napfregion leuchten auf Seidenbahnen an grob verputzten Wänden.

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Viele Objekte aus dem bäuerlichen Alltag erleben hier eine zweite Kariere: Ochsenziemer, Zugwaagen für Gespanne, rostige Sägeblätter – wenn die Künstlerin durch die Welt geht, sieht sie nicht Gerümpel, sondern pflückt Ideen für ihre Werke.

Bilder mit Pinsel und Nadel

«Wenn ich höre, dass etwas nicht geht, glaube ich das erstmal nicht», lacht Els Gassmann. Darum hängen beispielsweise Bilder mit Acryl auf Metall in ihrer Ausstellung. Sie arbeitet mit Ton, Holz und Metall, sie malt und sie stickt.«Ob Pinsel oder Nadel, das ist das Gleiche. Nur dauert es mit der Nadel viel länger», sagt sie über ihre Textilkunst. An einigen dieser Werke hat sie jahrelang gearbeitet. Abends, wenn die vier Kinder im Bett und die Arbeiten in Haus und Hof gemacht waren.

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Auch ausserhalb von Familie und Betrieb engagierte sie sich, ihre Stationen reichen von der Schulpflege über das OK vom Zentralschweizer Jodelfest bis zum Amt als Präsidentin des Clubs Maillot d’Or, der den Schweizer Radsportnachwuchs fördert. Den Bauernbetrieb führt heute der jüngste Sohn in Pacht, ab nächstem Jahr übernimmt er ihn ganz. Die Bäuerin hat weiterhin ihre Aufgaben, aber mehr freie Stunden für die Kunst.

«Gschleipf» begann in den Niederlanden

Aufgewachsen ist sie in den Niederlanden, als Tochter eines Schweinezüchters. Einen Landwirt wollte sie nie heiraten, schon gar keinen mit Schweinen, aber genau so ist es gekommen. «Das Gschleipf fing in Holland bei einem Jugendkongress an», erinnert sie sich an den Werdegang ihrer Beziehung zu Jules Gassmann, Landwirt mit Schweinezucht, Ackerbau und Wald, in Buchs im Kanton Luzern. Die Fachfrau für soziokulturelles Management war damals viel unterwegs, unter anderem auch als Unesco-Delegierte in Paris. Sie kam in die Schweiz, um das Heimatland ihrer neuen Bekanntschaft kennenzulernen, und ist geblieben.

Das grosse Finale vor dem Abbruch

38 Jahre ist das her. «Und in einem Jahr werde ich pensioniert», staunt Els Gassmann darüber, wie schnell die Zeit vergangen ist. «Ich kann nie alle Ideen umsetzen, dafür habe ich einfach zu viele.» Ihr Energielevel ist hoch wie eh und je. Die Tage vom Älpli hingegen sind gezählt, in seinem desolaten Zustand war eine Renovation keine Option. Bald entsteht hier ein neues Wohnhaus für die junge Betriebsleiterfamilie, doch zuvor erlebt das alte Gebäude mit der Ausstellung ein würdiges Finale.

Ausstellung Buchser Kunst im Älpli
Malerei, Skulpturen und textiles Werk von Els Gassmann. Freitag, 24. Juni bis Sonntag, 3. Juli, jeweils 15 bis 19 Uhr, Buchs LU, Älpli, Dorfstrasse 15. Andere Besuchszeiten auf Anfrage: Tel. 079 740 20 43.