Gehäufte Wutausbrüche eines Kindes machten ihm und seinen Mitmenschen das Leben schwer. Dann begann das Kind, seine Wut mit Farbe und Pinsel in ihrer ganzen Pracht aufs Papier zu bringen. Dort richtete sie keinen Schaden an und rumorte nachher viel weniger im Bauch herum. Das Kind konnte über die Bilder und damit über seine Wut sprechen und nachforschen, woher sie kam, und dadurch verlor sie an Macht.

Die ganze Familie hat gemalt

Karin Blunschi erzählt dieses Beispiel, das sie bei ihrer Arbeit als Maltherapeutin erlebt hat. Sie führt ins Atelier im Untergeschoss des Bauernhauses in Boswil AG. An den Wänden hängen Bilder; die Familie hat am Vorabend gemeinsam gemalt. Das hört sich nicht nach dem Lieblingsprogramm für einen Ehemann und drei Teenager an. «Oh doch, wir hatten alle Spass. Es war ein schöner Abend», erklärt die Bäuerin. Malen gehört für sie zum Leben und ihre Freude steckt an.

Bilder sind weder schön noch hässlich

In Karin Blunschis Atelier geht es nicht um perfekte Technik und schöne Bilder. Jedes Werk ist gut, wie es ist. «Was sagt dieses Bild jetzt über mich aus?», möchten ihre Gäste manchmal wissen. Dann gibt sie keine Antwort, sondern leitet die Menschen dazu an, das selber zu entdecken. «Malen ist ein Weg zu sich selbst», sagt sie, «es bietet einen ganz anderen Zugang als der Verstand». Mit Malen allein löse man keine Probleme, aber es könne eine Hilfe dabei sein. Etwa, um Ängsten und Blockaden auf die Spur zu kommen oder sich über Gefühle klar zu werden. Sie nutzt diese Möglichkeiten auch für sich.

Zum Beispiel damals, als die Hofübernahme zur Frage stand, gleichzeitig mit der Familiengründung und ihrem Abschluss als Mal- und Kunsttherapeutin. Die junge Frau stellte sich mögliche Situationen vor – und überliess sich dann den Farben, Formen und Bewegungen des Malens. Die entstandenen Bilder haben ihr geholfen, Klarheit in ihre Pläne zu bringen.

Etwa an zwei Halbtagen pro Woche empfängt sie Menschen in ihrem Atelier. Sie haben viele Farbspuren an den Wänden und am Boden hinterlassen. Wenn Karin Blunschi den Raum verlässt und wieder die Treppe hinaufsteigt, wird ihre Welt nicht weniger farbig: Hier findet ihr Leben als Bäuerin statt.

Haltbares im Hofladen

Betriebszweige auf dem Bio-Landwirtschaftsbetrieb im Aargauischen Freiamt, den sie zusammen mit ihrem Mann führt, sind Mutterkühe, Ackerbau, einige Aren Spargeln und Artischocken und Pensionspferde. Dazu ein Hofladen, dessen Türe Karin Blunschi nun öffnet. Im Angebot sind Kräuter und Tee, Süssmost, Fleisch aus demTiefkühler. Dazwischen rekeln sich luftige Figuren aus Draht und Trockenkränze. Diese haltbaren Schönheiten stellt die gelernte Floristin selber her und bietet sie anstelle von Frischblumen an.

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Der Kopf voller Projekte

«Mein Kopf ist immer voller Projekte», erzählt Karin Blunschi bei einem Hofrundgang und zeigt als Beispiel auf die Zufahrtsstrasse: Es wäre doch prächtig, diese mit Lavendelbüschen zu säumen. In ihrem Kopf bindet sie schon die Trockenkränze aus den Blütenständen für den Hofverkauf. Aber zuerst müsste sie noch ihren Mann davon überzeugen, lacht sie. Er helfe ihr dabei, die Bodenhaftung zu behalten.

Bereits Realität ist das Artischocken-Projekt. Diese sind, wie auch die Spargeln, im Hofladen gefragte saisonale Produkte. «Eine wunderbare Pflanze», sagt Karin Blunschi über die Artischocke. Ein gutes, gesundes Lebensmittel, dazu mit einer prächtigen violetten Blüte, an der sich Menschen und Insekten freuen. Zum Essen ist die schuppige Delikatesse das Gegenteil von Fast Food, auch das gefällt der Bäuerin an der Artischocke: Sie lässt sich mit allen Sinnen geniessen.

Karin Blunschis Ressort auf dem Betrieb sind die Tiere. Traktoren und Maschinen seien nicht ihr Ding, sagt sie, das überlässt sie gerne dem Ehemann. Von dessen Eltern hat das Paar den Birkenhof in Boswil übernommen. Es war keine vorgegebene Entwicklung. Simon Blunschi hatte ursprünglich nicht geplant, in die Landwirtschaft einzusteigen. Aber zusammen mit seiner Frau wurde es auf einmal zum Lebensprojekt.

Es gibt noch einen spannenden Raum

Zum Abschluss des Rundgangs öffnet Karin Blunschi nochmals eine Türe: In diesem Raum stellt sie zusammen mit ihren beiden Schwestern die «Bäri»-Würzmischung nach dem Geheimrezept ihres Grossvaters her. Der gelernte Koch Joseph Baeriswyl hatte das Gewürz unter die Leute gebracht, indem er an die Türen der Freiämter Haushaltungen und Gastrobetriebe klopfte. Heute laufe es ohne Werbung, erzählt Karin Blunschi. Die treuen Liebhaber sind froh, dass die «Bäri»-Mischung nicht mit seinem Erfinder gestorben ist. Dreimal pro Jahr mischen die Schwestern und ihre Familien das Gewürz; 7,5 Tonnen verkaufen sie jährlich.

Es gäbe wohl noch mehr zu entdecken auf dem Birkenhof, aber jetzt machen sich die Pferde im Offenstall bemerkbar: Es ist Zeit für den Weidegang, und die Bäuerin verabschiedet sich in Richtung Stall.