Vom stattlichen Bauernhaus im Weiler Brunnen in Dreien SG führt eine steile Naturstrasse ein paar Hundert Meter hinauf zu einem kleinen Hüttli. Es ist Brigittes Scherrers ganzer Stolz. Die 44-Jährige ist gelernte Bäcker-Konditorin und ausgebildete Bäuerin. Zweimal täglich steigt sie zum Hüttli hinauf, trägt Körbe voller Gebäck, Kaffee und Blumen mit sich – und richtet alles mit sichtbarer Freude her.
Das Holzhäuschen mit den üppig blühenden Geranien strahlt Behaglichkeit aus. Tafeln in schöner Schrift weisen aufs Angebot hin, Sprüche zaubern den Vorbeigehenden ein Lächeln ins Gesicht. Überall bleibt das Auge an hübschen Gegenständen hängen. Am Morgen bringt Scherrer frisches Gebäck und Wasser für den Kaffee, richtet Kissen auf den Sitzgelegenheiten, stellt Blumen aus dem eigenen Garten vors Hüttli. Bei schönem Wetter oder am Wochenende bringt sie mittags schon Nachschub. «Es läuft wirklich gut», sagt sie. «Jetzt sind es bereits fünf Jahre, seit ich angefangen habe – mit ein bisschen Kaffee, Süssmost und etwas Süssem.»
Ein Hüttli trifft den Nerv der Zeit
Als Brigitte und Beni Scherrer den Wald oberhalb von ihrem Betrieb kauften, war die kleine Waldhütte mit schönster Aussicht ins beschauliche Toggenburg, saftigen Wiesen und dunklen Wäldern, einfach mit dabei. Damals wussten sie noch nicht, dass es einmal zu einem beliebten Rastplatz für Wanderer und Velofahrer werden würde. Ihre Idee, einen gastlichen Ort am Waldrand zu schaffen, schlug ein wie eine Bombe. Es war während der Coronazeit – jener Phase, als plötzlich so viele Menschen draussen unterwegs waren.
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Für die quirlige Brigitte, die es gewohnt ist, viel zu arbeiten, bedeutete das nicht nur mehr Einsatz, sondern auch einen Neubeginn – eine Selbstständigkeit, die sie von Anfang an schätzte. Angefangen hat sie mit einem kleinen Angebot. Ein paar Cremerollen, Linzertörtchen, Spitzbuben und Amarettli und Kaffee, dazu den eigenen Süssmost. Nach und nach erweiterte sie ihr Sortiment. «Bei schönem Wetter muss ich gerüstet sein», sagt sie lachend. Wenn es regnet, bleibt es bei einem kleinen Angebot.
Mittlerweile stehen im Hüttli auch gefaltete Tortenschachteln bereit – manche Gäste wollen etwas Süsses mit nach Hause nehmen. An Wochenenden warten oft Schwarzwälder- oder Quarktorte, Erdbeertörtchen oder Vermicelles in der Kühlbox. Das ganze Angebot könnte glatt aus einer feinen Konditorei stammen – doch es entsteht in der Bauernhausküche, wo am Sonntagmorgen in aller Früh gebacken und kreiert wird.
Ein Leben mit Bodenhaftung
«Ich wollte immer einen Landwirt heiraten», sagt Brigitte Scherrer am Küchentisch. Neben ihr schmieren die jüngeren Kinder Butterbrote und streichen dick selbstgemachte Konfitüre darauf. Die zwei Älteren sind in der Lehre – die Tochter als Konditor-Confiseurin, der Sohn als Zimmermann. Vor ihrer Heirat verbrachte das Paar zwei Sommer auf einer Alp im Val Lumnezia. Vor siebzehn Jahren übernahmen sie den Hof von Benis Eltern. Arbeit hat sie nie gescheut – auch nicht das abgelegene Leben auf über 800 Metern über Meer und eineinhalb Kilometer vom kleinen Dorf entfernt. Sie betreiben Milchwirtschaft, halten Mastsauen, Hühner, einige Geissen und Bienen. Ein Gemüsegarten mit vielen Blumen gehört dazu.
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Familie, Arbeit und kleine Auszeiten
Während sie erzählt, dass sie immer vier Kinder haben wollte und glücklich sei, dieses Glück zu leben, räumen ihr Mann Toni und die Kinder, die im Moment Schulferien haben, den Tisch ab. Zurzeit werde geobstet, das letzte Gras müsse noch getrocknet und der Garten langsam geräumt werden, erzählt sie. Die Kinder seien es sich gewohnt, dass man sich auf dem Hof zur Hand gehe. Trotz der vielen Arbeit bleibt Zeit für Familie. «Der Sonntagabend ist uns heilig», sagt sie. «Ich koche etwas Feines, alle sind zu Hause – wir haben Zeit füreinander.»
Hin und wieder sei es auch möglich, dass sie alle zusammen für ein paar Tage verreisen oder einen Ausflug machen. Daneben arbeitet Brigitte seit vielen Jahren schon in der Nacht vom Freitag auf den Samstag in einer Backstube. Dort bäckt sie Brote und Zöpfe, die in einem Laden in Krinau und in der Landi Wattwil verkauft werden. «Ich liebe diese Nachtarbeit mit meiner Kollegin. Die Hände arbeiten, der Kopf und das Herz sind bei Gesprächen – am Morgen bin ich müde, aber seelisch genährt.»
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Musik, Jodel und Lebensfreude
Und bleibt da noch Zeit für sich? Brigitte Scherrer schmunzelt. Seit 22 Jahren singt sie im Jodlerclub Kirchberg-Bazenheid und liebt das Zusammensein und den Gesang. Mit ihrem Mann und anderen Mitgliedern aus ihrer Familie singt sie zudem in einer kleinen Formation. Musik und Gesang sind für sie Ausgleich und Kraftquelle zugleich. Seit Kurzem arbeitet sie zusätzlich im Käsereiladen – an einem Vormittag pro Woche. «Ich habe den Job nicht gesucht, aber er hat mich gefunden», sagt sie schmunzelnd. Dort verkauft sie Käse und allerlei andere feine Sachen. «Ich liebe einfach den Kontakt mit Menschen», sagt sie mit einem Strahlen, das alles erklärt. Und doch bleibt für sie klar: «Ich bin in erster Linie Mutter, Familienfrau und Bäuerin – alles andere könnte ich streichen.»