«Die Olma steht für Resilienz.» Dies erklärte die Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter bereits an der Eröffnung. Das Thema am 32. Tag der Bäuerin an der Olma in St. Gallen lautete denn auch: «Ich und meine Resilienz. Es ist wie es ist, aber es wird, was ich daraus mache.» Zu Beginn erklärte  Moderatorin Sabrina Lehmann: «Resilienz ist ein Thema, das ans Lebendige geht.» Wie sehr diese Worte später zutreffen würden, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand im Saal.

Der Tag der Bäuerin ist in der Agenda gross eingetragen

Der Tag der Bäuerin ist offensichtlich ein wichtiger Fixpunkt in der Agenda vieler Bäuerinnen aus der ganzen Schweiz. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich der grosse Saal Jahr für Jahr mit rund 350 Frauen und weiteren Gästen bis auf den letzten Platz füllt. Es sei der grösste Anlass an der Olma, verriet denn auch Barbara Dürr, Bäuerin und St. Galler Kantonsrätin, in einem persönlichen Gespräch.  

Resilienz ist die Fähigkeit aufzustehen, wenn man am Boden liegt

Resilienz, was bedeutet das eigentlich? Diese Frage klärte die Resilienztrainerin Regula Eugster gleich zu Beginn eindrücklich, aber dennoch auf humorvolle Art. Kurz zusammengefasst, bedeutet Resilienz Widerstandskraft. «Kein Leben kommt ohne Wellen aus, die auch mal grösser sein und überschwappen können.» Resilienz sei die Fähigkeit, sich immer wieder den Umständen anzupassen und immer wieder aufstehen zu können, wenn man am Boden liege. Regula Eugster betonte auch, dass Resilienz lernbar sei.   

Es wird still im Saal

Ob sich alle Frauen bewusst waren, dass der Anlass, wie von der Moderatorin vorgewarnt worden war, «ans Läbige» gehen würde? Dass die Erzählungen der Gesprächsrunde sehr berührend waren, zeigte sich deutlich. An dieser nahmen neben der Expertin Regula Eugster die beiden Bäuerinnen Irma Stricker aus Dürnten ZH und Andrea Buob aus Rorschacherberg SG teil. Während ihrer Erzählungen war es zeitweise so still im Saal, dass man eine zu Boden fallende Stecknadel hätte hören können.  

Schonungslos ehrlich zu sprechen, braucht viel Mut

Sehr offen, ehrlich und vor allem sehr mutig erzählten die Bäuerinnen von ihren Krisen. Bei Irma Stricker begannen die Krisen bereits in der Kindheit. Diese war geprägt von Ausbeutung, Gewalt, auch sexueller Natur, und durch Mobbing. Später prägten ein schwieriges erstes Pachtverhältnis und die Alkoholsucht ihres Mannes lange Zeit ihr Leben. Das Paar verlor schliesslich die Pacht. Nach einem Seitensprung ihrerseits folgte die Trennung. 

«An diesem Tiefpunkt angelangt, erkannte ich, dass ich Hilfe brauche.» 

 

Irma Stricker über ihre schwierige Vergangenheit.

All dies erzählte die 51-Jährige sehr emotional, aber dennoch schonungslos ehrlich. Sie erzählte auch, wie ihr damals Gott begegnet sei und bis heute Halt gebe. Die Eheleute machten Therapien, lernten, miteinander zu kommunizieren und fanden später wieder als Paar zusammen. Heute weiss Irma Stricker, was ihr guttut. Sie kann auch mal das Staubsaugen sein lassen und sich morgens Zeit für sich selbst und ein Gebet nehmen, um danach den Tag gestärkt zu bewältigen.   

Die Panikattacke markierte die Grenze

Andrea Buob bewirtschaftet mit ihrer Familie einen vielseitigen Betrieb mit Mutterkühen, Legehennen, Niederstamm-Kirschbäumen und Direktvermarktung von Natura-Beef. Daneben gehören eine Ferienwohnung und ein Eventlokal für 50 Personen dazu. «All das ist schön, aber bedeutet viel Arbeit», erzählte die Bäuerin. Dass alles zu viel ist, hatte sie zwar bemerkt, aber lange ignoriert. 

«Man macht einfach die Arbeit, die ansteht.» 

Andrea Buob über die Zeit vor der Panikattacke

Doch irgendwann ging es nicht mehr. Eine Panikattacke im Juni 2023 und der Transport in einer Ambulanz seien eine Grenzerfahrung gewesen. «Ich hatte starkes Herzrasen und dachte, ich sterbe», erinnerte sie sich. Daraufhin hat Andrea Buob ein paar Dinge angepasst. So wurde die Anzahl der Anlässe im Eventlokal reduziert. Auch eine Lösung mit einer Reinigungshilfe für die Ferienwohnung sei geplant gewesen. Dies habe jedoch nicht wie gewünscht funktioniert. Heute sagt Andrea Buob: «Ich bin gestärkt aus der Krise gekommen. Ich habe gelernt, mich selbst gern zu haben und gut zu mir zu schauen.»

Klar wurde am Tag der Bäuerin auch, dass Resilienz lernbar ist. Dafür müsse man oftmals Mut beweisen und aus der Komfortzone heraustreten. Sowohl Irma Stricker als auch Andrea Buob haben gelernt, besser auf sich Acht zu geben und die Anzeichen frühzeitig zu deuten, wenn wieder einmal eine Welle droht, überzuschwappen.   

Unternehmerinnen brauchen Pausen

Die Resilienztrainerin Regula Eugster machte denn auch allen Mut mit den Worten: «Wir alle haben das Potenzial zur Resilienz.» Wichtig seien Achtsamkeit, Momente des Innehaltens und Durchschnaufens, sowie kleine Momente des Glücks bewusst zu erleben. Dazu müsse man sich selbst als VIP, also als äusserst wichtige Person, im Alltag integrieren und sich Pausen gönnen. «Macht euch bewusst, dass Unternehmerinnen, wie ihr es seid, Pausen brauchen», mahnte sie. Man könne lernen, Pausen zu machen, vorausgesetzt man möchte es, betonte sie vielsagend und erntete dafür Applaus.   

Diese Punkte stärken die Resilienz zusätzlich:  

  • Die Akzeptanz, dass es Wellen und Krisen geben kann, diese aber auch wieder vorbeigehen.  
  • Optimismus. Türen können zugehen, dafür geht immer wieder eine andere auf. Dieser Optimismus hilft, wenn Wellen ankommen.  
  • Selbstwirksamkeit, vom Opfergefühl wegkommen ins Handeln. «Hilfe zu holen, ist keine Schande, es zeugt von Stärke», betonte die Expertin.
  • Auch ein wichtiger Punkt sei die Sinnfindung. «Den Sinn zu spüren, ist ein wichtiger Anker, wenn es wieder einmal stürmt», betonte Regula Eugster. 

Zum Schluss forderte die Moderatorin Sabrina Lehmann dazu auf, den Mut zu haben, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, diese auch zu geniessen und dabei nicht an den Staubsauger zu denken. Eine von vielen Möglichkeiten, um Zeit für sich selbst zu nehmen, bietet der Tag der Bäuerin im nächsten Jahr. Dieser findet am 15. Oktober 2026 statt.