«Oh, jööööö!», ist vermutlich einer der häufigsten Ausrufe, die Sandra Henzer hört, wenn jemand ihre Rinder zum ersten Mal sieht. Die Passanten würden am liebsten eines der herzigen, nur etwa 10 bis 15 Kilogramm leichten Dahomey-Kälber unter den Arm klemmen und mit nach Hause nehmen, um es ins Wohnzimmer oder Gartenbeet zu stellen. Und tatsächlich hatte Sandra Henzer auch schon Anfragen, welche in diese Richtung gingen. Vielleicht nicht gerade fürs Wohnzimmer, aber für den grosszügigen Umschwung eines Einfamilienhauses.

Doch auch wenn die Dahomeys die kleinsten Rinder der Welt sind, weichen ihre Ansprüche keineswegs von denjenigen normalgrosser Rinder ab. Und auch das Handling mit ihnen bringt ähnliche Herausforderungen mit sich. So ist das Handling eines Dahomey-Stiers keineswegs mit demjenigen eines Schafbocks vergleichbar. Zusätzlichen Respekt verschaffen sich die kleinen schwarzen oder grauen Tiere mit ihren Hörnern. Für Sandra Henzer gehören sie bei dieser Rasse einfach dazu. Der Dahomey-Kopfschmuck ist besonders geformt und so zeigen ihre Hörner nach vorne und unten.

Schweizer Muni in Afrika gefragt

«Ich finde es wichtig, dass künftige Dahomey-Halter in Bezug auf den Umgang mit den Tieren geschult werden», sagt Henzer, die hauptberuflich bei der Spitex in Burgdorf im Einsatz ist. So sei Herkules zwar in der Regel sehr umgänglich und trotzdem bestehe sie darauf, ihn immer zu begleiten, wenn er transportiert wird. In den letzten Monaten kam der schöne Muni viel herum in der Schweiz, die Nachfrage nach ihm ist gross. Sogar aus seinem Ursprungsland, dem westafrikanischen Staat Benin, wird der Ruf nach ihm laut.  So bekam Sandra Henzer bereits Anfragen von dortigen Züchtern. Denn im Benin, dem früheren Königreich Dahomey, ist zurzeit ein Wiederansiedlungsprojekt im Gange und gute Dahomey-Genetik äusserst gefragt.

Dahomey waren immer klein - das soll so bleiben

«Die Durchmischung der Genetik ist mir ein grosses Anliegen», sagt Sandra Henzer. So begrüsst sie Bestrebungen, Tiere zwischen Ländern wie Tschechien, Österreich oder Deutschland auszutauschen. Dies sei essenziell für die Reinzucht der Tiere. Sandra Henzer hat von ihren Tieren Haarproben nach Holland ins Labor geschickt, um per DNA die Reinheit der Rasse bestätigen zu lassen. Auch widersetzt sie sich beim Züchten dem allgemeinen Trend hin zu grösseren Tieren. Sie nimmt eher die kleineren Tiere zum Weiterzüchten.

Denn das Spezielle an Dahomeys ist, dass sie genetisch klein sind. Sie wurden also nicht über Generationen klein gezüchtet, wie dies bei anderen Zwergrassen der Fall ist, sondern waren schon ursprünglich klein im Wuchs. Also ähnlich wie es sich bei Pferden und Ponys verhält. Deshalb sind ihre Proportionen sehr harmonisch und elegant. Und dieser harmonische Wuchs braucht Zeit. Sowie viel Öko-Futter Heu und Gras. Leckeres Kraftfutter dient bei Sandra Henzer lediglich als Lockmittel.

Nur die beiden Kleinsten haben Kälberaufzuchtfutter bekommen, da beide nicht bei der Mutter saugen konnten, erklärt Sandra Henzer. Stierkälbchen Lars hat sie kurzerhand von einem Kollegen übernommen, der wusste, dass die Züchterin bereits ihr eigenes Dahomey-Kälbchen Merlin von Hand aufzieht. Und zweien die Flasche zu geben, bedeutet kaum mehr Aufwand. Merlin hatte das Pech, dass seine Mutter Merilin ihn einfach nicht saugen liess. «Sie macht das jetzt schon zum zweiten Mal mit einem Kalb. Das ist bei Mutterkühen ein sehr seltenes Phänomen», sagt die Züchterin.

Als Sandra Henzer 2012 auf die Dahomeys kam, hat ihr Erfahrung mit Mutterkuhhaltung noch weitgehend gefehlt, denn aufgewachsen ist sie auf einem klassischen Milchviehbetrieb. Der Wunsch, selber Dahomeys zu halten entstand, als sie fast täglich an den Dahomeys von Daniel Mosimann in Wichtrach vorbeifuhr. Er gehört zu den Pionieren, welche die kleinsten Rinder der Welt erstmals in die Schweiz importiert haben. «Immer, wenn ich dort vorbeifuhr, dachte ich mir: Solche möchte ich auch einmal haben», sagt Sandra Henzer lachend.

Dahomey sind alptauglich

 

 

Ihre Herde entspricht aktuell etwa dem Bestand, der mit nur 1,5 Hektaren Weidefläche möglich ist. Nebst dem Stier und den beiden Kälbchen laufen in der Herde zwei trächtige Mutterkühe und zwei Rinder mit. Letztere ziehen per Januar 2020 in den Zürcher Zoo um, um dort die neue Savannen-Anlage zu beleben.

Alle Tiere haben den letzten Sommer auf einem Sömmerungsbetrieb in Oberfrittenbach bei Langnau im Emmental verbracht. Dabei haben sich die Dahomeys als erstaunlich berggängig gezeigt. Im Gegensatz zu grösseren Rindern verursachen sie dabei aufgrund ihres geringen Gewichtes kaum Trittschäden.

Bei einer Risthöhe von etwa 90 Zentimetern wiegt eine ausgewachsene Dahomey-Kuh etwa 180 bis 200 Kilogramm, ein Stier mit etwa 105 Zentimetern Risthöhe gegen 300. Deshalb ist auch die Fleischausbeute relativ gering. Doch habe ihr eher mageres Fleisch einen hervorragenden Eigengeschmack, sagt Henzer. «Da es aktuell jedoch so wenige Dahomeys gibt, brauche ich zurzeit fast jedes Tier zum Weiterzüchten». So liegt der letzte Gang in die Metzgerei bereits ein paar Jahre zurück.

Unbekannter Schweizer Bestand

 

 

Sandra Henzer amtet mittlerweile bei Mutterkuh Schweiz als Ansprechperson in Sachen Dahomeys. Doch weil viele Dahomey-Züchter dort nicht gemeldet sind, ist der genaue Bestand in der Schweiz schwierig einzuschätzen. Aktuell gebe es in der Schweiz drei oder vier Halter mit grösseren Herden, ansonsten einige mit sehr wenigen Tieren, sagt Henzer.

Ihre nächsten Projekte sind ein Herdebuch für die Dahomeys sowie die Gründung eines Rasseclubs. Dies würde Ausstellungen ermöglichen und damit einen besseren Vergleich und regeren Austausch der Tiere unter den Züchtern. Und wer weiss: vielleicht wird künftig für die Dahomeys sogar künstliche Besamung ein Thema sein. Doch der Weg dorthin ist noch lang.

Langweilig wird es Sandra Henzer jedenfalls in der nächsten Zeit nicht, denn sie hat es sich zu ihrer Mission gemacht, das Dahomey-Rind in der Schweiz bekannter zu machen. «Dahomeys können für Landwirte eine echte Alternative sein – zu grösseren Rindern, aber auch zu Schafen oder Ziegen», sagt sie. Es sei auch möglich, Dahomeys in einem Schafstall zu halten.

«Schliesslich gelten die Dahomeys trotz ihrer geringen Grösse als ganze Grossvieheinheit», sagt Henzer. Dadurch kann die Dahomey-Zucht ab einer Herde von 20 Tieren durchaus rentabel werden. Bei Sandra Henzer muss dies aus Platzgründen leider wohl für immer ein Traum bleiben. Sonst würden bestimmt noch einige Zwergrinder mehr friedlich vor dem Haus grasen.

 

Dahomey auf einen Blick

Widerristhöhe Kühe: 80-95 cm
Gewicht Kühe: 150-210 kg

Widerristhöhe Stiere: 85-100 cm
Gewicht Kühe: 225-300 kg

Ursprung: Westafrika

Quelle: Mutterkuh Schweiz

Der Name Dahomey geht auf das Königreich Dahomey zurück. Später entstand aus Teilen des Reichs der Staat Dahomey, der heute Benin heisst.