Am Morgen feucht, nachts kalt und tagsüber warm und trocken – grosse Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind ideale Bedingungen für Pilzkrankheiten. «So früh wie heuer sind bei mir noch nie Pilzkrankheiten aufgetreten. Sonst passiert das immer erst ab Mitte April», beklagt sich ein Landwirt aus dem Berner Seeland, der anonym bleiben möchte. Besonders Sorge bereitet ihm seine Wintergerste, die unteren Blätter seien zum grössten Teil gelb. Er befürchtet, dass es sich um eine Pilzkrankheit handeln könnte, und vermutet Gelbrost.

Abgestorben, aber kein Rost

«Im Augenblick sehen wir Netzflecken, Mehltau und Braunrost in der Gerste», weiss Adrian Sutter. Der Fenaco-Pflanzenbauberater kann aber entwarnen: «Die Wintergerste ist zum Teil zwar etwas gelblich. Aber um Gelbrost handelt es sich dabei nicht.» Diese Pilzkrankheit käme grundsätzlich bei Gerste nicht vor. Sutter geht davon aus, dass es sich um eine Verwechslung handeln könnte: «Bise und starke Fröste der vergangenen zwei Wochen haben das Getreide in Mitleidenschaft gezogen. Man findet kleine abgestorbene Seitentriebe.» Auf diese könne aber gut verzichtet werden. Auch können bei den kühlen Temperaturen Herbizide ein Stressfaktor sein. Teilweise fehlt zudem Nitratstickstoff im Boden, der sofort Pflanzen-verfügbar ist, so Sutter.

Ein Virus könnte die Ursache sein

Offenbar waren auch wieder diverse Befälle mit dem Gelbverzwergungsvirus zu beobachten, weiss Andi Distel, Pflanzenbauberater am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg. Dieses Virus wird im Herbst über Blattläuse übertragen. Die Pflanzen erscheinen nesterweise gelblich, zeigen einen kümmerlichen Wuchs mit verstärkter Bestockung, kommen aber oftmals nicht zum Schossen und zur Ährenbildung. Nach dem Verbot der Neonicotinoid-Beizung ist das Virus häufiger wieder aufgetreten, da es keine Möglichkeit mehr gibt, die Blattläuse im Getreide anderweitig direkt zu bekämpfen. Totalausfall ist laut Distel aber nicht zu befürchten. «Welche Ursache für die gelben Gerstenblätter des Seeländer Produzenten verantwortlich ist, ist ohne Augenschein vor Ort schwierig zu beurteilen. Bislang haben wir allgemein in der Gerste wenig Krankheitsdruck. Es ist aber möglich, dass dieser regional unterschiedlich ausfallen und verschiedene Ursachen haben kann.»

Erst spritzen, wenn Schadschwelle erreicht ist

Im Versuchsfeld der Fenaco hat Adrian Sutter am Montag die Gerste auf Krankheiten kontrolliert und die Schadschwelle ausgezählt. Die Schadschwelle wurde weder bei Netzflecken (DC 30–51: 15–25% befallene Pflanzen), Mehltau oder Braunrost erreicht. Laut Sutter sollte grundsätzlich erst dann ein Fungizid gespritzt werden, wenn die Schadschwelle erreicht wird. Falls Fungizid-Behandlungen erforderlich sind, können diese am Morgen ins abgehende Tau appliziert werden. Die äusseren Bedingungen sind dann am besten und der Wirkstoff kann von der Pflanze besser aufgenommen werden. Die Behandlung von Getreide im Biolandbau gegen Pilzkrankheiten ist hingegen nicht möglich. «Es dürfen keine Fungizide gespritzt werden», so Andi Distel. Produzenten im Biolandbau müssten neben der peniblen Feldhygiene daher auf resistente bzw. tolerante Sorten setzen, die möglichst wenig an Pilzkrankheiten leiden.