Im Winter befinden sich die Obstbäume in der Vegetationsruhe. Das Laub ist abgefallen und die Struktur des Baumes offenbart sich. Das ist die beste Gelegenheit für Obstbauern, ihre Scheren und Sägen wieder herauszuholen und den Winterschnitt durchzuführen. Denn ein guter Schnitt bringt in der kommenden Saison und in den Folgejahren qualitativ hochwertiges Obst hervor. Was beim Schnitt beachtet werden muss, erklärt Andreas Klöppel, Betriebsleiter der vier Hektaren grossen Niederstammobstanlage am Strickhof Lindau ZH.

Unterschiede je nach Obstart

Die Schnittmassnahmen in einer Obstanlage können je nach Obstart variieren (siehe Kasten). Gründe dafür sind die unterschiedliche Blütenknospenbildung und die entsprechende Austriebsreaktion. Letztere ist auch zwischen den einzelnen Sorten einer Obstart unterschiedlich ausgeprägt. «Während beispielsweise die Apfelsorte Boskoop schön garniert und deshalb weniger geschnitten werden muss, hat Rubinola einen starken Wuchs und ist schwach garniert. Rubinola muss deshalb vorsichtiger zugeschnitten werden», erklärt der Fachmann. Die Apfelsorten Topas, Gala und Golden Delicious würden eher zu den pflegeleichten Sorten gehören: «Sie sind ruhig im Wachstum und daher leichter zu schneiden.»

 

Hinweise zu verschiedenen Obstarten

Wunden heilen schneller im Sommer

Auch eignen sich nicht alle Obstarten für einen Winterschnitt: «Aprikosen und Kirschen sollten unmittelbar nach der Ernte oder kurz vor dem Austrieb geschnitten werden, da im Winter häufiger Infektionen durch diverse Bakterien- und Pilzkrankheiten auftreten können.» Die Erreger dringen über die Schnittwunden ein, was zum Absterben von ganzen Astpartien und des gesamten Baumes führen kann. Im Sommer würden die Wunden schneller ausheilen als im Winter. Anders sieht es bei Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäumen aus. Erstere sollten grundsätzlich im Winter geschnitten werden. Zwetschgen eher Richtung Frühjahr. «Diese Obstarten sind widerstandsfähiger gegen Infektionskrankheiten. Selbst Frost macht diesen Arten nach einem Schnitt nichts aus», so Andreas Klöppel. Erst bei −20°C würden Erfrierungen an den Wunden entstehen.

Hochwertiges Obst fördern

Die typische Schnittform ist die Spindel- bzw. Tannenbaumform. Sie werden laut Andreas Klöppel am meisten im Obstbau verwendet. «Oben befinden sich die jüngsten und kürzesten Triebe und unten die breitesten und ältesten. Das Fruchtholz trägt die wertvollen Blütenknospen und verteilt sich flach um die Mittelachse», erklärt er. Für den Fachmann bringt die Spindelform einige Vorteile mit sich: «Indem die stark beschattenden Elemente in der Baumkrone entfernt werden, wird das wichtige Fruchtholz in der Mitte des Baumes genügend mit Sonne versorgt. Das garantiert später eine regelmässige Ausfärbung der Früchte.» Zudem werde verhindert, dass sich Pilzkrankheiten ausbreiten können. «Pilze mögen ein feucht-warmes Milieu, was bei einem dichten Wuchs geschaffen wird.» Um hochwertiges Obst zu erzeugen, müssten deshalb Triebe, die aus der typischen Spindelform herausstechen, zurückgeschnitten werden.

Intuitiv Bäume schneiden

Wer sich etwas schwer tut mit der Entscheidung, welcher Ast weggeschnitten werden soll, dem rät Andreas Klöppel, die dickeren Äste vor allem im oberen Bereich der Krone zu entfernen. Denn sie werfen zu viel Schatten auf die unteren Triebe und damit auf die Blütenknospen. «Bei der Spindelform sollte die Mitte der stärkste Part des Baumes sein. Alle weiteren Triebe sollen untergeordnet werden.»

Den Baum nich reizen

Aber Achtung: «Wenn wir alles wegschneiden, was uns nicht gefällt, reizen wir den Baum und er schiesst nach oben, statt die Energie in die Bildung der Blüten und Früchte zu investieren», warnt Klöppel. Auch riskiere man weniger Früchte im Sommer, wenn zu viel Fruchtholz abgetrennt wurde. «Man muss bedenken, dass von Austrieb bis zur Ernte es immer wieder zu Verlusten kommen kann. Diese können durch Winter- und Blütenfrost, Hagel, Schädlinge und Krankheiten sowie mechanische Schäden entstehen.» Nicht zu vergessen sei auch die Qualitätsausdünnung ab Frühjahr.

Damit beim Winterschnitt nichts schief läuft, empfiehlt Andreas Klöppel entweder eine kostenlose Beratung bei den landwirtschaftlichen Zentren einzuholen oder einen Schnittkurs zu machen