Haben gemeinsam mit dem Vorstand über mögliche neue Agrarpolitiken nachgedacht: Präsident Hansjörg Rüegsegger (l) und Geschäftsführer Andreas Wyss (Bild hja).«Die Diskussion für Alternativen muss jetzt geführt werden»Mittwoch, 12. April 2017Harnstoff sei ein verbreiteter Stickstoff-Dünger, da er einfach zu lagern, transportieren und auszubringen sei. Er werde aber nur in geringem Mass direkt von den Pflanzen aufgenommen, heisst es in einer Mitteilung der Technischen Universität München (TUM). Der Stoff müsse dazu erst in Ammonium oder Nitrat umgewandelt werden. Das Problem: Bei diesem Prozess geht Stickstoff gasförmig als Ammoniak verloren – laut dem deutschen Umweltamt bis 15 Prozent des Gesamtgehalts.

Finanzieller Verlust und Umweltschaden

Ammoniak ist bekanntlich ein Schadgas, das empfindliche Ökosysteme überdüngen, zur Feinstaubbildung beitragen und die Atemwege reizen kann. Ausserdem dringe es auch in tiefere Bodenschichten und damit ins Grundwasser vor, schreibt die TUM weiter.

Weiter sind die Stickstoff-Verluste landwirtschaftlich mit finanziellen Folgen verbunden: Ertragseinbussen und Versauerung des Bodens seien möglich.

Enzymhemmer sollen helfen

Bereits seit der Saison 2020 darf in Deutschland granulierter Harnstoff, der nicht innerhalb von vier Stunden in den Boden eingearbeitet wird, nur noch mit Urease-Inhibitoren verwendet werden. Diese hemmen das Enzym Urease, das für die Umwandlung von Harnstoff in Ammoniak verantwortlich ist, für eine gewisse Zeit, was die Emissionen um 50 bis 80 Prozent verringern soll. «Es steht der Kultur also einen deutlich grössere Stickstoffmenge zur Ertragsbildung zur Verfügung», geben die Forschenden zu bedenken.

An der TUM wurde nun berechnet, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieser Massnahme aussieht.

Kostengünstigste Massnahme gegen Ammoniak

Der Nutzen für Gesundheit und Ökosysteme durch Emissionsminderungen bei der Harnstoffdüngung beziffert die TUM mit durchschnittlich 17,5 Euro pro Kilo Harnstoff-Ausstoss. Dabei sollen die Kosten für den Dünger um lediglich 10 Prozent steigen, was weniger als 10 Cent pro Kilogramm Stickstoff entspreche. In Deutschland liesse sich somit dank Urease-Inhibitoren pro Jahr 300 Millionen Euro einsparen. In China, wo 30 Prozent der weltweiten Harnstoff-Emissionen entstehen, seien es gar neun Milliarden. Weltweit wären Einsparungen von 63 Milliarden Euro möglich, heisst es weiter.

Urease-Hemmstoffe seien demnach die kostengünstigste Massnahme zur Reduktion von landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen, so das Fazit der Forschenden.

Deutlich kleinere Mengen in der Schweiz
In der Schweiz lagen die Absatzmengen für Harnstoffdünger nach Angaben des Fachbereichs Marktbeobachtung des Bundesamts für Landwirtschaft BLW 2014 bei rund 7'600 Tonnen Stickstoff. Die Mengen sind in Deutschland ungleich grösser: in der Saison 2016/2017 waren es etwa 403'000 Tonnen N, heisst es in einem Dokument des deutschen Industrieverbunds Agrar.

Laut dem Bundesamt für Umwelt stammen rund 93 Prozent der landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen in der Schweiz aus der Tierhaltung. Zu rund 43 Prozent entstehen sie beim Ausbringen von Gülle und Mist, 37 Prozent in Ställen und Laufhöfen und 17 Prozent beim Lagern von Dünger. Die restlichen drei Prozent stammen von Weiden.

Der Anteil des Pflanzenbaus ist mit sieben Prozent deutlich kleiner. Bei der Reduktion der Ammoniak-Emissionen konzentriert sich die Diskussion hierzulande denn auch primär auf angepasste Ausbringung von Hofdüngern (z. B. per Schleppschlauch),bauliche Massnahmen in Ställen und das Abdecken von Güllelagern.