Andreas Wyss ist Geschäftsführer des Bern Bauern Verbandes. Und er ist im Auftrag des Vorstandes Visionär. Am Mittwoch in Thun BE erklärte er nämlich den Verbandsmitgliedern eine mögliche Zukunft für die Schweizer und für die Berner Agrarpolitik. Wyss könne das bestens, sagte Präsident Hansjörg Rüegsegger, er habe sich schliesslich mit dem Thema lange beschäftigt, viele Gespräch geführt und mit dem Vorstand und an unzähligen Sitzungen mit vorbereitet. 

Tatsächlich kommt Wyss während seinem kurzen Vortrag gehörig auf Touren. Am Ende sagt er: «Es ist nicht die Frage, ob wir das wollen oder nicht. Wenn es uns in den nächsten Jahren nicht gelingt, den Anteil der Wertschöpfung auf den Betrieben zu erhöhen, dann haben wir ein Problem. Wir müssen deshalb etwas machen!»

«Ungesunde Agrarpolitik» sorgt für Unbehagen

Für Wyss und den Berner Bauern Verband ist die Ausgangslage klar: «Die aktuelle Agrarpolitik ist ungesund», sagte Andreas Wyss. Die wirtschaftliche Situation der Bauernbetriebe sei ungenügend, die soziale Situation sei angespannt und unbefriedigend. Gleichzeitig nehme die Abhängigkeit von den Direktzahlungen zu. Dieses Fazit ist nicht neu. Es ist auch nicht neu, dass sich der Berner Bauernverband Gedanken zur Zukunft der Agrarpolitik macht. Neu ist aber, dass man nach vielen Sitzungen, langen Gesprächen und zäher Grundlagenarbeit einen ersten Entwurf präsentieren kann. Ein Entwurf, wie die Agrarpolitik nach 2022 aussehen könnte.

Ziele statt Massnahmen und zwei Beitragsarten

Dabei müsse die Stossrichtung für die neue Agrarpolitik «Ziele statt Massnahmen», lauten. Die Betriebsleiter und ihre Betriebe müssten sich aus Sicht der Berner selbstwirksam entwickeln können. Die Agrarpolitik, so die Vorgabe, dürfe sich künftig nicht mehr auf einzelbetriebliche Prozesse wirken. Stattdessen soll die Agrarpolitik Rahmenbedingungen schaffen.

Was das konkret heisst, erläutert Andreas Wyss. «Grundsätzlich soll es zwei Beitragsarten geben: einen Nachhaltigkeitsbeitrag sowie einen Beitrag für Allgemeingüter.»

Während der Nachhaltigkeitsbeitrag für jeden Betrieb gleich hoch ausfallen soll, würden die Beiträge für Allgemeingüter (öffentliche Leistungen) nachfrageorientiert und regional unterschiedlich ausfallen. Der Nachhaltigkeitsbeitrag soll ein Fixbetrag pro Betrieb sein, der sich an der anteilsmässigen Einkommenshöhe aus der Landwirtschaft bemisst und auf Basis einer Nachhaltigkeitsanalyse ausbezahlt werden soll. Wie Wyss sagt, möchte man die Auszahlung der Beiträge zudem an eine Weiterbildungspflicht und eine Mindestfläche knüpfen

Die Beiträge für Allgemeingüter bemessen sich stattdessen an der Nachfrage und sollen laut Wyss regional unterschiedlich ausfallen. Zu diesen allgemeinen Leistungen gehören ökologische Elemente, soziale Leistungen und weitere Leistungen für die dezentrale Besiedelung und Offenhaltung der Kulturlandflächen. Konkreter konnte Wyss noch nicht ausführen, was unter den Begriffen zu verstehen sei.

Insgesamt würden beide Beiträge zusammen das Gesamtsystem Landwirtschaft verbessern, Mehrwerte am Markt ermöglichen.

Schwere und ungewohnte Kost für die Bauern 

Während Wyss die Ideen vorstellte, schien es, dass die Bauern selbst nicht daran glauben, dass sie etwas an der grossen Agrarpolitik verändern könnten. Manche hörten zwar aufmerksam zu, die Mehrheit jedoch wirkte eher ratlos. Ein Votant meinte im Anschluss, dass Wyss’ Ausführungen ziemlich technokratisch seien.

Immerhin: Der Prozess steht erst am Anfang. Die Flughöhe, das hielt auch Hansjörg Rüegsegger fest, sei noch sehr hoch. Dass dabei manch ein Landwirt noch ratlos ist, ist deshalb noch nicht weiter schlimm.

So wünschte dann auch Andreas Wyss Rückmeldungen. «Ich bin auf eure Rückmeldung angewiesen, damit wir die Idee und die Stossrichtung weiter konkretisieren können», sagte er.

Heinz Kämpfer ist neuer Vizepräsident

Bei den Gesamterneuerungswahlen des Vorstandes hat es in der Führung des Berner Bauern Verbandes ein paar Wechsel gegeben:

Für den abtretenden Vizepräsidenten Erich von Siebenthal wird mit 99 von 153 gültigen Stimmen Heinz Kämpfer aus dem Emmental gewählt. Im grossen Vorstand folgen auf Adrian Brügger (Emmental), Andreas Mühlemann (Oberaargau), Martin Wyss (Bern-Mittelland) und Peter Zwahlen (Oberland) die vier neuen Mitglieder Christine Badertscher (Oberaargau), Beat Gerber (Emmental) Simon Anneler (Oberland) und Daniel Zaugg (Bern-Mittelland).

Der übrige Vorstand wurde wiedergewählt. Und auch Hansjörg Rüegsegger bleibt auch für die nächsten vier Jahre unbestrittener Häuptling der Berner Bauern. Einstimmig und mit Applaus wurde er wiedergewählt.

Cremo-Aktien verkauft 

Das Jahresergebnis, im Übrigen, fiel positiv aus. Der BEBV hat Cremo-Aktien mit einem Plus von gut 400 00 Franken verkauft und konnte einen Gewinn von 247 00 ausweisen. «Bereinigt um den Aktienverkauf haben wir im letzten Jahr 88 00 Franken Minus gemacht», betont aber Hansjörg Rüegsegger und verweist auf die tieferen Erträge und höheren Personalaufwände.

hja