Nicht nur die Landwirtschaft, auch Verkehr, Siedlungen, die Energieproduktion oder die Abwasserbewirtschaftung gestalten die Landschaft und beeinflussen die Biodiversität. (Symbolbild PIxabay) BiodiversitätStudie: 30 bis 40 mal mehr Geld für biodiversitätsschädigende Subventionen als für die Förderung der ArtenvielfaltMontag, 24. August 2020 Der Erhalt der Biodiversität sei eine umfassende Aufgabe, bei der alle Sektoren zu beteiligen seien, hält das Bundesamt für Umwelt (Bafu) ganz am Ende seiner Vorstudie zu biodiversitätsschädigenden Subventionen fest. Entsprechend wurden auch 171 Anreize aus den Bereichen Verkehr, Energie, Siedlung, Tourismus, Abwasser, Land- und Forstwirtschaft untersucht. Unter jenen acht, die schlussendlich zur weiteren Prüfung empfohlen werden, betreffen aber doch deren sechs die Landwirtschaft. Darunter ist mit den Versorgungssicherheitsbeiträgen der grösste Teil des jährlichen Direktzahlungs-Volumens.

Ökologie, Aufwand und Politik

Um die 171 für die Biodiversität schädlichen Anreize auf deren acht einzudampfen, bewertete das Bafu jene, die seiner engeren Definition von Subventionen entsprechen, nach den Kriterien «ökologische Relevanz» und «Reformpotential». In erstere spielte auch das finanzielle Volumen eines Beitrags hinein. Das Reformpotential soll zeigen, wie schwierig die Umgestaltung oder Abschaffung des jeweiligen Anreizes rechtlich und aufwandtechnisch wäre. Nicht berücksichtigt wurde dabei, ob sich eine politische Mehrheit finden liesse. Die politische Umsetzbarkeit stand dann aber in der anschliessenden Beratung mit den betroffenen Bundesämtern im Fokus. Die Prioritätensetzung sei möglichst nachvollziehbar dargelegt, schreiben die Autoren, «dennoch ist klar, dass auch andere Priorisierungen denkbar wären».

6 prioritäre Agrarsubventionen

Es war erklärtes Ziel des Auswahl- und Priorisierungsverfahrens, nicht nur landwirtschaftliche Subventionen auszuwählen. Am Ende sind primär die Land- und Forstwirtschaft betroffen. Folgende Anreize im Agrarsektor wurden als prioritär identifiziert:

Grenzschutz: Hier sieht man sowohl die grösste ökologische Relevanz als auch das grösste Reformpotential. Es gehe aber nicht um die Abschaffung des Grenzschutzes per se – problematisch sei vielmehr der Schutz einheimischer Fleischprodukte bei gleichzeitig tiefen Zöllen auf Futtermitteln.

Versorgungssicherheit: Mit rund 1'077 Millionen Franken machen sie den grössten Posten der jährlichen DZ aus, was zur hohen Bewertung beigetragen hat. Würden hier Massnahmen für Biodiversität und zum Schutz der Bodenfruchtbarkeit verankert, sei das sehr wirkungsvoll.

Strukturverbesserung: Diese Investitionshilfen seien bisher in der Biodiversitäts-Diskussion vernachlässigt worden. Je nach Situation könne die Verbesserung landwirtschaftlicher Infrastrukturen aber die Ressourcennutzung beeinflussen.

Absatzförderung: Bekanntlich zielen diese Bundesgelder darauf ab, den Konsum von Schweizer Produkten anstelle von Importware zu fördern. Dasselbe Ziel verfolge aber schon z. B. der Grenzschutz. Die Absatzförderung solle daher auf ihre Notwendigkeit, Legitimation und Eignung überprüft werden, um Zielkonflikte zu reduzieren.

Rückerstattung der Mineralölsteuer: Da sich die Höhe dieser Beiträge an der bewirtschafteten Fläche und an der Kultur bemisst, entstehe ein wirtschaftlicher Vorteil für den intensiven Anbau.

Neue Regionalpolitik (NRP): Es gibt die Befürchtung, dass damit Zersiedelung und Flächenverbrauch in Rand- und Bergregionen gefördert werden.  

Abschaffen, optimieren oder umgestalten

Die Prioritäten-Liste aus der Vorstudie geht in einem nächsten Schritt an die betroffenen Departemente. Sie sollen den Reformbedarf analysieren. Grundsätzlich denkbar wäre als Massnahme die Umgestaltung, Optimierung oder Abschaffung einzelner Anreize – verschiedene Optionen seien zu prüfen. Auch wird empfohlen, Umweltauswirkungen künftig bei der regelmässigen Subventionsüberprüfung durch den Bund miteinzubeziehen.

Zwar appelliert das Bafu in seinem Bericht, die Untersuchung der ausgewählten Subventionen solle möglichst «zeitnah, konkret und effizient» geplant werden. Der Fahrplan lässt aber nicht auf besondere Eile schliessen: Bis Ende 2024 soll der Bundesrat mögliche Vorschläge erhalten.

 


Hintergrund der Überprüfung

Mit der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) hat sich die Schweiz unter anderem dazu verpflichtet, alle Subventionen mit biodiversitätsschädigenden Wirkungen bis 2020 abzuschaffen oder umzugestalten. Dieses Ziel wurde nicht erfüllt, 2020 erschien aber eine Studie der WSL zu diesem Thema, die 162 solche Subventionen identifizierte. Der Bericht des Bafu baut auf dieser Arbeit auf, nimmt allerdings eine eigene Priorisierung vor.

Dass trotz der durch die CBD andersartig geltenden Verpflichtungen nur ein Teil der als biodiversitätsschädigenden geltenden Subventionen angegangen werden soll, begründet man mit Effizienz- und Effektivitätsgründen. Das Bafu legt aber nahe, auch die restlichen problematischen Anreize anzugehen, ebenso wie die Problematik externer Kosten.