In ihrer Ursprünglichen Version sah die Motion der WAK-S «Anpassung der Suisse-Bilanz und deren Grundlagen an die effektiven Verhältnisse» vor, in den letzten Jahren gestiegene Ertragspotenziale im Acker- und Futterbau dank klimatischen Änderungen und Sortenzüchtungen in der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei sollten auch Qualitätsanforderungen wie etwa der Proteingehalt beim Brotgetreide nicht ausser Acht gelassen werden. Die 10-Prozent-Toleranzgrenze sei beizubehalten.
Der Ständerat stimmte dem Vorstoss zu, der Nationalrat ebenfalls – aber mit einer entscheidenden Änderung: Die grosse Kammer strich den Absatz zur Beibehaltung der 10 Prozent. Dem schloss sich der Ständerat an. «Die Anpassung der Motion mit dem Verzicht auf den Satz mit der Toleranzgrenze heisst nicht, dass die 10% Toleranz in der Suisse-Bilanz gestrichen werden sollen. Hier gab es teilweise Missverständnisse», erklärt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands (SBV). Das Parlament habe gar nichts entscheiden zum Toleranzbereich.
Das Für und Wider die 10 Prozent
Der Bundesrat hält die Abschaffung des Toleranzbereichs für sinnvoll, da sie aufgrund fehlender Präzision bei der Einführung der Suisse-Bilanz vor 20 Jahren festgelegt worden sei. Er schlägt daher auch im Rahmen des Verordnungspakets zum Absenkpfad vor, die 10 Prozent zu streichen. HAFL-Forscher Beat Reidy hingegen begründete den Fehlerbereich gegenüber der BauernZeitung damit, dass die Suisse-Bilanz v.a. auf Normwerten beruhe und daher für den einzelnen Betrieb mit Ungenauigkeiten behaftet sei. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) rechnet bei einer Streichung der 10 Prozent mit einer Reduktion der Stickstoffverluste bei der Düngung um von 4 bis 6,5 Prozent, während Reidy vor erhöhtem Druck auf die Betriebe warnte. Sie müssten entweder weniger Dünger einsetzen, oder weniger Tiere halten. Das sieht auch Martin Rufer so: «werden die 10 Prozent bei der Suisse-Bilanz in ihrer heutigen Form gestrichen, würde die Lebensmittelproduktion sinken», warnt er.
Nicht notwendig und administrativ aufwändig
Aus zwei Gründen sprach sich der Bundesrat generell gegen die Motion aus: Einerseits würden, so Agrarminister Guy Parmelin, die Düngergrundlagen durch Agroscope regelmässig überprüft. Bei solchen Aufgaben arbeite man mit der Praxis zusammen. Auch bei der Suisse-Bilanz gebe es «zahlreiche Treffen» und in diesem Rahmen könnten Anpassungen schnell vorgenommen werden. «Dazu braucht es keine Motion», so Parmelin.
Andererseits stört sich der Bundesrat an dem Passus, dass Lagerbestände künftig in der Suisse-Bilanz berücksichtigt werden sollten. Das würde den administrativen Aufwand – entgegen der lautstarken Forderung des Parlaments nach einer Vereinfachung der Agrarpolitik – erheblich erhöhen. «Ausserdem wäre die Kontrolle nahezu unmöglich», ergänzte Guy Parmelin. Die meisten Forderungen auch der angepassten Version der Motion seien erfüllt oder bereits in Bearbeitung, so seine Zusammenfassung.
Die Realität abbilden
Der SBV hat die Motion zur Anpassung der Suisse-Bilanz unterstützt. Es gehe v. a. um die Grundlagen, die überarbeitet werden müssten. So seien die Düngungsmengen zu tief bemessen und die Verzehrdaten insbesondere bei Kühen nicht mehr aktuell, führt Martin Rufer aus. Es gehe darum, die Realität abzubilden. Bevor diese Anpassungen nicht gemacht sind, dürfe der Toleranzbereich nicht angetastet werden.
Was die Pläne des Bundesrats zur Streichung der 10 Prozent im Rahmen des Absenkpfads angeht, hofft der SBV-Direktor, dass «der Bundesrat und das BLW erkennen, dass gerade jetzt keine politischen Entscheide gefällt werden dürfen, die zu einer Schwächung der Produktion führen».
«Es wird auch zukünftig einen gewissen Toleranzbereich brauchen»
So erläuterte auch Ständerat Peter Hegglin (M-E/ZG) in der Debatte die vorgesehene Änderung hinsichtlich der Toleranz: An den 10 Prozent solle demnach «nicht einfach festgehalten werden», sondern es sei nach einer Überarbeitung und Überprüfung ein anderer Toleranzbereich zu übernehmen. Das Wetter des vergangenen Jahres habe gezeigt, dass die Natur ganz unterschiedlich sein kann, fuhr Hegglin fort, «Demzufolge können der Mitteleinsatz und der Nährstoffbedarf stark variieren». Es werde auch künftig einen gewissen Toleranzbereich brauchen, hielt er fest.
Eine Mehrheit von 37 Stimmen liess sich im Ständerat von den Befürwortern der Motion überzeugen und setzte sich gegen eine Minderheit von drei Stimmen ohne Enthaltungen durch.