Das Verhältnis zwischen Konsumenten, Detailhändlern, Verarbeiter und Produzenten ist kompliziert. Glaubt man dem Handel, ist es der Konsument, der darüber entscheidet, was hergestellt und damit auch angebaut wird. Es ist demnach der Konsum, der Schuld daran ist, dass die Landwirtschaft die Umwelt belastet. Konsumenten indes wollen das nicht so auf sich sitzen lassen und sagen, dass sie nur das kaufen könnten, was auch angeboten werde.

Konsumenten zwischen Wünschen, Werten und Wirklichkeiten

«Die Konsumenten im Dilemma zwischen Wünschen, Werten und Wirklichkeiten – darüber wollen wir heute reden.» Es ist einer der letzten Sätze von Barbara Kretz am Dienstagmorgen in Luzern. Die Leiterin der Messe Luzern eröffnet die Konferenz «Brennpunkt Nahrung» und übergibt das Wort an Manfred Bötsch. Der ehemalige Migros-Nachhaltigkeitsverantwortliche wünscht den Teilnehmenden zahlreiche und kontroverse Diskussionen. Schliesslich wird nichts weniger diskutiert, als die Therapierung einer Beziehung, die grundsätzlich schwierig ist.

Grund für das komplizierte Verhältnis ist die Tatsache, dass die Land- und Ernährungswirtschaft als ältestes Gewerbe der Welt seit rund 12’000 Jahren einen Einfluss auf die Umwelt hat – und heute für das Insektensterben, die Versalzung von Böden, den Verlust von Biodiversität und für Treibhausgas-Emissionen verantwortlich gemacht wird. Die Landwirtschaft, so der Tenor, müsse sich verändern und nachhaltiger werden. «Die Frage ist, wie wir produzieren» sagte deshalb Mark Buckley, UN-Botschafter für die nachhaltigen Entwicklungsziele und Experte beim Weltwirtschaftsforum WEF.

Laut Buckley hat sich die Art der Nahrungsmittelproduktion nach der Weltwirtschaftskrise von 2008 stark verändert. «Es ist viel mehr Geld in die Landwirtschaft geflossen. Die Folge ist, dass die Ernährung nicht mehr so ist, wie sie eigentlich war», sagt Buckley. Nur so sei zu erklären, dass ein Kilogramm Bananen vom anderen Ende der Welt für 16 Cents verfügbar seien. Immerhin: «Die Schweizer Landwirtschaft ist eigentlich schon ganz gut», sagt Buckley später in der Diskussionsrunde und erntet damit kurzen Szeneapplaus.

Wahlfreiheit sorgt für Konfusion

Dass die Beziehung zwischen Produzenten, Verarbeitern, Detailhändlern und Konsumenten kompliziert ist, hat aber noch einen anderen Grund: steigende Produktion. Diese hat erst die Wahlmöglichkeiten und Wettbewerb zwischen verschiedenen Produkten geführt. Darauf weist die Trendforscherin Mirjam Hauser hin. «Es ist heute schwieriger als früher zu wissen, was gut ist», sagt sie. Erschwerend hinzu kommt, dass laut Hauser die Konsumenten – oder die Menschen generell – zwar hoffen, dass die Welt ein besserer, gerechterer und nachhaltigerer Ort wird, aber nicht damit rechnen, dass die Wünsche real werden könnten. Sie fühlen sich machtlos und unbedeutend. Diese Situation hat laut Hauser aber auch ihr Gutes: «Man kann Menschen überraschen.» Sie rät zu mehr Transparenz und dazu, Wertekonflikte auszutarieren und die Kunden bzw. die Konsumenten in die Produktgeschichten einzubinden.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Sophie Michaud Gigon. Die Direktorin der welschen Konsumentenvereinigung  sagt, dass das Angebot die Nachfrage bestimme, und nicht umgekehrt. «Hätte beispielsweise die Migros keine Erdbeeren im Februar im Angebot, würde ich sie auch nicht kaufen.» Zwar seien sich die Konsumenten durchaus bewusst, dass sie eine Rolle spielen. Letztlich aber würden sie das kaufen, was angeboten werde.

Die Produktion entscheidet

Ob der Konsum verändert werden muss, ist dabei nicht ganz sicher. Man sehe schon heute, dass die Konsumenten sich nicht die Zeit nehmen, um Produktionsweisen zu vergleichen, sagt etwa Mark Buckley. Man könne gar nicht erwarten, dass nachhaltigere Produkte tatsächlich auch gekauft werden. Die logische Antwort aus Sicht von Buckley: «Die Produktion sollte so gut sein, dass sich die Konsumenten keine Gedanken mehr machen müsste, wie produziert wird.»