Es ist für (Agrar-)Journalisten meist der erste Termin des Jahres, abgesehen vom Neujahrskonzert in der lokalen Kirche: Die Jahresmedienkonferenz (JMK) des Schweizer Bauernverbands (SBV) findet immer in Woche 1 auf einem Bauernbetrieb statt, und zwar draussen. Das war schon lange vor Corona der Fall und das Konzept bewährt sich besser denn je, denn heuer war es auch wärmer als normalerweise an diesem Anlass.

Die heurige JMK in Lanzenhäusern im Schwarzenburgerland stand voll und ganz im Zeichen der nächsten agrarpolitischen Herausforderung: Der Massentierhaltungs-Initiative (MTI), die voraussichtlich am 25. September 2022 an die Urne kommt. Dem Thema widmet sich auch das neue Fokusmagazin des SBV, das am Dienstag vorgestellt wurde. Der Titel: «So leben die Nutztiere in der Schweiz». Die JMK wird traditionellerweise auch von den Publikumsmedien gut besucht, da sie in der nachrichtenarmen Zeit zum Jahresbeginn schöne Bauernhofbilder gut brauchen können.

30-40 Prozent höherer Preise zu erwarten

Massentierhaltungs-InitiativeReaktionen auf das dreifache Nein im Nationalrat: Zufriedenheit und Kritik am herzlosen ParlamentMittwoch, 15. Dezember 2021  Aktuell stehen die Vorzeichen gut, dass die MTI ohne Zubehör, also Gegenvorschläge irgendwelcher Art zur Abstimmung kommt. Der Nationalrat hat hier entsprechend eingespurt, und der Ständerat dürfte es ihm im Frühjahr gleichtun. Er hat sowohl die MTI wie auch die Anträge für den direkten Gegenentwurf des Bundesrats wie auch denjenigen für einen indirekte Alternativbeschluss von linksgrüner Seite klar abgelehnt.

Auf die entsprechende Frage eines Journalisten meinte SBV-Präsident Markus Ritter, er beurteile die Chancen für das Volksbegehren auch an der Urne als bescheiden. Es seien die zwei Hauptforderungen der MTI, welche ihre Annahme unwahrscheinlich mache. Erstens wollten die Initianten künftig nur noch Fleisch in Bioqualität und zweitens identische Importstandards. Dadurch werde die Wahlfreiheit der Konsument(innen) eingeschränkt. Gleichzeitig sei mit 30-40 Prozent höheren Preisen zu rechnen, auch für Gastronomie und Hotellerie. «Wir wehren uns nicht gegen höhere Bioproduktion, aber sie muss am Markt abgesetzt werden können», sagte Ritter.

In seinem Referat hatte Direktor Martin Rufer erklärt, die Nutztierhaltung sei gleich in mehrfacher Hinsicht nützlich. Lediglich 30 Prozent der Schweizer Nutzfläche sei für Acker-, Gemüse- oder Obstbau geeignet. Auf der restlichen Fläche könne einzig die Nutztierhaltung Nutzen schaffen. «Mit rein veganer Ernährung würde das Land grossflächig verganden», so Rufer.

Hofdünger liefern 60 Prozent des Stickstoffs

Hohe Nützlichkeit brächten auch die tierischen Exkremente, so der SBV-Direktor, der auch auf die kürzlich global diskutierte Düngerkrise verwies. Er sei dankbar, so Rufer, dass wir dank der immer noch stattlichen Tierbestände 60 Prozent des Stickstoffbedarfs durch Hofdünger abdecken können.

Er verwies auch auf die ökonomischen Dimensionen. Die Landwirtschaft erwirtschafte mit der tierischen Produktion jährlich rund 5,8 Mrd Fr., von den zugehörigen Arbeitsplätzen nicht zu reden.  

Trotzdem stehe die Tierhaltung unter scharfer Kritik, einige ganz extreme Exponent(innen) wollten sie ganz abschaffen. Dabei sei der Tierbestand «wenn man es korrekt anschaut» bereits seit längerem klar rückläufig, so Rufer. Besonders ausgeprägt gelte dies für die Rindviehbestände, die in den letzten 40 Jahren um einen Viertel abgenommen haben. Ähnlich gross war der Rückgang mit einem Fünftel bei den Schweinen. Nur die Hühner hätten zugenommen, das sei auf die zunehmende Beliebtheit von Pouletfleisch und Eiern zurückzuführen. «Es kann aber kein Ziel sein, die Produktion einfach ins Ausland zu verlagern», warnte Rufer, der gleichzeitig die hohe Qualität des nationalen Nutztierschutzes rühmte. Dabei sei heute schwierig zu glauben, dass das erste Schweizer Tierschutzgesetz (TSG) erst vor gut 40 Jahren, 1981, in Kraft getreten sei.

Hier wurden vor allem quantitative Elemente, wie Mindestgrössen gesetzlich verankert. In den folgenden Jahren wurde das TSG ausgebaut und mehr qualitative Elemente aufgenommen worden. Rufers Fazit: «Die Bauernfamilien stehen nicht auf der Bremse, sondern nehmen die Bedürfnisse der Tiere und der Bevölkerung ernst.»

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Kein einziges Schwein auf Vollspaltenboden

Auch Lukas Perler, Geschäftsführer von Nutztiergesundheit Schweiz betonte, das TSG sei alles andere als statisch. Es sei 2008 auch einer Totalrevision unterzogen worden, hier seien auch neue Tendenzen eingeflossen. Würde und Wohlergehen des Tieres stünden im Mittelpunkt, so Perler. Wichtig sei: «Das Tierwohl wird immer am Einzeltier gemessen», so der Veterinär. Tierwohl und Tiergesundheit hingen eng zusammen, ergänzte er. Bei der Bekämpfung von Tierkrankheiten könne die Schweiz sicher behaupten, zur Weltspitze zu gehören, so Perler.

Michel Darbellay, Leiter des Departments Produktion, Märkte und Ökologie des SBV untestricht seinerseits die grosse Beliebtheit der Tierwohl-Programme BTS und RAUS. Und verglich ein wenig mit den Verhältnissen im nahen Ausland. «In Deutschland leben 79 Prozent der Schweine auf Vollspaltenböden, in der Schweiz kein einziges mehr», sagte er. Auch die Tierzahl pro Betrieb variiert stark. Während in der Schweizer Legehennen-Haltung die Höchstbestände bei 18'000 Tieren pro Betrieb liegen, leben in Deutschland 35 Prozent der Legehennen in Betrieben mit über 100'000 Tieren.

Die Gastgeber: Marianne und Franz Guillebeau, Lanzenhäusern (Kanton Bern)

Die JMK des SBV fand auf dem Betrieb der Familie Guillebeau im bernischen Schwarzenburgerland statt. Er erläuterte, was er alles investiert hat in Sachen Tierwohl in den letzten Jahrzehnten: «Wir haben die Abferkelbuchten vergrössert, um freies Abferkeln zu ermöglichen, Ausläufe für Galtsauen, ein Bad, eine Hochdruck-Vernebelung sowie Deckenventilatoren zur Senkung der gefühlten Temperatur, elektrische Bürsten». In den letzten 30 Jahren sei es gelungen, den Antibiotikaeinsatz um 90 Prozent zu senken. Gleichzeitig konnte dank verbesserter Ressourceneffizienz der Rohstoffeinsatz in der Fütterung um 30 Prozent gesenkt werden.
Zur MTI und einem allfälligen Ja erklärte Franz Guillebeau folgendes: «Am Montag nach der Abstimmung habe ich ein Problem, mein Betrieb ist nur noch die Hälfte wert», so der Landwirt, «wer will schon einen Betrieb kaufen, der sich auf dem Weg zur Stilllegung befindet».

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Betriebsspiegel
Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar, 1 Mitarbeiter
Ackerbau: 2 ha Triticale, 2 ha Gerste, 2 ha Hafer, 2 ha Raps, 2 ha Kunstwiese, 4 ha ökologische Ausgleichsfläche, Qualitätsstufe 2
Tierhaltung: 100 Muttersauen mit Ferkelaufzucht bis 25 kg, 1 Eber, 8 Mastrinder