Man habe es jetzt oft und wohl auch genug betont, tönt es einhellig aus den Reihen der Viehzüchter. Das Reglement, das unter anderem vorsieht, die Zwischenmelkzeiten nicht unnötig auszudehnen, Zitzen nicht mit Sekundenleim zu verkleben und den Tieren keine Fremdkörper irgendwelcher Art zu verabreichen, soll eingehalten werden. Sonst drohen Sanktionen. Die im ASR-Reglement enthaltenen Verbote und Anweisungen sind nicht neu. Gar nicht. Sie waren auch schon grösstenteils Bestandteil des Ehrenkodex, der vor gut einem Jahr dem ersten ASR-Reglement gewichen ist. Obwohl also seit vielen Jahren klar verboten ist, dass Zwischenmelkzeiten nicht überschritten werden sollen, dass eine Zitze nicht mit Sekundenleim verklebt werden darf, ist es dennoch immer wieder an Ausstellungen beobachtet worden. Auch dann, wenn Züchter wissen, dass sie ein Verbot missachten, und dass sie mit solchen Massnahmen, wie mit Einsatz von Sekundenleim, dem Tier grossen Schaden zuführen können, wurde der Ehrenkodex mehrfach missachtet. Nun ist ein Reglement in Kraft, das dieses Fehlverhalten mit Sanktionen bestraft. Das ASR-Reglement. Verstösst man gegen die darin enthaltenen Weisungen, drohen Sperrungen für die Teilnahme an Ausstellungen.

Vor rund einer Woche wurde öffentlich bekannt, dass ein Jungzüchter, der in einem schweizerischen Gremium eine höhere Funktion bekleidet, vorgeworfen wird, anlässlich der Junior-Expo in Bulle FR im letzten Herbst, eine Kuh gedrencht zu haben. Gegen ihn und einen Komplizen sind in der Folge noch nicht rechtskräftige Sperrungen verhängt worden. Drenchen ist verboten, und zwar nicht erst seit gestern. Dennoch wird es gemacht. Der Jungzüchter dürfte dabei kein Einzelfall sein. Vermutlich hat er sich das Wissen um das Füllen des Pansens zur optischen Vergrösserung des Rumpfes der Kuh auch nicht in Amerika angeeignet, sondern eben hierzulande. Solche und ähnliche Massnahmen zu verbieten hat nicht gereicht, die Ausstellungen «sauber» zu halten. Nun kommt mit der Euterkontrolle mittels Ultraschall und dem Sanktionsschema mehr Druck auf die Aussteller und die Organisatoren zu. Damit wird der Missachtung von Regeln begegnet.

Die Frage drängt sich auf, was hinter dieser Uneinsichtigkeit steckt? Dazu ein Vergleich. Im Fahrradrennsport ist das Verabreichen von leistungssteigernden Substanzen – sprich Doping – verboten. Obwohl die Rennfahrer das wissen, obwohl ihnen bekannt ist, dass sie ihrem Körper damit unter Umständen grossen Schaden zufügen und sie mit Sperrungen rechnen müssen, werden immer wieder Fälle von Doping aufgedeckt. Ähnlich verhält es sich an Viehausstellungen, die vom Schaufenster des Zuchtfortschritts zum Sport mutiert sind. Die privaten Interessen stehen im Vordergrund. Das Ziel ist klar, es geht ums Gewinnen.

Sollte es der Viehzuchtbranche gelingen, mit dem ASRReglement und dem aufgehaltenen Finger des eingeführten Sanktionsschemas, die Überschreitungen gänzlich zum Verschwinden zu bringen, wäre das ein Novum oder aber dann der Beweis, dass es sich bei den Ausstellungen doch nicht um einen Sport handelt.

Noch wird der «Ausstellungssport mit Kühen» vom Bund mit Geldern der Absatzförderung bedacht. Noch sind die Milchverarbeiter und Händler sehr zurückhaltend mit Reaktionen auf Exzesse und negative Nachrichten aus dem Bereich der Viehausstellungen. Und noch spricht man davon, dass man die Jungzüchter in ihrer Leidenschaft und ihrem grossen Engagement an diesen Ausstellungen unterstützen soll. Noch. Wie lange noch?

Der Drang zu gewinnen, scheint derzeit nach wie vor stärker, als die Eigenverantwortung jedes einzelnen. Dem Tier und der ganzen Landwirtschaftsbranche gegenüber. Es reicht auch nicht, dass Bundesgelder infrage gestellt werden. Nun sind die Augen nach Lausanne gerichtet. Wer glaubt, eine vollständige Kontrolle von den rund 1000 Kühen, die in diesen Tagen an der Swiss Expo auflaufen, sei möglich, irrt. Ein solcher Apparat würde jeden Rahmen sprengen. Der Fall in Bulle zeigt, neben Reglementen und Sanktionen braucht es diese Eigenverantwortung. Ohne Ausnahmen.

Simone Barth

Den ganzen Text finden Sie in Ihrer BauernZeitung vom 12. Januar 2018. Lernen Sie  die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF.