Trotzdem sind uns vor lauter Begeisterung noch keine Flügel gewachsen, auch wenn der Präsident der Geflügelproduzenten im Verbandsblatt kürzlich gar von «paradiesischen Zuständen» sprach. Es soll hier nicht darum gehen, den Spielverderber zu markieren, sondern lediglich darum, dem Huhn, seinen Haltern und der gut geölten Versorgungs- und Verwertungsmaschinerie den Finger auf ein paar neuralgische Punkte zu halten, die zwar noch nicht wund, aber doch mindestens schon leicht aufgescheuert sind.

Der Geflügelsektor eignet sich ideal, um ein paar Interessenskonflikte und mögliche Reputationsrisiken aufzuzeigen. Fangen wir an mit der Rolle des Bauern in diesem hochgradig integrierten Sektor. Er verdient zwar recht, aber sein Unternehmertum beschränkt sich weitgehend auf die Rolle des Risikoträgers im Dienste von mittleren Unternehmen und grossen Konzernen. Diese halten sich mit Hilfe der Landwirtschaft einige der schwierigsten Themen in der Wertschöpfungskette vom Leibe: Emissionen, Krankheiten und Tierschutzfragen, um nur ein paar wenige zu nennen. 

Die steigenden Tierzahlen, die nötig sind, um im Dienste der Marktpartner profitabel zu produzieren, haben Konsequenzen: Die Standardisierung der Produktion verlangt nach möglichst einheitlichen an Gewerbegebäude erinnernde Scheunen. Diese ordnen sich oft schlecht ein in die bestehenden Gebäudegruppen.   Zudem sind Ausnahmebewilligungen nötig, die sich nicht gut  vereinbaren lassen mit den Anforderungen des Landschaftsschutzes und dem auch in bäuerlichen Kreisen populären Kulturlandschutz. 

Die Stallneubauten werden deshalb politisch stärker unter Druck kommen, zumal sie weitgehend bodenunabhängiger Produktion dienen. Die älteren Semester erinnern sich sicher noch gut an das Schreckgespenst des «Bahnhofbauern», der in den 1970er Jahren bei den Gegnern der gewerblichen Schweinehaltung Hochkonjunktur hatte.  

Wenn wir grad bei den Futtermittelimporten sind: Diese kollidieren natürlich mit den Bemühungen um hohen Selbstversorgungsgrad, Swissness und regionale Herkunft, die gegenwärtig aufgrund der Abstimmung zur Ernährungssicherheit auch bei der Publikumspresse viel Beachtung finden. Die Verantwortung für die gesunkene Inlandproduktion von Futtergetreide liegt zu einem guten Stück sicher bei der Agrarpolitik, einem beliebten Prügelknaben. Futtermittelimporte sind allerdings auch ein hochlukratives Geschäft und wenn nicht alles täuscht, ist das Interesse der Müllereibranche, diese zu reduzieren, nicht gerade gigantisch.

Ein weiteres Minenfeld liegt dort, wo Nachhaltigkeit und Ethik kollidieren. Ganz klassisch zeigt sich dies beim Modell Bruderhahn, das im Moment Hochkonjunktur hat. Die Mast der Brüder von Legehennen oder der Einsatz von Zweinutzungshennen ist zwar gut für das Gewissen, weil keine Küken vergast werden müssen. Was die Ressourceneffizienz und damit die Nachhaltigkeit angeht, sind die Bruderhähne aber völlig untauglich, sie brauchen mit etwa doppelt so viel Futter etwa doppelt so lang wie ihre hybridisierten Artgenossen, um Schlachtreife zu erreichen. 

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akr

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