Zwei schwedische Wollexperten schrieben einst über die Wolle: «Würde eines Tages berichtet, dass eine Textilfaser entdeckt worden sei, die unter freiem Himmel oder mit geringem Energieverbrauch und ohne gefährliche Abfallprodukte erzeugt werden kann, unser Interesse wäre geweckt. Würde weiter bekannt, die Faser sei leicht zu veredeln, sei giftfrei und hautfreundlich, Wärme und Feuchtigkeit ausgleichend, Schmutz und Wasser abstossend, schwer entflammbar, leicht zu reinigen und fast knitterfrei, wieder verwendbar und biologisch abbaubar, welchen Namen würden wir dieser Faser geben? Wahrscheinlich würde man von einer Wunderfaser sprechen!»

Doch mit Entdeckung von Baumwolle und spätestens mit der von synthetischen Fasern begann der Untergang der Wolle. Etwa in den 70er Jahren ist deshalb auch der Wollpreis stark gesunken. Viele synthetische Stoffe werden auf der Welt produziert, grösstenteils in Asien, wo auch gleich die Kleider daraus genäht werden und das alles zu einem Spottpreis.  Da ist es klar, dass die Wolle einen schweren Stand hat. Wolle muss nach der Schur von Hand, was auch schon einigen Aufwand bedeutet, gewaschen und gekardet werden. Sollen Stoffe daraus gestrickt oder gewebt werden, so muss man sie auch noch spinnen und einfärben. Das sind viele Schritte, die auch ihren Preis fordern.

Ein Schafhalter erhält heute für ein Kilo schöne separierte weisse Wolle maximal zwei Franken. Bis ins Jahr 2004 hat der Bund die Schweizer Wollproduktion noch subventioniert. Damals lag der Wollpreis für ein Kilogramm ungewaschene Wolle bei drei bis vier Franken. Der Bauer konnte seine Wolle bei der Inlandwollzentrale abliefern. Nur fünf Jahre nach der Aufhebung der Subventionierung schloss die Inlandwollzentrale ihre Türen. 

Daraufhin gründete eine Interessengemeinschaft die Firma Swisswool. Diese sammelt heute einen Grossteil der in der Schweiz anfallenden Wolle ein. So hat sie es geschafft, dass nicht alle Wolle einfach so weggeworfen wird. Landwirte erhalten bei der Swisswool 20 Rappen pro Kilogramm unsortierte Rohwolle. Bei bester Qualitat ist der Preis bei einem Franken.

In der Schweiz gibt es aktuell 8400 Schafhalter, welche insgesamt 33'822 Schafe halten. Ein ausgewachsenes Schaf produziert durchschnittlich 2,4 Kilo Wolle im Jahr. So fallen in der Schweiz jährlich etwa 600 Tonnen Rohwolle an. Etwa 400 Tonnen davon sammelt Swisswool ein. Ein Drittel der Wolle wird immer noch weggeworfen.

Die Konsumenten haben immer höhere Ansprüche an die Beschaffenheit der Wolle. Sie mögen feine, weisse Wolle, die nicht kratzt. Schweizer Schafrassen sind hauptsächlich auf Fleisch- oder Milchleistung gezüchtet und nicht auf die Wollqualität. Somit produzieren Schweizer Schafe im Zusammenhang mit unserem raueren Klima eher gröbere und somit kratzigere Wolle. Für Kleidungsstücke, die direkt auf der Haut aufliegen, ist dies eher unangenehm. Ausserdem ist für die Verarbeitung die weisse Wolle beliebter, weil man diese bleichen und einfärben kann.

Die Wollwäschereien und Kardereien in der Schweiz kann man an einer Hand abzählen. Und diese verarbeiten eher kleinere Mengen. Jedoch gibt es auch eine stetig wachsende Zahl von Unternehmen, welche versuchen, mit innovativen Ideen, die Schweizer Wolle wieder populär zu machen oder direkt an die Kunden zu Verkaufen. Diese Wunderfaser ist nämlich sehr vielseitig einsetzbar. So findet sie Verwendung als Isolationsmaterial, in Kissen, in Duvets eingenäht oder in Form von Filz als Tasche, Schmuck, Bekleidung und vielem mehr. Auch Allergiker treffen mit Schafwolle eine gute Wahl, denn die Fasern können nicht bis in die Lunge gelangen. Die Wolle kann bis zu einem Drittel ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen. Dadurch wirkt sie antistatisch und kann somit keine Schmutzpartikel anziehen. Wegen ihres hohen Fettgehalts kann die Wolle auch keine Krankheitskeime aufnehmen.  

Die Argumente für die Wolle sind zahlreich und ebenso gross das Potenzial für die Vermarktung. Es ist nicht ganz eindeutig, worin sich das Schattendasein der Wolle begründet. Gerade in einer Zeit, wo man sich wieder mehr Gedanken macht über natürliche Ressourcen, kann auch wieder eine goldene Zeit für die Wolle anbrechen. Doch dazu müssten die Schafzüchter oder ihr Verband die Vermarktung dieses Super-produkts richtig in die Finger nehmen.

Jasmine Baumann

Dieser Artikel ist aus der BauernZeitung Printausgabe vom 1. Dezember: Lernen Sie die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF