«Unsere Tiere grasen friedlich (...). Verborgen produzieren sie etwas, das keine Fabrik produzieren kann und das sie uns nur geben, wenn wir uns gut um sie (die Tiere) kümmern.» Während die sonore Männerstimme spricht, wird eine grasende Holstein-Kuhherde gezeigt, die gerade von ihrem Bauern mit Mütze auf dem Feld besucht wird. Es ist eine Passage eines Werbespots von Friesland Campina, einem multinational arbeitenden Milchverarbeiter mit Sitz in den Niederlanden.


In einem Werbespot der irischen Milchbauern sagt eine Frauenstimme: «Zusammen können wir mit der Natur einen neuen Vertrag bilden.» Sie spricht von einer Bewegung, Nachhaltigkeit und einer gemeinsamen Reise in eine bessere Zukunft, von der künftige Generationen profitieren werden. Vermarktet werden irische Lebensmittel, darunter Milch, mit dem Label Origin Green. Beide Werbespots lassen einen von der schönen heilen Welt auf dem Land träumen, von den urchigen aber herzlichen Bauern, die mit Liebe und Hingabe von früh bis spät schuften, um den gestressten Konsumenten in der Stadt ein Glas frische Milch, ein Stück Käse oder ein Joghurt auf den Tisch zu zaubern. Die Spots sorgen mit starken Bildern und epischer Musik für Atmosphäre, Spannung und Hühnerhautmomente.

Dem gegenüber steht Werbekuh Lovely von den Schweizer Milchproduzenten (SMP), die wahlweise auf dem Mountainbike den Berg runterbrettert, tanzt oder fussballspielend Nati-Stars demontiert. Die Botschaft dahinter: «Schweizer Milch – echt stark!» Die schwarz-weiss gescheckte Kuh mit Hörnern und den vielen Talenten hat diverse Werbepreise abgeräumt. Die Werbung ist lustig – meistens auf jeden Fall. Und die Spots sind kurz und knackig, auffällig, kommen bei der Zielgruppe an. So kommt man nicht umhin, kurz zu schauen, was denn die Kuh da wieder macht, wenn sie irgendwo über den Schirm flimmert.

Dass Werbung nicht unbedingt den harten Fakten entspricht, ist bekannt. So geraten Lovely und die SMP regelmässig ins Visier von Ernährungsaktivisten, die nichts von der stärkenden Wirkung von Milch und Milchprodukten wissen wollen.

Milch ist ihrer Meinung nach für Säuglinge und Kälber bestimmt und hat nichts auf dem Frühstückstisch von Erwachsenen zu suchen. Als Beweis dieser Haltung führen sie an, dass der menschliche Körper die Produktion von Lactase im Erwachsenenalter schrittweise zurückfährt. Lactase ist nötig, um Milchzucker, Lactose, zu verstoffwechseln. Produziert der Körper weniger Lactase, werden insbesondere Milch und Joghurt, teilweise auch Frischkäse, schwerer verträglich und es winkt die bekannte Lactoseintoleranz.


Auch bei der Werbung aus Holland und Irland darf man sich fragen, wie viel davon den Tatsachen entspricht. Denn in der EU kennen lediglich Norwegen, Schweden und Österreich spezifische Gesetze zum Umgang mit Milchkühen. Das Holsteinkühe mitunter gar nicht mehr wissen, wie sie sich auf der Weide zu verhalten haben, ist ein weiteres Detail, das den Konsumenten 
bewusst verschwiegen wird.


Ob jetzt Friesland Campina oder die SMP auf dem falschen Werbedampfer sitzt, darüber lässt sich vortrefflich streiten. Allerdings lässt sich nicht über die Zahlen zum Schweizer Milchabsatz streiten: Der Milchkonsum pro Kopf ist seit Jahren konstant rückläufig. Einkaufstourismus und Importe aus dem Ausland befriedigen ausserdem einen Teil der nach wie vor leicht steigenden Nachfrage nach Käse, Butter, Joghurts und Milchmischgetränken. In der Summe verlieren Schweizer Milchproduzenten und die Milchverarbeiter Marktanteile.

Und als ob das noch nicht genug wäre, holt das umliegende Ausland auf – zwar nicht unbedingt beim tatsächlichen Tierschutz – der bleibt ein typisches EU-Flickwerk. Aber die Konzerne machen bei der Werbung vorwärts. Und das setzt allen voran die Detailhändler und Milchverarbeiter unter Druck, die immer neue Gründe finden müssen, um Schweizer Milch an den Mann und die Frau zu bringen. Warum nämlich sollen Schweizer Konsumenten für Schweizer Milch und Milchprodukte mehr bezahlen, wenn sie gar nicht wissen, welche Mehrwerte sie kaufen?


Die Branchenorganisation Milch (BOM) erarbeitete deshalb die Qualitäts- und Mehrwertstrategie, deren Resultate vor einer Woche präsentiert wurden und über deren Umsetzung nun diskutiert wird. Emmi versucht, mit einer Nachhaltigkeitsstrategie tatsächliche Mehrwerte zu schaffen und damit die Konsumenten zu erreichen. Für die Bauern sind das nicht nur erfreuliche Nachrichten. Wer Emmi-Lieferant bleiben will, muss nämlich früher oder später BTS oder RAUS und eventuell noch weitere Anforderungen erfüllen. Dafür winkt ein «überdurchschnittlicher» Milchpreis. Gemeint ist ein Preis, der im Vergleich zum Ausland und vielleicht auch im Vergleich zu den anderen Milchverarbeitern in der Schweiz höher sein könnte.


Die Bemühungen von Emmi, der BOM und anderen zeigen: Schweizer Milch ist stark. Aber nur, wenn die Konsumenten angesprochen werden können. Zum Leidwesen aller Milchbauern, die ihre Kühe im Stall halten wollen oder müssen, oder mit einer High-Input-Strategie möglichst effiziente Milchproduktion anstreben. Und zum Leidwesen von Lovely, die zwar nicht gerade zum Metzger aber immerhin zum Imageberater gebracht werden muss.

Hansjürg Jäger