Ein Abend ohne grosses Programm, mein Mann war mit unserem Sohn unterwegs. Unsere Tochter setzte sich wieder einmal ans Klavier und bat mich bald einmal um Unterstützung. Martina hat eine schöne Altstimme und beim Probieren stellte sich heraus, dass mein eingerosteter Sopran doch noch einige Töne in den höheren Regionen trifft.

Gemeinsam sangen wir mit Klavierbegleitung einige Lieder, die meisten natürlich in englischer Sprache. Aus meiner Trachtengruppenzeit hat es noch Noten, und sogar ein «Singbuch» aus meiner Schulzeit liegt noch in der Schublade. (Orangefarben, Gesangsbuch für die Mittelstufe, ich hing an diesem Buch und habe es mir von der Schule gekauft.)

Ich blätterte durch die Seiten, wusste irgendwie noch in welcher Region des Buches welche Lieder sind. Man stelle sich vor, viele Texte und Melodien konnte ich gleich ohne grosses Nachlesen wieder singen. Reime fielen mir ein, sei es von Volksliedern in deutscher oder sogar in französischer Sprache.

Oft spöttelt es sich so leicht, Herz reimt sich auf Schmerz, Suppe auf Puppe, Hund auf Schund. Für mich sind Reime auch eine Gedächtnisstütze, sie bleiben mir durch den Rhythmus besser hängen, ich kann sie schneller auswendig. Wir mussten doch zu unserer Schulzeit noch Gedichte auswendig lernen. In meiner Zeit nicht mehr die Glocke von Schiller, aber da war der Zauberlehrling oder der Erlkönig, alles Klassiker von bekannten Dichtern.

Ich erinnere mich wie meine Mutter Jahre nach ihrer Schulzeit das Gedicht über John Maynard von Theodor Fontane rezitieren konnte. Das beeindruckte mich jeweils sehr. Ich habe es auch gelernt, für einen Vortrag in der Deutschstunde. Aber heute muss ich es nachlesen, vielleicht fehlt diesem Text die Melodie, die es einprägsamer machen würde.

Reime sind eine tolle Sache und machen Texte zu einem Lied oder einer Melodie. Unsere deutschen Nachbarn haben oft das Gefühl, dass wir Schweizer singen beim Sprechen, weil wir nicht alles in derselben Tonlage herunterrattern.

Lukas, unser Sohn hatte im Kleinkindalter Probleme beim Sprechen, er hatte einen grossen Wortschatz, aber leider verstanden wir ihn sehr schlecht. Einmal kurz nach Weihnachten, ich war in meinem Arbeitszimmer beschäftigt kam er zu mir. Er sprach mir etwas vor, ich merkte sofort da ist ein Reim dahinter, aber ich verstand ihn nicht. Beide waren wir traurig, er kam wieder und erzählte seinen Spruch nochmals. Nach einigen Anläufen schoss mir plötzlich eine Melodie durch den Kopf, die Melodie hatte Worte! Sofort rief ich meinen kleinen Sohn zu mir und fragte ihn: «Hast du mir den Reim aus dem Lied von Peter Reber aufgesagt? Villa Chaos; im Jägerstübli jasse d Rehböck mitenand und d Jäger hange a dr Wand.» Glücklich und strahlend bejahte mir unser Sohn meine Frage. Reime bleiben auch bei kleinen Kindern rasch im Gedächtnis, da ist es sicher nicht schlecht wenn im Auto die Musik von Peter Reber abgespielt wird. Hier reimt es sich gut und die Texte bleiben hängen.

In einem Interview äusserte sich der Berner Mundartrocker Polo Hofer darüber, dass viele Sänger sich nicht mehr so Mühe gäben, gute Reime zu finden.

Nun, Lieder und Sprüche bleiben manchmal lange irgendwo in unserem hochkomplizierten Gehirn verborgen, plötzlich hat man einen Gedankenblitz, der Text, der Reim ist wieder da und mit ihm viele schöne Erinnerungen.