Offenbar liegt eine Trinkschwäche vor. Hier ist zwischen zwei Formen zu unterscheiden: Ist das Kalb insgesamt vital und munter und verweigert «nur» das Trinken, so kann diese sogenannte primäre Trinkschwäche genetisch bedingt sein. Ist das Kalb hingegen durch eine Schwergeburt apathisch, mit unter Umständen geschwollener Zunge, so ist das Tier schlicht zu schwach zum Trinken (sekundäre Trinkschwäche).

An Selenmangel der Kühe denken

Verlief die Geburt unkompliziert und das Kalb ist trotzdem sehr matt, muss an eine Infektion der Mutterkuh während der Trächtigkeit gedacht werden – gefürchtet in dem Zusammenhang sind zum Beispiel BVD- und Neospora-Infektionen. Fällt die Trinkschwäche bei vielen neugeborenen Kälbern der Herde auf, so muss zudem an einen Selenmangel der Kühe gedacht und die Spurenelementversorgung der Herde überprüft werden. Blutuntersuchungen der Galtkühe über den Bestandestierarzt sind sinnvoll, denn das Erkennen der Ursache des Problems ist von zentraler Bedeutung. [IMG 2]

Verabreichung des Kolostrums mittels Sonde

Aber zurück zu dem betroffenen Kalb: Gelingt es, mit viel Unterstützung mindestens ein Liter Erstgemelk zu vertränken, so sollte erneut nach zwei Stunden Kolostrum angeboten werden. Trinkt das Kalb aber überhaupt nicht, so ist die Verabreichung des Kolostrums mittels Sonde die Methode der Wahl (Drenchen). Besser als ein starrer Drencher ist ein weicher Gummischlauch (sogenannter Soft-Drencher), der von den Kälbern meist ohne Widerstand abgeschluckt wird. Es empfiehlt sich, das Vorgehen zunächst mit dem Bestandestierarzt durchzusprechen. Entsprechend sollte das Kalb beim Drenchen möglichst stehen. Nie darf die Sonde versehentlich in die Luftröhre (statt in die Speiseröhre) eingeführt werden. Das lässt sich am einfachsten verhindern, indem der Kopf des Kalbes bei Einführen der Sonde nicht nach oben überstreckt wird, sondern ein wenig nach unten gedrückt wird. Bei normalgewichtigen Kälbern werden vier Liter sauber ermolkenes Erstgemelk verabreicht, bei auffällig leichten Kälbern reichen drei Liter. Ab der nächsten Mahlzeit erfolgt dann das Tränken wie üblich mit einem Nuckeleimer. Unbedingt abzulehnen ist bei Kälbern mit Trinkschwäche das Eingeben von einem Teelöffel Kochsalz in die Maulhöhle – die Gefahr einer Kochsalzvergiftung ist viel zu hoch.

Übersäuerung des Blutes

Vom Drenchen ist abzuraten bei durchfallkranken Kälbern, die nicht mehr freiwillig saufen – hier sollte der Bestandestierarzt schnellstmöglich hinzugezogen werden. Meist liegt bei diesen Patienten ursächlich eine Übersäuerung des Blutes vor, die es mit Hilfe einer Infusion zu bekämpfen gilt.