Nach jahrelangen Verhandlungen wird die Impfung der Tränkekälber gegen fieberhafte Atemwegserkrankungen per 1. Juli dieses Jahres obligatorisch. Ab dann müssen weniger als 57 Tage alte Kälber 14 Tage vor Verlassen des Geburtsbetrieb geimpft werden. Eine zweite Impfung erfolgt innerhalb der ersten 28 Tage auf dem Mastbetrieb.

Tiergesundheit und Image

Mit dem Obligatorium solle eine Verbesserung der Tiergesundheit, Antibiotikareduktion und in der Folge eine bessere Wirtschaftlichkeit erreicht werden, heisst es im Infoblatt von Agriquali. Zudem solle das Image und die Nachfrage nach Schweizer Rind- und Kalbfleisch sowie Milch bewahrt werden.

Ein besonders wichtiger Baustein bildet dabei die Impfung der Tiere auf dem Mutterbetrieb. «Rund 40 % aller Antibiotikagaben bei Rindern entfallen auf Kälber in den ersten Wochen nach dem Transport auf den Mastbetrieb», so Heinz Minder von den Schweizer Milchproduzenten. Mit der Immunisierung auf dem Mutterbetrieb mindestens 14 Tage vor der Umstellung entwickeln die Kälber laut ihm eine belastbare Immunität gegen die Erkrankung der Atemwege.

Konsequente Durchführung

Mit dem Obligatorium macht sich jedoch auch ein gegenseitiges Misstrauen zwischen den Geburtsbetrieben, Mastbetrieben und dem Handel bemerkbar. Man scheint sich in der Branche nicht sicher zu sein, ob das Obligatorium von allen Beteiligten gewissenhaft umgesetzt wird. Doch sowohl die Schweizer Milchproduzenten als auch Swiss Beef appellieren an eine konsequente Durchführung.

«Dieser verbindlichen Regelung haben die Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR) und die Schweizer Milchproduzenten zugestimmt, weil für die Wirksamkeit der Impfung entscheidend ist, dass möglichst viele Kälber geimpft auf dem Folgebetrieb ankommen», so Heinz Minder. Nur durch eine hohe Impfquote sei eine Herdenimmunität in den Mastbetrieben möglich. Für eine ausreichende Herdenimmunität müssen dabei 80 % aller Tiere einer Gruppe geimpft sein. Auch eine zweimalige Impfstoffgabe sei erforderlich, um eine nachhaltige Immunität zu erreichen. «Wir sitzen alle im gleichen Boot und sind aufeinander angewiesen», so Swiss-Beef-Präsident Franz Hagenbuch in einem früheren Beitrag gegenüber der BauernZeitung.

Überprüft wird die Einhaltung des Obligatoriums im Rahmen der QM-Kontrollen. Der Landwirt muss dafür im Behandlungsjournal eintragen, welches Tier, wann mit welchem Impfstoff geimpft wurde. Zusätzlich kontrolliert werden die Zu- und Abgänge gemäss Tierverkehrs Datenbank (TVD) und die Beschaffung der Impfdosen. Auch stichprobenmässige Kontrollen sind möglich. Ein Verstoss gegen die Richtlinien kann laut Schweizer Bauernverband (SBV) bis zu einem Ausschluss aus dem QM Schweizer Fleisch führen.

Vor der definitiven Aufnahme des Obligatoriums in die QM-Richtlinien, erfolgt eine dreijährige Testphase. Sie soll zeigen, ob der Antibiotikaverbrauch tatsächlich signifikant gesenkt werden konnte. Sollte das nicht der Fall sein, wird das Obligatorium überdacht. «Die Impfpflicht ist ein grosser, mutiger Schritt. Die nächsten drei Jahre werden zeigen, ob die Massnahme die erhofften positiven Effekte erzielt. Für die Verbesserung der Tiergesundheit und die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes sind sie ein wichtiger Meilenstein», so Heinz Minder.

Füreinander statt gegeneinander
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Kommentar von Flurina Monn

Die grösste Menge Antibiotika in der Nutztierhaltung wird in der Kälber- und Rindermast verabreicht. Mehr als 360 000 Behandlungen waren es 2023 bei den Kälbern. Die Vermischung der Kälber aus verschiedenen Geburtsbetrieben auf dem Mastbetrieb wirkt dabei als regelrechte Keimschleuder.

Egal, ob Milchvieh- oder Mastbetrieb, eines dürfte klar sein: Es führt kein Weg an einer Antibiotikareduktion vorbei. Für unsere Zukunft, das Wohl der Tiere und zur Stärkung des Vertrauens der Konsumenten. Das herrschende Misstrauen zwischen den verschiedenen Produktionssystemen und somit zwischen Landwirt und Landwirt ist umso erschreckender.

Die Schweizer Landwirtschaft steht vor grossen Herausforderungen. Klimawandel, Agrarpolitik – die Liste ist lang. Wäre dann der Zusammenhalt der gesamten Landwirtschaft nicht umso wichtiger? Stattdessen muss noch am Vertrauen in die eigenen Berufskollegen gezweifelt werden.

Mit dem Nicht-Impfen seiner Tiere, egal ob auf dem Geburtsbetrieb oder Mastbetrieb, verstösst man nicht nur gegen die Richtlinien, sondern legt sich selbst und seinen Berufskollegen Steine in den Weg. Ein trauriger Gedanke, wenn man bedenkt, dass beide Seiten aufeinander angewiesen sind. f.monn@bauernzeitung.ch