Kaum geregelter Raum
«Paare, die ohne Trauschein zusammenleben, bewegen sich in einem gesetzlich kaum geregelten Rahmen, was insbesondere in der Landwirtschaft problematisch sein kann», erklärt Christoph Brunner weiter.
So stellt sich etwa die Frage, was passiert, wenn einer der Partner in den Betrieb investiert oder auf dem Hof mitarbeitet, ohne vertraglich abgesichert zu sein. Noch komplexer wird es in Patchwork-Familien, in denen Kinder aus früheren Beziehungen involviert sind und erbrechtliche Fragen entstehen. Wer in einer solchen Lebenssituation füreinander sorgen will, muss sich aktiv mit individuellen Regelungen auseinandersetzen.
Konkret heisst das, dass Paare eine gezielte Absicherung benötigen, wenn sie in einem landwirtschaftlichen Betrieb, im Konkubinat oder als Patchwork-Familie zusammenleben. «Denn trotz enger Bindung zum Hofbewirtschafter gilt die Konkubinatspartnerin oder der Konkubinatspartner nicht als mitarbeitendes Familienmitglied in der Landwirtschaft», so Christoph Brunner weiter. Wird gegen Lohn auf dem Betrieb des Partners mitgearbeitet, besteht unter gewissen Voraussetzungen Versicherungsschutz über die gesetzlichen Obligatorien der ersten und zweiten Säule (Unfallversicherung, Pensionskasse). In den kantonalen Normalarbeitsverträgen Landwirtschaft (NAV) ist zudem die Pflicht zum Abschluss einer Krankentaggeldversicherung festgehalten.
«Die grössten Risiken liegen insbesondere in der mangelnden Absicherung im Todesfall und fehlenden erbrechtlichen Regelungen», weiss der Christoph Brunner. Dazu gehören:
- Keine AHV-Witwen-/Witwerrente: Stirbt der Partner, besteht kein Anspruch auf Hinterlassenenleistungen aus der AHV oder der Unfallversicherung, selbst wenn eine langjährige Partnerschaft bestand.
- Eingeschränkte Begünstigung in der Pensionskasse: Pensionskassen können Konkubinatspartner begünstigen, aber nur unter bestimmten Bedingungen. In der Regel muss eine offizielle Meldung an die Pensionskasse erfolgen und die Partnerschaft muss eine Mindestdauer aufweisen oder wirtschaftliche Abhängigkeit nachgewiesen werden.
- Erbrechtliche Nachteile: Ohne Testament oder Erbvertrag geht der gesamte Nachlass an die gesetzlichen Erben (etwa Kinder oder Eltern), nicht an den Konkubinatspartner.
- Fehlende finanzielle Absicherung: Ein nicht verheirateter Partner hat keinen automatischen Anspruch auf den Hof oder betriebliche Vermögenswerte. Eine Risikoversicherung (Säule 3a oder 3b) kann helfen, finanzielle Einbussen aufzufangen.
- Altersvorsorge in eigener Sache: Lassen sich Ehepaare scheiden, werden die für die Rentenhöhe massgebenden AHV-Einkommen geteilt, die im Laufe der Ehe erzielt wurden (Splitting). Bei Konkubinatspaaren findet kein Splitting statt. Die Höhe der Altersrente ist primär vom selbst erzielten Einkommen abhängig. Auch in der Pensionskasse erfolgt die Teilung nur bei Ehepaaren. Konkubinatspartner haben bei der Trennung keinen Anspruch auf Teilung der Guthaben, was eine tiefere Pensionskassenaltersrente zur Folge haben kann.
Mögliche Lösungen?
Doch man kann vorbeugen. «Viele Versicherer, darunter auch die bäuerliche Agrisano, bieten massgeschneiderte Lösungen für Bauernfamilien an», sagt Christoph Brunner. Wichtige Absicherungen sind:
- Eine Todesfallabsicherung in der Säule 3b: In der Begünstigung frei ist man in der Säule 3b. Sie eignet sich somit besonders zur wirkungsvollen Todesfallabsicherung des Konkubinatspartners. Denn mit der Säule 3b kann ein Konkubinatspartner oder dessen Kinder als Begünstigte eingesetzt werden, ohne dass man an die gesetzlichen Pflichtteile gebunden ist.
- Begünstigung in der Pensionskasse: Oft wird von Pensionskassen verlangt, dass die versicherte Person zu Lebzeiten eine schriftliche Begünstigung zugunsten des Konkubinatspartners eingereicht hat.
- Ergänzende Invaliditätsversicherung: Die Renten aus AHV und Pensionskasse reichen oft nicht, um eine Familie langfristig finanziell abzusichern. Eine private Rentenversicherung in der Säule 3b schliesst die Lücke.
Frühzeitig regeln
Was empfiehlt er Paaren, die unverheiratet einen Hof führen? «Wenn sie zusammen in den Betrieb investieren, sollten sie ihre finanziellen und rechtlichen Verhältnisse frühzeitig regeln», rät Christoph Brunner. Dazu gehört der bedarfsgerechte Risikoschutz im Todesfall. Dieser sichert den überlebenden Partner im Todesfall ab und ist flexibel in der Gestaltung der Begünstigung.
Sowohl das schweizerische Vorsorgesystem als auch das Erbrecht sind traditionell auf Ehepaare ausgerichtet. Ein Erbvertrag oder ein Testament sind zwingend nötig, wenn der Konkubinatspartner bei der Erbteilung berücksichtigt werden soll, denn es besteht kein gesetzliches Erbrecht.
Ohne ein solches Dokument erben Kinder oder Eltern des Verstorbenen, der Lebenspartner geht leer aus. Eine beidseitige Absicherung in der Pensionskasse ist sinnvoll. Falls möglich, sollten beide Partner versichert sein und Begünstigungen frühzeitig regeln. Zudem lassen sich mit gesonderten Bankkonten für gemeinsame Investitionen Streitigkeiten im Trennungsfall vermeiden.
Gemeinsame Kinder
Was muss man beachten, wenn man als unverheirateter Betriebsleiter gemeinsame Kinder hat? Oder wenn die Partner Kinder aus früheren Beziehungen mit auf den Hof bringen? «Falls beide Partner gemeinsam Kinder haben, sollte frühzeitig geregelt werden, wer im Todesfall für den Unterhalt aufkommt», erklärt Christoph Brunner. «Eine Lebensversicherung mit Begünstigung der Kinder kann sinnvoll sein.» Mitgebrachte Kinder aus früheren Beziehungen haben keine gesetzlichen Ansprüche an das Vermögen des neuen Partners. Mit einer individuellen Absicherung über eine Säule 3b oder ein Testament wäre dies lösbar.
Der Versicherungsfachmann spricht sich für einen Konkubinatsvertrag aus. Denn ein Konkubinatsvertrag dient dazu, Rechte und Pflichten innerhalb der Partnerschaft zu klären. Das betrifft insbesondere finanzielle Regelungen wie Miete, Eigentum am Hausrat, Investitionen in den Betrieb, Unterstützungszahlungen im Trennungsfall oder Regelungen zur Altersvorsorge und Absicherung bei Krankheit oder Unfall.
Solch ein Konkubinatsvertrag kann bei der Geltendmachung von Ansprüchen ein wichtiges Beweismittel sein. Er gibt Auskunft über die Dauer des Konkubinats oder es kann der Nachweis einer massgeblichen Unterstützung erbracht werden. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht zwingend erforderlich, kann jedoch in Streitfällen eine höhere Rechtssicherheit bieten. Wichtige Dokumente wie Erbverträge oder Immobilienregelungen sollten hingegen immer notariell beurkundet werden.