Ab dem Frühling nimmt die Arbeit auf den meisten Höfen zu, es stehen gar Arbeitsspitzen an. Mancherorts braucht es zusätzliche Hilfe. Doch Arbeitskräfte aus der Schweiz oder den EU-EFTA Staaten zu rekrutieren, ist schwierig. «Auch bei der Praktikantenvermittlung ist die Zahl der Praktikantinnen und Praktikanten im Vergleich zu früher rückläufig», sagt Monika Schatzmann, Leiterin von Agrimpuls. «Dies hängt mit dem Ukrainekrieg zusammen.» Die Unterorganisation des Schweizer Bauernverbands vermittelt unter anderem in Zusammenarbeit mit Partnerbüros in den jeweiligen Heimatländern ausländische Praktikanten und Arbeitskräfte auf Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz.

Die administrative Arbeit, also zum Beispiel die Arbeitsbewilligung, Ein- und Ausreise, Exkursionen oder je nach Gruppe auch Kurswochen, übernimmt Agrimpuls. «Der Informationsaustausch ist wichtig, denn auf beiden Seiten sind Menschen, die sich aus unterschiedlichen Motivationsgründen auf etwas Neues, Fremdes einlassen», weiss Monika Schatzmann aus Erfahrung.

In einem fremden Land

Ob als PraktikantIn oder Saisonnier, man isst an einem fremden Tisch, in einer fremden Umgebung. Meist wird eine andere Sprache gesprochen. Man sitzt sich gegenüber und weiss, dass dies für einen bestimmten Zeitraum so bleiben wird. Die mitgebrachten Vorstellungen werden mit der Realität konfrontiert. Die Gespräche sind anstrengend, die Augen der Chefs und der Gastfamilie schauen einen scheinbar prüfend an.

«Nach den ersten Wochen, wenn die Arbeit und der Ort etwas vertraut geworden sind, vergeht das Heimweh etwas. Da helfen auch die Telefonate unter den sich kennenden Saisonniers. Man kann die Situation besser einordnen», erzählt Stefan, ein langjähriger Saisonnier aus Rumänien. «Schwierige Chefs haben unter den Saisonniers bald ihren Ruf, sodass niemand dorthin gehen solle. Nur Neulinge stellen sich dieser besonderen Aufgabe.»

Herausforderung am Herd

Auf Seiten der Arbeitgeberfamilie kann unter anderem die Verpflegung der Angestellten die Köchin vor neue Aufgaben stellen: «Was soll sie kochen, um nicht gleich einen Kulturschock auszulösen?», fragte sich etwa eine Kollegin der Schreibenden. Sie entschied sich für Voressen.

Nun aber hat es im Voressen oft Stellen, die zäh bleiben. Einen Praktikanten hat das so sehr gestört, dass er laut darauf hingewiesen hat. Die Stimmung der Köchin bewegte sich zwischen Entsetzen und Verzweiflung. Auch der Versöhnungsversuch mit Oliven gelang nicht. Der Praktikant probierte und spuckte sie sofort aus, ebenso das Kirschstängeli. Seither verzichtet sie auf kulinarische «Experimente». Mit Teigwaren und einer etwas lauen Sauce wurde der Tischfrieden wieder hergestellt.

Problemloser Kontakt

Das Zusammensein mit ausländischen Hilfskräften ist für die Bauernkinder in der Regel kein grosses Problem. Im Gegenteil. Sie lernen, dass man sich mit unterschiedlichen Menschen arrangieren muss und kann. Denn der Arbeitsraum auf einem Bauernhof ist immer auch Lebensraum. Die Kinder bekommen unter anderem hautnah mit, wie ihre Eltern mit Differenzen und Problemen umgehen und Lösungen gefunden werden.

Was für die Bauernkinder von grossem Wert sein kann, sind die Sprachen. Egal in welcher man sich unterhält, irgendwie geht es, wenn man will. Notfalls mit Händen und Füssen. Heute ist es selbstverständlicher, dass man sich irgendwie auf Englisch verständigt oder mit einem Übersetzungsprogramm, das bequem mit dem Handy angewendet werden kann. «Sprache entsteht durch Begegnung», hat mal jemand am Radio gesagt. Und gerade diese Begegnungen mit etwas Fremden sind immer auch eine Bereicherung.

Jahrzehntelange Kontakte

Manchmal entstehen aus einem Arbeitsverhältnis auch Freundschaften fürs Leben. «Er war wie ein Bruder für uns», sagen die längst erwachsenen Kinder der Familie der Schreibenden. «Jedes Jahr freuten wir uns, wenn Iwan wieder für ein paar Monate zu uns kam.» Mittlerweile hat Iwan selbst eine Familie und wir geniessen die anhaltende freundschaftliche Verbundenheit.

Natürlich gibt es auch weniger erfreuliche Begebenheiten. So war der frisch eingetroffene Helfer der Familie F. bereits am nächsten Morgen wieder verschwunden. Auf seinem Bett fand sich bloss ein Zettel: «Diese Arbeit gefällt mir nicht. Entschuldigung.»

Fazit: Wenn jemand kompetent über Integration mitreden kann, dann sind es die Bauernfamilien, die sich mit in- und ausländischen Arbeitskräften sowohl menschlich als auch beruflich auseinandersetzen. Sie müssen über kurze oder längere Zeit eine Form des Zusammenarbeitens und -lebens entwickeln. Abbrechen geht nur im Notfall, es ist dann für beide Seiten ein Abwägen zwischen Durchhalten oder alles allein zu machen.


Die BauernZeitung fragt: Wie sorgen Sie für gutes Einvernehmen mit Ihren Saisonniers?

«Chef, ich möchte bitte nicht freihaben»
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Dominik Thürig, Eich LU

Unser Vorarbeiter und ein weiterer ganzjähriger Mitarbeiter sind aus Polen. Während der Saison kommen bis zu sechs zusätzliche polnische Mitarbeiter dazu, die meist drei Monate bleiben. Unser Vorarbeiter schaut schon bei der Rekrutierung, dass sie zu uns passen. Das läuft seit 20 Jahren gut. Die Mitarbeiter kommen aus dem gleichen Kulturkreis wie wir, das erleichtert vieles. In den drei Monaten hier bei uns möchten einige Saison-Mitarbeiter möglichst viel arbeiten und Geld verdienen, da höre ich schon mal: «Chef, ich möchte bitte nicht freihaben.»

In der Führung ist null Klassendenken wichtig
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Benjamin Keil, Rafz ZH

Dieses Jahr haben wir 60 Saisonmitarbeitende auf dem Spargelhof, die meisten aus Polen und Rumänien. In der Führung ist null Klassendenken wichtig. Zudem kommunizieren wir immer mehrsprachig, das geht mit Übersetzungs-Apps einfach. Wichtig ist auch, Zeit in die Menschen zu investieren und regelmässige Wertschätzungen zu verteilen – monetär und materiell, manchmal schlicht auch mit einem einfachen Dankeschön oder Lob. Hierfür haben wir einen Personalverantwortlichen, der sich den kleinen und grösseren Nöten unseres Personals annimmt.

Blick in die Augen statt auf die Stempelkarte
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Pascal Gutknecht, Ried bei Kerzers FR

Unser Gemüsebetrieb hat im Sommer rund 130 Mitarbeitende aus Portugal, Mazedonien, Polen, Bulgarien, Spanien, Ecuador, Peru und der Schweiz. Wir übernehmen administrative Aufgaben wie Versicherungen, Steuern und die Anmeldung usw. und organisieren Wohnungen in der Region. Viele sind seit 10 bis 15 Jahren bei uns, was wohl für eine hohe Zufriedenheit spricht. Die anderen Inhaber und ich sind oft direkt bei den Leuten. Die Stimmung im Team erkenne ich nicht auf der Stempelkarte im Büro, sondern beim Blick in die Augen am Morgen früh bei der Arbeitsverteilung.