Es hat sich viel bewegt bei den Käsereistrukturen in der Zentralschweiz in den vergangenen Jahren. 1999 gab es laut Auskunft der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) noch 154 Käsereien, davon 113 für Emmentaler. Beim vorzeitigen Ausstieg aus der Milchkontingentierung 2005 waren es noch 64 Käsereien, davon 37 für Emmentaler. Und bis 2021 sank die Zahl weiter auf noch 45 Käsereien, davon 19 für Emmentaler.

Bewegt hat sich auch die Region Willisau. Hier entschlossen sich 2005 gleich neun regionale Käsereigenossenschaften zur Fusion zur Regio Chäsi Willisau. Wie hat sich diese bewährt und was sind die künftigen Herausforderungen? Darüber sprachen wir mit dem Co-Präsidenten Hanspeter Hunkeler und Geschäftsführer Thomas Schweisser.

«Die Produktion im Tal würde sinken.»

Thomas Schweisser weist auf die möglichen Auswirkungen von Swissmilk green hin.

Klare Führungsstrukturen

Es sei eine schwierige Geburt gewesen, ist auf der Website der Regio Chäsi noch heute zu lesen. Klar sei der Prozess mit vielen Emotionen verbunden gewesen, wie bei allen Fusionen, sagt Hanspeter Hunkeler. «Im Verhältnis zu den Dimensionen waren die Schwierigkeiten aber gering.» Meist gehe es ja um weiche Faktoren wie Traditionen, etwa die tägliche Fahrt in die Käsi, während die harten Fakten weniger zu diskutieren geben. Der Anpassungsbedarf sei aber von den Bauern erkannt worden, «es war ein Zusammenschluss von unten, nicht von oben diktiert». Und erkannt wurde auch, dass es eine professionelle Geschäftsführung braucht mit klaren und getrennten Kompetenzen zum Vorstand. «Matchentscheidend für den Erfolg war die Trennung zwischen operativer und strategischer Führung.» Die Marktsituation, die Segmentierung, die Logistik, die Personalsituation verlangten damals nach neuen Wegen, vor allem für selbstverwertende Genossenschaften.

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Einige Produktionsstandorte wurden nach der Fusion aufgegeben, die Käsereien verkauft und umgenutzt. Auch die Zahl der Milchlieferanten ging zurück, andere Produzenten kamen anderseits zur Genossenschaft, sogar vom Menzberg und dem Bernbiet. Heute umfasst die Regio Chäsi Willisau noch rund 80 Mitglieder, vor der Fusion lieferten 134 Milchbauern ihre Milch. Die Genossenschaft ist heute die grösste Emmentaler-Käserei der Zentralschweiz.

«Wir sind wie eine AG geführt.»

Hanspeter Hunkeler über die Organisation der Genossenschaft Regio Chäsi.

Roboter bieten Chancen

Die Milchmenge konnte von 12,4 auf rund 13,2 Mio kg gesteigert werden, was wohl in der Zentralschweiz nach den vielen Käsereifusionen einzigartig sei. Deutlich stärker stieg der Betriebsdurchschnitt der Lieferanten, von deutlich unter 100 000 kg auf mehr als 150 000 kg. «Das wird noch zunehmen», ist Thomas Schweisser überzeugt. «Und es gibt immer mehr Roboterbetriebe», ergänzt Hanspeter Hunkeler. Das biete neue Chancen und habe qualitativ eher positive Auswirkungen. Denn diese technisch sehr ausgefeilten Maschinen könnten beispielsweise auch Gemelke von Einzelstrichen messen und allenfalls verwerfen, erklärt Schweisser. «Man muss aber die Technologie beherrschen und die Risiken kennen. Ein Roboter ist kein Garant für gute Milch.»

Schweisser weist auch auf die damit verbundenen logistischen Herausforderungen hin, so wegen der AOP-Auflagen für Emmentalerkäse bezüglich Alter der Milch. «Ich würde aber nie behaupten, nur mit zweimaliger Milchanlieferung könne guter Käse gemacht werden.» Viel wichtiger sei das Festhalten an silofreier Rohmilch für den Schweizer Emmentaler, das sei der grosse Marktvorteil, betont Hunkeler.

Dialog mit Lieferanten

Die Regio Chäsi holt sämtliche Milch bei den Produzenten einmal täglich mit dem eigenen Tanklastwagen ab Hof ab. Damit sei aufgrund der Grösse der Käserei die Qualitätssicherung anspruchsvoller geworden. Etwas verloren gegangen sei die Nähe zu den Lieferanten und die sozialen Kontakte, seit die Bauern nicht mehr selber in die Chäsi fahren. Das bedinge eine viel intensivere schriftliche Kommunikation mit den Mitgliedern. Hanspeter Hunkeler zeigt auf einen dicken Ordner von Infoschreiben, über die Käsequalität, die Milcheinlieferungen, über Personelles, Hintergründe für anstehende Entscheide und vieles mehr.

Produziert wird noch an zwei Standorten, in Kottwil und Schülen, zudem wird in Willisau seit 2014 mit dem «Chäs-Chäller» ein eigenes Verkaufsgeschäft geführt. Längst wird nicht mehr nur Emmentaler oder Sbrinz hergestellt, die Produktevielfalt ist stark gewachsen, auch wegen der von der Sortenorganisation verfügten durchschnittlichen Produktionsfreigabe von aktuell nur mehr 50 Prozent. Von den melkbaren rund 13 Mio kg wurden von den Bauern rund 12,2 Mio kg eingeliefert. «Sie können je nach Preissituation für A- und B-Milch kalkulieren, wie viel Milch sie monatlich bringen wollen», erklärt Thomas Schweisser.

Im Schnitt erhalten sie zwischen 65 und 72 Rappen pro Kilo ausbezahlt, der variable Anteil mit Boni und Mali je nach Qualität, Menge, Vertragsdauer und Verwertungskanal betrage rund ein Viertel. «So kann unternehmerisches Denken gefördert werden», meint Hunkeler. Eine Qualitätsstaffelung sei heute zwar überall Standard, so detailliert wie bei dieser Genossenschaft wohl aber eher eine Ausnahme.

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Emmentaler bleibt dominant

Derzeit werden gegen 10 Mio kg Milch in Kottwil und knapp 1,5 Mio in Schülen verarbeitet. Der Rest muss tiefpreisiger in die Industrie verkauft werden. In Schülen ist die Sbrinz-Käserei mit täglich bis sieben Laiben und sie stellt auch viele Kleinproduktionen her, etwa Geisskäse. «Und ein syrischer Mitarbeiter stellt dort oben sogar syrischen Käse her», erwähnt Thomas Schweisser. Die Kleinproduktion sei sehr wichtig für die Ausbildung. In Kottwil werden täglich bis 28 Laibe Emmentaler geformt, rund 80 Prozent der hier verarbeiteten Milch. Daneben gibt es von hier auch harten Fonduekäse oder den halbharten «Willisauer-Ringli». «Wir sind ständig an der Produktentwicklung, um die Abgabe in den Industriemilchanteil reduzieren zu können», so Schweisser.

Konkurrenz der Spezialitäten

Die meisten Produkte gehen zu Emmi, «das ist unser stabilster Partner mit gegen 90 Prozent». Das grosse Käsesortiment dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies nur eine Nische ist. «Die Eigenvermarktung ist aber wichtig für die öffentliche Wahrnehmung und die Attraktivität des Arbeitsplatzes», betonen Thomas Schweisser und Hanspeter Hunkeler. Eigentlich sei es ernüchternd, dass die Arbeitseffizienz und Wertschöpfung bei Emmentaler und Sbrinz am höchsten sind, die vielen Käsespezialitäten aber sehr aufwendig sind bzw. nicht den nötigen Preis lösen können. «Die Konkurrenz ist zu gross geworden.» Gleichwohl hätten Diversifizierung und Innovationen auch mit Betriebsstolz, Handwerkskunst und Vorsorge zu tun.

Die Genossenschaft Regio Chäsi habe sich in den letzten 15 Jahren sehr positiv und unternehmerisch erfolgreich entwickelt, freuen sich Hunkeler und Schweisser. Beschäftigt werden inzwischen 20 Mitarbeitende inklusive Teilzeitliche, davon die Hälfte in der Produktion. Die regionale Verankerung, Nähe zu Lieferanten und Kunden sei eine der grossen Stärken.

«Der variable Teil macht einen Viertel aus.»

Thomas Schweisser zum Milchpreis, den die Lieferanten beeinflussen können.

Nachhaltig produzieren

Grossen Wert wird auf Nachhaltigkeit gelegt, die Grösse der Genossenschaft sei dafür sicher ein Vorteil. So steht auf dem Dach beim Verwaltungs- und Produktionsstandort Kottwil beispielsweise eine Photovoltaikanlage, die Wärme liefert eine Holzschnitzelheizung. Viel wurde und wird laufend in modernste Einrichtungen investiert, neuerdings in eine einzigartige Zentrifuge mit automatischer Rahmstandardisierung, erwähnt Schweisser. Und vielfältig sind auch die Dienstleistungen und Vergünstigungen für die Mitglieder, bis zur Erfolgsbeteiligung.

Laufend optimiert wird auch die interne Organisation. «Wir haben ein Leitbild und es braucht klare, geregelte Strukturen», sagt Hunkeler. «Wir sind noch eine Genossenschaft, aber wie eine AG geführt, agil und flexibel.»

Offen für Zusammenarbeit

Hanspeter Hunkeler und Thomas Schweisser sind überzeugt, dass mehr Zusammenarbeit in der Käsereibranche noch viel Potenzial hätte. «Da bräuchte es mehr Wille, wir sind noch zu sehr Konkurrenten», sagt Schweisser. Mehr Offenheit schliesse ja Eigenständigkeit nicht aus. Hunkeler erwähnt Möglichkeiten von gemeinsamen Lagern, gemeinsamer Beschaffung von Hilfsmitteln oder Zusammenarbeit bei der Logistik und Vermarktung.

Und die Regio Chäsi sei auch offen für neue Mitglieder, damit die Rohstoffmenge gesichert werden könne. Das werde aufgrund der aktuellen Diskussionen um Klimaschutz, Nährstoffsituation und vor allem Nahrungsmittelkonkurrenz auf den Flächen künftig anspruchsvoll, meint Hunkeler. «Wenn das beim neuen Standard Swissmilk green ab 2023 konsequent umgesetzt wird, sinkt wohl die Milchproduktion im Talgebiet.»