«Als ich meinem Chef sagte, ich wolle die Ausbildung zur Bäuerin absolvieren, meinte er, ich hätte mich für die konservativste Ausbildung in der Schweiz entschieden», sagt Romana Lienberger lachend. Wer einige Sätze mit der Bauerntochter austauscht, merkt aber schnell: Diese Frau ist alles andere als konservativ.

Die Fronten zwischen Landwirt und Bäuerin öffnen

Ganz unrecht habe ihr Chef mit seiner Bemerkung aber nicht, muss die angehende Bäuerin zugeben. Die Ausbildung würde die typische Rollenverteilung von der Bäuerin im Haus und Garten und dem Mann auf dem Feld und im Stall vermitteln, erklärt Lienberger. Im Unterricht stehe jedoch genug Raum für Diskussion zur Verfügung.

«Wir sind sehr viele junge Frauen, die das ganz und gar nicht so sehen, und andere im gleichen Alter, die es genau so beurteilen», sagt Lienberger. Mit der Ausbildung würde man eine solide Grundausbildung erlangen. «Vielleicht wäre es aber auch einmal spannend, die Fronten zwischen Landwirt und Bäuerin zu öffnen, sodass die angehenden Betriebsleiter mit uns einen Tag zum Kochen müssten und wir dafür einen Tag mit ihnen aufs Feld», sagt Lienberger.

Der Entscheid zur Bäuerin

Als Teenagerin träumte Romana Lienberger aus dem aargauischen Spreitenbach davon, Landwirtin zu werden. Obwohl ihr Vater selbst Landwirt ist, riet er ihr, eine andere Lehre zu wählen. «So entschied ich mich für Konditorin-Confiseurin», erzählt Lienberger. Nach ihrer Ausbildung zog es die Aargauerin jedoch weiter. Ein Schnuppertag bei ihrer jüngeren Schwester, die als KV-Angestellte bei der SBB arbeitete, inspirierte sie, denselben Weg einzuschlagen.

Ein erster Schritt zurück in die Landwirtschaft

Später, als sie ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen hatte, begann Lienberger bei der Savoldi AG, einem Händler für landwirtschaftliche Erzeugnisse, zu arbeiten. «Ein erster Schritt zurück in die Landwirtschaft», meint die Aargauerin. Bereits bei Antritt der Stelle stand für die wissbegierige junge Frau fest, dass sie sich erneut weiterbilden möchte.

«Diesen Sommer werde ich sogar wieder lernen wie man Traktor fährt.»

Auf dem elterlichen Betrieb ist die angehende Bäuerin eine richtige Allrounderin. 

Als ihre Eltern ihr dann vor einem Jahr anboten, auf dem Familienbetrieb «Obstgarten» mitzuarbeiten, entschied sich Lienberger für die Ausbildung zur Bäuerin. Während sie diesen Sommer die Pflichtmodule ihrer Ausbildung abschliesst, plant sie, voraussichtlich im nächsten Herbst mit ihrer Diplomarbeit zu beginnen. Zusammen mit ihrem Freund, der aktuell die Lehre zum Landwirt absolviert, will sie dereinst den elterlichen Betrieb übernehmen.

Am liebsten im Hofladen

Auf dem elterlichen Betrieb arbeitet Romana Lienberger in einem 80-Prozent-Pensum; einen Tag pro Woche ist die Aargauerin weiterhin bei der Savoldi AG beschäftigt. Der Betrieb der Familie ist breit aufgestellt. Neben dem Hofladen und der Eventlocation mit dem Namen «Stallbar» gehören eine kleine Pferdepension, Freilandhühner, -schweine und -rinder, Ackerbau, eine Obstanlage, ein Rebberg und der Anbau von Kürbissen zum elterlichen Hof. Während die Pferdepension, der Hofladen und die «Stallbar» auf dem Betrieb mitten im Dorf Spreitenbach liegen, befinden sich die restlichen Betriebszweige ausserhalb des Ortes.

Neben regionalen Produkten auch exotische Früchte

«Ich bin eine richtige Allrounderin und helfe dort, wo es mich benötigt», sagt Lienberger und ergänzt: «Diesen Sommer werde ich sogar wieder lernen, wie man Traktor zu fährt.» Am liebsten ist die angehende Bäuerin jedoch im Hofladen. Ausser frischen Milchprodukten findet sich im Hofladen alles für den täglichen Bedarf an Lebensmitteln. Neben selbst produzierten und regionalen Produkten bietet der Laden auch exotische Früchte, Erdbeeren und weitere Produkte ausserhalb der Saison an. Grund dafür sei die Nähe zum bekannten Einkaufszentrum «Shoppi Tivoli», welches sich nur wenige Meter entfernt vom Laden befindet.

«Das Produkt ist super, wenn wir eine Eierschwemme haben»

Aus den Eiern der Freilandhühner stellt die gelernte Konditorin-Confiseurin Meringues her. 

Anfangs hätten Romana Lienbergers Eltern nur eigene oder regionale Produkte angeboten. «Sie stellten jedoch fest, dass die Saison schon fast vorbei war, bis die Kunden gemerkt haben, was überhaupt Saison hat», so die Aargauerin. Auch die Kalkulation der Mengen habe sich als schwierig erwiesen. Eine damals durchgeführte Umfrage zeigte: Die Kunden wollen ein Vollsortiment. «Früher sind die Kunden zuerst zu Migros oder Coop gegangen und haben dann geschaut, ob sie bei uns noch etwas finden. Heute ist es umgekehrt», freut sich Lienberger.

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Offen für neue Kreationen

Besonders stolz ist die gelernte Konditorin-Confiseurin auf ihre selbst gemachten Meringues aus den Eiern der Freilandhühner. «Das Produkt ist super, wenn wir eine Eierschwemme haben», sagt sie. Um Produkte vor dem Verfall zu retten, probiert die angehende Bäuerin auch immer wieder neue Sachen aus. Letztes Jahr habe sie einmal zu viele Mangos bestellt. Um die überschüssigen Früchte vor dem Verfall zu retten, verarbeitete die Aargauerin diese zu Konfitüre. «Meine Mutter tippte sich an den Kopf, die Kunden hingegen waren begeistert», erzählt Romana Lienberger lachend.

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Eine Vermittlerin zwischen Bevölkerung und Landwirtschaft

An der Arbeit im Hofladen schätzt die angehende Bäuerin besonders den Kundenkontakt. Dabei sieht sie sich als Vermittlerin zwischen Bevölkerung und Landwirtschaft. Wichtig sei es für sie, den Kunden die Geschichte hinter den Produkten zu erzählen, so Lienberger. Immer zur Rosenkohlsaison würde ihr Grossvater Werni das Rüsten übernehmen. «Die Kunden fragen mich immer, wann es denn wieder den gerüsteten Rosenkohl von Werni gibt», erzählt die Aargauerin.

«Meine Mutter tippte sich an den Kopf, die Kunden waren begeistert»

Lacht die angehende Bäuerin über die Reaktion ihrer Mutter auf die Mango-Konfitüre.

Manchmal, wenn sie auf dem Feld oder in der Obstanlage arbeite, würden vorbeilaufende Kinder fragen, was sie mache. Sie erkläre den Kindern dann alles und gebe ihnen manchmal einen Apfel zum Probieren. «Die Kinder freuen sich immer sehr und nicht selten kommen die Eltern einige Zeit später im Laden vorbei und möchten bei uns Äpfel kaufen, weil die Kinder keine anderen Äpfel mehr essen wollen», so die angehende Bäuerin.