«Seit mehreren Jahren vermeiden wir brache Böden konsequent», sagt Markus Pfäffli. Der Landwirt ist in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Witzwil BE im Feldbauteam und unter anderem für das Säen zuständig. Der Berner Grossbetrieb mit 640 ha LN, auf dem die Gefangenen in Tierhaltung und Pflanzenbau mitarbeiten, setzt auf Direktsaat und Gründüngungen. «Etwa 90 Prozent der Flächen säen wir direkt», präzisiert Pfäffli. Nur auf einzelnen Problemparzellen oder wo Wildschweine den Boden zerwühlt haben, werden Grubber oder Scheibenegge eingesetzt. Der Pflug hat weitestgehend ausgedient, ausser vor Kartoffeln. Die Methoden der Konservierenden Landwirtschaft haben sich in Witzwil 2023 ein weiteres Mal bewährt.

Enormer Unkrautdruck

Abo Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass auf dem Plakat der JVA eine Hand ein Zellengitter und die andere den Stiel einer Schaufel umfasst. Reportage aus Witzwil Landwirtschaft im Gefängnis: Vieles läuft ähnlich wie draussen Mittwoch, 6. September 2023 «Bedeckung und Durchwurzelung des Bodens, etwas Blühendes für Nützlinge, Futter für das Bodenleben und eine Verbesserung des Wasserhaushalts», zählt Markus Pfäffli die Ziele auf, die man in der JVA mit Gründüngungen (GD) verfolgt. Nach jeder Ernte eine GD zu säen, sei zwar kostenintensiv, «aber das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt», hält der Landwirt fest. Auf den schwarzen Seelandböden in Witzwil herrsche ein enormer Unkrautdruck, der sich durch die unmittelbare Bodenbedeckung reduzieren lasse. «Damit sinken auch die Kosten für die mechanische oder chemische Unkrautbekämpfung», ergänzt Pfäffli.

Auf rund 120 ha wuchsen 2023 auf dem Land der JVA Gründüngungen – je nach Folgekultur und Standort verschiedene Mischungen. «Im Sommer haben wir sie zu Bedingungen gesät, bei denen man normalerweise eher zugewartet hätte», erinnert sich Markus Pfäffli. Aber die Restfeuchte direkt nach der Getreideernte erwies sich als ausreichend, sodass die GD gut auflaufen konnten. Dank des milden Herbstwetters wurden sie ein bis anderthalb Meter hoch, berichtet Pfäffli, «die Pflanzen sind trotz allem extrem gut gewachsen». Das habe ihn überrascht, wo doch im Sommer so wenig Wasser verfügbar gewesen sei. «Wir haben allerdings das Glück, die Pegelstände zweier Kanäle regulieren zu können», bemerkt Roger Gatschet, der das Witzwiler Feldbauteam leitet. Führen die Kanäle viel Wasser, leitet das Drainagesystem einen Teil davon unter die Anbauflächen. «Das ist sicher ein Vorteil, den wir haben», ist sich Gatschet bewusst.

«Das hat man der Fläche immer angesehen.»

Roger Gatschet, Leiter Feldbauteam, über eine spät gesäte Gründüngung.

Langsamer und tiefer säen

Es sei schon speziell und eine Herausforderung gewesen, in diese hohen Gründüngungen im Herbst wieder Getreide zu säen, erinnert sich Markus Pfäffli. «Wir mussten zuerst schauen, ob das geht.» Aus Erfahrung weiss er heute, dass ihm die Direktsaat in solchen Fällen mit gedrosselter Geschwindigkeit und grösserer Saattiefe besser gelingt. «Die abgelegte Gründüngung bildet eine Matte, darin sind die Körner vor der Sonne geschützt», sagt der Landwirt. Die schwarzen Böden würden in Sommern wie 2023 ohne Bedeckung so heiss, dass die Keimlinge zu verbrennen drohten. Nachdem es im Sommer generell an Wasser gemangelt hat, wurde es gegen Jahresende so richtig nass. «Die Zuckerrüben konnten wir in einem trockenen Zeitfenster Ende November roden», erzählt Roger Gatschet. Gestäubt habe es sicher nicht, meint er halb ernst zur Nässe. «Aber unsere Böden sind sowohl schnell nass als auch relativ schnell wieder trocken.» Zur Tragfähigkeit des Untergrunds beigetragen haben dürfte die abfrierende Gründüngung, in die man die Zuckerrüben im Frühling 2023 gesät hatte. Bei der Ernte sei davon zwar nichts mehr sichtbar gewesen, «aber die ganze Masse kam der Parzelle zugute», gibt Gatschet zu bedenken, «das hat sicher nicht geschadet.»

Geruchlose Zersetzung

Aktuell stehen noch einige Gründünungen in Witzwil, in die erst im Frühling gesät wird. Das nasse Herbstwetter hat ein Walzen verhindert, das die Pflanzen schwächen und im Zusammenspiel mit dem Forst das Absterben und Zersetzen fördern sollte. «Vielleicht holen wir das noch nach, wenn es demnächst trockener wird», meint Roger Gatschet. Wo Herbstsaaten erfolgt sind, bauen sich die niedergedrückten Gründüngen bereits ab. «Das geht recht schnell, die kalten Nächte und die Nässe beschleunigen den Prozess», beobachtet der Landwirt. «Riechen tut man aber die Zersetzung nicht», bemerkt Markus Pfäffli.

Die Landwirte der JVA Witzwil verzeichnen dank der Konservierenden Landwirtschaft keine höheren Erträge. «Aber die Erntemengen sind auch nicht gesunken», betont Markus Pfäffli. Dafür sehe man aber im Vergleich zur Situation vor fünf oder sechs Jahren eine Veränderung im Boden: «Bei der Spatenprobe kommen mehr Regenwürmer zum Vorschein, die Durchwurzelung und die Wurmgänge machen den Boden lockerer.»

Das Grundgerüst eines funktionierenden konservierenden Anbausystems sei in Witzwil gelegt, sagt Roger Gatschet. «Alle Beteiligten sind davon überzeugt, dass es eine gute Sache ist – das ist ein sehr wichtiger Punkt.» Im neuen Jahr möchte er die Gründüngungsmischungen in Zusammenarbeit mit den Anbietern noch gezielter zusammenstellen. «Es gibt auf dem Markt viele gute Mischungen, aber auch weniger geeignete, die sich in Witzwil nicht bewährt hätten», stellt der Teamleiter fest. Es sei ein stetiges Ausprobieren und Anpassen. Ein nächster Schritt wäre zudem, zumindest einen Teil des Saatguts für die Bodenbedeckungen selbst zu gewinnen, was in gewissem Umfang für Hafer und Roggen bereits der Fall sei.

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Roggen schützt Rüben

Wie Roggen als winterfeste Gründüngung zum Einsatz kommen kann, testet die JVA im neuen Anbaujahr zum ersten Mal grossflächig. «In eine abfrierende Gründüngung haben wir im Herbst Roggen gesät, es folgt im Frühling 2024 dann die Zuckerrübensaat», erklärt Markus Pfäffli das Vorhaben. Während die erste Gründüngung den Winter nicht übersteht und sich zersetzt, soll der Roggen länger stehen und Schädlinge wie die Glasflügelzikade von den Rüben fernhalten. «Im kleinen Rahmen haben wir das schon getestet und hatten das Gefühl, dass es funktioniert», so Pfäffli. «Jetzt wird das Verfahren auf unserer halben Rübenfläche umgesetzt – das entspricht zwölf Hektaren.»

Bereits seit drei Jahren erfolgreich sind die Landwirte der JVA mit Untersaaten im Raps. Sie frieren im Winter ab und sollen im Herbst ihre Wirkung entfalten, bevor die Pflanzen wiederum dem Bodenleben als Nahrung dienen: «Das Ziel ist, dass wir den Raps im Herbst nicht mehr kürzen müssen und ihn herbizidfrei anbauen können», erklärt Markus Pfäffli. Die Untersaat soll den Raps bremsen, damit er auch ohne Verkürzer nicht zu hoch in den Winter geht.

«Im kleinen Rahmen haben wir das getestet.»

Markus Pfäffli, Landwirt, über winterfesten Roggen zum Schutz vor Zikaden in Rüben.

Nicht bis zum August warten

Wissen aus Praxis und Forschung Konservierende Landwirtschaft Mittwoch, 12. Januar 2022 «Es lohnt sich wirklich, die Gründüngungen unmittelbar nach der Getreideernte zu säen», bilanziert Roger Gatschet. «Das geht schon im Juli – es ist nicht nötig, bis August auf Regen zu warten», so die Erkenntnis von Markus Pfäffli. Gatschet will einen Schwerpunkt darauflegen, in der nächsten, intensiven Erntesaison möglichst keine Zeit zu verlieren. Die Koordination der Arbeiten – Dreschen, Strohräumen, Direktsäen – ist allerdings nicht einfach und bedingt, entsprechende Ressourcen freizuschaufeln.

«Bei einer Parzelle war 2023 lange unklar, wie wir sie nach dem Getreide weiternutzen wollten», erzählt Roger Gatschet. Durch das Hin und Her gingen mehrere Wochen Zeit verloren, bevor eine Gründüngung im Boden war. «Das hat man der Fläche danach immer angesehen», sind sich die beiden Landwirte einig. Auch jetzt noch fehle es dieser Gründüngung an Masse. «Ihr Potenzial ist so nicht voll ausgeschöpft, weil ihr die Zeit zum Wachsen gefehlt hat», bedauert Gatschet.

Wirklich schiefgegangen sei 2023 eigentlich nichts, finden Roger Gatschet und Markus Pfäffli. Die Gründüngungen ziehen zwar neben Nützlingen auch zum Beispiel Schnecken oder Wildschweine an und verursachen Zusatzkosten. Ausserdem finden Mäuse darin Zuflucht vor Greifvögeln. «Aber die Vorteile des Systems überwiegen deutlich», betont Roger Gatschet, «es hat extrem viele positive Punkte».