Auf einen kurzen Zuruf hin hüpft Border-Collie-Mischling Mingo vor Fabienne Kaufmann auf den Quad und stützt die Vorderpfoten auf die Haube. Von Steinen und Unebenheiten unberührt brausen die beiden über die Alpweide in Richtung des Betriebs Obergrenchenberg davon. Die 24-Jährige und ihr Hund sind ein eingespieltes Team, das seit drei Jahren hier oben auf 1300 m.ü.M. über dem solothurnischen Grenchen ganzjährig zum Vieh schaut und an fünf Tagen die Woche im betriebseigenen Restaurant Wanderer und andere Besucher begrüsst.

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Obergrenchenberg ist «ihr» Hof

Fabienne Kaufmann ist in mehrfacher Hinsicht eine Allrounderin: «Ich arbeite im Stall, auf dem Feld, koche und serviere», erzählt sie. Dass ihr Tag damit manchmal mehr als 24 Stunden hat, stört sie nicht – «es bereitet mir Freude, da ich mein Hobby mit der Arbeit verbinden kann». Beim Obergrenchenberg spricht sie von «ihrem» Hof, auch wenn es der gepachtete Zweitbetrieb ihrer Familie ist. «Ich verbringe so viel Zeit hier oben und lebe buchstäblich mit den Tieren zusammen», so ihre Begründung. Entsprechend eng ist ihre Verbindung zu den rund 30 Aufzuchtkälbern, den etwa 20 Schafen und insgesamt 180 Sömmerungstieren (90 Rinder und 90 Schafe), die sie hier zusammen mit ihrer Familie und Angestellten betreut, aber auch zur weitläufigen 80-ha-Alp selbst. «Es schmerzt richtig, wenn Wildschweine hier irgendwo die Erde aufreissen.» Heute befindet sich Fabienne Kaufmann als Zweitausbildnerin im zweiten Lehrjahr zur Landwirtin, der Obergrenchenberg ist ihr Lehrbetrieb und Vater Tony Kaufmann ihr Lehrmeister.

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Steckbrief
Name: Fabienne Kaufmann
Alter: 24 Jahre
Wohnort: Winikon LU
Lehrjahr: 2. Lehrjahr in Zweitausbildung
Ausbildungsbetrieb: Obergrenchenberg; Gepachteter Zweitbetrieb der Familie Kaufmann

Dank Berufserfahrung den Tierarzt vermeiden

Das ganzjährige Bergleben entspricht der gelernten Tiermedizinischen Praxisassistentin (TPA) und Absolventin der Bäuerinnenschule Gurtnellen, da ihr Alltag vom Umgang mit Tieren und Gästen geprägt ist. «Dank meinen Erfahrungen als TPA erkenne ich Anzeichen von Krankheiten frühzeitig und kann so reagieren, bevor ein Tierarztbesuch unumgänglich wird», schildert Fabienne Kaufmann. Ausserdem weiss sie genau, wie wertvoll Zahmheit gerade für medizinische Behandlungen ist. Entsprechend will sie sich die junge Frau nicht auf ein bestimmtes Lieblingstier festlegen, sondern mag alles, was «zahm und umgänglich ist». Damit könne man am besten arbeiten. Ein gutes Beispiel ist ihr eigenes Gusti mit dem Namen Sweet, das sich ohne Störrigkeit zum Fotoshooting mitten auf die Weide führen lässt.

In ihrer Bergbeiz-Küche verarbeiten Fabienne Kaufmann und ihre Familie eigene Produkte und solche aus der Region. Den Besucherinnen und Besuchern die Landwirtschaft näher zu bringen, ist ihr wichtig. «Die Leute sollen wissen, woher die Milch auf ihrem Zmorgetisch kommt», hält die Lernende fest.

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Aufgewachsen auf einem Erlebnisbauernhof

Da jeder Tag anders ist und jede Aufgabe die Möglichkeit biete, etwas Neues zu lernen, steht die Luzernerin jeden Morgen gerne auf. In ihrer Ausbildung zur Landwirtin schätzt Fabienne Kaufmann neben der Tierhaltung auch das Fach Mechanisierung besonders. Beim Gedanken an einen Fiat 180-190, der ihrer Meinung nach auch eine Art Superkraft wäre, gerät sie geradezu ins Schwärmen: «Das ist ein richtig dicker Traktor, der brummt wie ein Bär und schön anzusehen ist.»

«Lehrling des Jahres 2022»Montag, 14. März 2022 Den Kontakt zu vielen Menschen ist Fabienne Kaufmann seit ihrer Kindheit ebenso gewohnt wie das Leben auf einem Landwirtschaftsbetrieb. Sie ist zusammen mit sechs Geschwistern auf dem Erlebnisbauernhof Weiernheim in Winnikon LU aufgewachsen. «Wir alle haben das Bauern im Blut und ich werde sicher immer einen Fuss in der Landwirtschaft behalten», ist die Lernende überzeugt. Das hält sie aber nicht davon ab, ihrem Wissensdurst mit weiteren Aus- bzw. Weiterbildungen nachzugeben. Vorstellbar sei etwa ein Agronomie-Studium, da sie aktuell die Berufsmatur macht, «aber mein Traum ist im Moment das Heli-Brevet», ergänzt die Luzernerin. Bei der Zusammenarbeit mit der Rega auf dem Obergrenchenberg ist sie auf den Geschmack gekommen und eine erste Flugstunde sei vielversprechend verlaufen. «Einmal Kühe auf die Alp zu fliegen, das wär’s».

5 Fragen an Fabienne
Welche Superkraft hättest du gerne? Einen Fiat 180-90
Welches sind deine Lieblingstiere? Alles, was zahm ist
Dein Lieblingsessen? Alles Frische und Regionale
Deine liebste Arbeit? Das Tageserwachen auf dem Hof
Was machst du weniger gern? Ich mache alles gerne, weil man überall etwas Neues lernen kann

Nach dem Restaurant der Stall 

Bis auf Weiteres kurvt Fabienne Kaufmann mit dem Traktor oder per Quad über die Wiese. Beim Restaurant angekommen, springt Mingo vom Fahrzeug, seine Besitzerin folgt ihm ohne Eile. Der Wind zerzaust die farbigen Blumen auf den Terrassentischen und die angehende Landwirtin klappt die Sonnenschirme zusammen. Für heute ist Feierabend – zumindest in der Beiz. Nebenan muht das Vieh und die kleine Gruppe Schafe marschiert selbstständig in Richtung Stall. Noch gibt es Einiges zu tun, das Fabienne Kaufmann mit ruhiger Selbstverständlichkeit in Angriff nimmt.

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[IMG 6]«Lehrling des Jahres 2022»
2021 hat die BauernZeitung erstmals einen Lehrling des Jahres gekürt. Die Auszeichnung stellt motivierten Berufsnachwuchs ins Zentrum. Zehn von Ihnen stellen wir Ihnen im Rahmen der Suche nach dem «Lehrling des Jahres 2022» vor. Wer den Titel schlussendlich tragen wird, bestimmen Sie in einer Online-Abstimmung ab dem 13. Mai.
Weitere Informationen und alle Porträts finden Sie im Dossier.