Jedes Mal, wenn Christine Bulliard den Eingang des Bundeshauses betritt, erinnern sie die Statuen der drei Eidgenossen in der Vorhalle an ihre grosse Verantwortung. Im Herbst sind wieder Wahlen angesagt und die Freiburger Mitte-Nationalrätin wird sich ein viertes Mal dem Wahlkampf stellen.

So ein Wahlkampf hat es in sich. Dazu gehören vier bis sechs Monate voller Termine, in denen kaum Zeit für sich selbst oder die Familie bleibt. Es ist jeweils ein Raubbau an den Kräften, psychisch, physisch, intellektuell und finanziell. Nichts sei heilig, sagt Christine Bulliard. «Man muss bereit sein, alle Werte, die man hat, preiszugeben, das ganze Curriculum, auch Privates.» Dazu kommt die Ungewissheit, ob man gewählt wird oder nicht.

Nie für nichts

Ein Wahlkampf sei trotzdem nie vergebens, sondern wertvoll, sagt Christine Bulliard. Er bringe einem persönlich viel, auch wenn man ihn verliere, was gerade beim ersten Wahlkampf nicht selten sei. «Der Wahlkampf ist eine persönliche Lebensschule.» Man gewinne an Menschenkenntnis, Verständnis für andere sowie Selbstsicherheit; man lerne, vor Menschen zu stehen.

Doch das Engagement sollte im Vorfeld gut überlegt sein. «Es braucht vorerst die Freude an dem, wofür man sich bewirbt», mahnt Christine Bulliard. Die Frage «Kann und will ich das?» müsse gründlich geprüft werden. «Sie müssen Menschen gernhaben. Sie müssen kritikempfänglich sein, Ausdauer haben und gesund sein.» Eine Kampagne über vier bis sechs Monate durchzustehen, fordere viel Kraft.

Die Kandidatin wäre bereit für eine Kandidatur, aber wie reagiert ihr Umfeld? «Wenn die Familie nicht ‹Ja› sagt, ist es besonders für eine Frau extrem schwierig», gibt Christine Bulliard zu bedenken. Für Partner und Kinder sei es nicht einfach. Die drei Bulliard-Kinder beschwerten sich oft. Heute sage ihre älteste Tochter: «Ich habe gelernt, stolz zu sein auf mein Mami!»

«Die Erfahrung lehrt, ich kann das.»

Christine Bulliard-Marbach, Landwirtin und Nationalrätin.

Nach vorne blicken

Ist die Entscheidung gefällt, sollte der Blick nach vorn gerichtet sein. Der Terminkalender ist voll, oft ist jeder Abend ausgebucht. Wer dann denke, vielleicht hätte man das nicht machen sollen, verschwende unnötige Energie. «Wichtig ist, dass die Menschen die Überzeugung spüren», sagt Christine Bulliard. Auch sie erlebt Zeiten der Müdigkeit. Da hilft ein vertrauter Mensch, mit dem sie Sorgen und Befindlichkeit teilen kann.

Vor dem ersten Wahlkampf bekommen viele leise Panik und denken: «Ich kann das nicht!» Christine Bulliard ging es nicht anders: «Ich hatte das Gefühl, es könne nicht sein, dass ich gewählt werde.» Der aktuelle Wahlkampf ist bereits ihr fünfzehnter. Vor einem grossen Auftritt ist sie aber heute manchmal noch ein bisschen nervös. Das gehöre einfach dazu. «Die Erfahrung lehrt einen, ich kann das. Ich kann aber auch scheitern – auch das muss gelernt sein.»

Niemand kann den Wahlkampf alleine durchstehen. Es braucht ein gutes Netzwerk. Das Wahlgremium will sorgfältig zusammengestellt werden. Auch diese Personen müssen sich fragen: «Kann ich und will ich das?» Das Wahlgremium ist eine unerlässliche Unterstützung, moralisch und praktisch. Vielleicht sind drei Termine an einem Tag angesagt, zum Beispiel am 1. August. «Jemanden zu haben, der einem die Details abnimmt – der fährt, den Weg studiert, die Parkplätze findet –, das ist so wichtig.»

Authentisch bleiben

Die Kandidatin soll authentisch und natürlich sein. Die Wählerinnen und Wähler wollen spüren: «Ich kann dieser Person vertrauen; sie versteht mich.» Gemeinsamkeiten lassen sich immer finden, seien sie noch so klein. Wer gewählt werden will, muss unter die Leute: auf den Wochenmarkt, an das Konzert der Dorfmusik, das Feldschiessen.

Als Christine Bulliard beim Besucherschliessfach im Bundeshaus vorbeigeht, ruft ihr eine junge Frau zu. Man kennt sich von einem Anlass im letzten Sommer in Freiburg. Christine Bulliard strahlt die Frau an, nimmt sich ein paar Minuten Zeit für sie.

Finanzielles Engagement

Das Finanzielle halte viele vom Wahlkampf ab, glaubt Christine Bulliard. Die Plakate, die Fotos, die Flyer – all das will bezahlt werden. Die Partei hilft, aber das reicht nicht für alles. Jede Kandidatin braucht Sponsoren. Die neuen Transparenzgesetze geben die Regeln vor. Die Nationalrätin schreibt daher akribisch auf, wo ihr auf irgendeine Weise geholfen wird. «Nicht alle Menschen sind Verkäufer», sinniert sie. «Als Kandidaten müssen wir unser Gesicht, unsere Person verkaufen.» Meist bietet die Partei Medienschulung an.

Wesentlich für den Wahlkampf ist: Es braucht die Freude an der Aufgabe. Man muss die Menschen mögen, wie es Alt-Bundesrat Adolf Ogi einst sagte. Das Fazit von Nationalrätin Christine Bulliard: «Eine Wahlkampagne ist ein verrücktes Erlebnis, aber auch ein schönes!»

Mehr Frauen
Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) macht sich für mehr Frauen in der Politik stark. Zum einen hat der Verband für die anstehenden nationalen Wahlen erneut eine Wahlplattform lanciert, um die Sichtbarkeit von Kandidatinnen zu steigern.

Zum anderen bietet er dieses Jahr erstmals einen modularen Lehrgang für Frauen an, die ihre Anliegen in Gremien wirkungsvoll vertreten und ihre Auftrittskompetenz stärken möchten.

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Zum Lehrgang