Bäuerinnen sind oft in die Betriebsarbeit und -führung involviert. Ist die hauswirtschaftlich geprägte Ausbildung Bäuerin zeitgemäss oder würden diese Frauen besser Landwirtin lernen anstatt Bäuerin?

Lisa Vogt Altermatt: Bäuerin FA/ bäuerlicher Haushaltleiter FA ist einer der Berufe auf der Stufe höhere Berufsbildung im Berufsfeld Landwirtschaft, und da gehört er auch hin. Hauswirtschaftlich geprägt würde ich so nicht sagen. Die detaillierten Lernziele und Modulinhalte zeigen ein anderes Bild, als einige Modultitel vielleicht vermuten lassen.[IMG 2]

Gleichberechtigung bedeutet für mich, dass Frau und Mann selbstbestimmt die Ausbildung aus dem Berufsfeld Landwirtschaft wählen, die sie für die persönliche und betriebliche Situation als wichtig erachten. Gleichberechtigung bedeutet aber auch, dass im System Familienbetrieb die Tätigkeiten «drinnen und draussen» als gleichwertig erachtet werden. Dass zwei Personen im Familienbetrieb die gleiche Ausbildung absolvieren, ist möglich, es fragt sich aber, ob es sinnvoll ist, wenn man alle Unternehmensbereiche im Auge behalten will.

Bereitet die Ausbildung Bäuerin auf die (Co-)Führung eines Betriebs vor?

Ja – auch wenn klar ist: Eine Ausbildung alleine macht noch keine gute Betriebsleiterin, keinen guten Betriebsleiter. Für die Unternehmensführung im Familienbetrieb sind die drei Pflichtmodule landwirtschaftliche Buchhaltung, landwirtschaftliche Recht, landwirtschaftliche Betriebslehre zentral. Weitere Führungsthemen für den Familienbetrieb werden in den Pflichtmodulen Haushaltführung (Arbeitsorganisation und Ressourcenplanung) und Familie und Gesellschaft (Persönlichkeitsbildung, Familienbetrieb und Kommunikation) vermittelt. Im Pflichtmodul Gartenbau wird Wissen zu Boden, Pflanzenernährung, Pflanzenschutz, Kreisläufen und Ökologie vermittelt. Dieses Verständnis ist für jeden Landwirtschaftsbetrieb wichtig und kann mit den entsprechenden Wahlmodulen vertieft werden. Produkteverarbeitung und Ernährung verbinden die Produktion mit Verarbeitung und Konsum, legen aber auch die Basis für Betriebszweige wie Direktvermarktung. Zudem dienen einige Module der professionellen Haushaltsorganisation, das ist in keinem Familienbetrieb verkehrt – wer diesen Job dann übernimmt, ist Familiensache. Spezifisches Wissen aus der Produktionstechnik kann über die Wahlmodule aus dem ganzen Berufsfeld Landwirtschaft und die Weiterbildung erreicht werden.

«Die Bildung Bäuerin verkauft sich teilweise massiv unter ihrem Wert.»

Lisa Vogt Altermatt befürwortet die Überprüfung von Modulbezeichnungen und -inhalten.

Besteht bei der Ausbildung Bäuerin FA Handlungsbedarf?

Eine regelmässige Überprüfung der Ausbildungsinhalte ist für alle Berufe ein wichtiger Prozess. Nach der Revision der Grundbildung Landwirtschaft (EBA und EFZ) beginnt ab 2022 die Revision der höheren Berufsbildung Landwirtschaft. Dabei soll aus meiner Sicht die Berufsbezeichnung, aber auch einige Modulbezeichnungen (und Inhalte) sorgfältig überprüft werden. Da verkauft sich die Bildung Bäuerin bisher teilweise massiv unter ihrem Wert. Zudem kann sicher auch geprüft werden, ob es Module gibt, die vereinheitlicht werden sollen für alle Berufe der höheren Berufsbildung Landwirtschaft. Zum Beispiel im Bereich Kommunikation und Persönlichkeitsbildung.

Was raten Sie Bäuerinnen, die einen Betrieb leiten möchten?

Zu Beginn fehlt es immer an Erfahrung und die Verantwortung scheint riesig. Das ist normal und es braucht ein gesundes Selbstvertrauen und Mut, dies auszuhalten. Persönliche Erfahrung aus dem ersten Beruf, aus dem Berufsfeld Landwirtschaft allgemein und dem eigenen Betrieb sind wichtig. Ein gutes Netzwerk und Vertrauenspersonen in der Landwirtschaft, die mit Rat und Tat zur Seite stehen, sind weitere Bausteine für die erfolgreiche Betriebsführung. Diese Aussagen gelten für Bäuerinnen mit FA wie auch für Landwirt/innen mit EFZ oder FA. Ich bin überzeugt, dass es als Betriebsleiterin einfacher ist, produktionstechnisches Wissen einzukaufen und entsprechende Aufträge zu vergeben (und sich vielleicht später doch noch anzueignen), als Wissen zur Unternehmensführung und zu den Zahlen des eigenen Betriebes. Diese Fäden muss die Betriebsleiterin unbedingt selber in der Hand behalten!

Wenn Bäuerinnen übernehmen

Künftige Betriebsleiterinnen sind an den Bäuerinnenschulen eine Minderheit. «Absolventinnen, deren Zukunft auf einem Hof liegt, leben tendenziell eher die klassische Rollenteilung», beobachtet beispielsweise Markus Kälin vom BBZ Pfäffikon. Aber viele würden den Aufbau oder die Führung eines Betriebszweigs anstreben.

Bäuerinnen führen oft Nebenerwerbsbetriebe

Aber es gibt sie, die Bäuerinnen, die nach einer Führungsposition streben: «Ich habe in jeder Klasse Frauen, die die Ausbildung Bäuerin und anschliessend die Berufsprüfung absolvieren, weil sie einen Betrieb übernehmen und führen möchten», informiert Barbara Joller-Graf, Leiterin des BWZ Obwalden. Das ist auch an den anderen Bildungszentren in der Region Zentralschweiz und Aargau so, zeigt eine kleine Umfrage der BauernZeitung.

In der Regel würden die Frauen mit der Prüfung Bäuerin FA Nebenerwerbsbetriebe führen, sagt Barbara Joller-Graf, wobei in ihrer Region der Anteil an Nebenerwerbsbetrieben generell sehr hoch sei. Das bestätigen andere Schulen.

Guter Themenmix an Bäuerinnenschule

Die künftigen Betriebsleiterinnen nennen die Pflichtfächer der Bäuerinnenausbildung wie Betriebslehre, Landwirtschaftliches Recht oder Buchhaltung für eine Hofübernahme als sehr wertvoll. Dazu schätzen sie Themen wie Kommunikation, Zusammenleben und Selbstkompetenzen – die gingen in der Landwirtschaft sonst gerne unter, kommentiert eine Absolventin.