Vallorbe Es ist ein grauer Nachmittag im April in Vallorbe VD. Frédéric Teuscher bringt auf einem Feld Gülle aus. In Vallorbe ist das Gelände hügelig und auch ziemlich steil.

Bekannte Verhältnisse

Doch Frédéric Teuscher kennt dieses Gelände, er ist damit aufgewachsen. Die Maschinen und Traktoren sind mit Doppelrädern ausgestattet. Der Landwirt bringt also Gülle aus auf so ein Feld am Hang. Dies tut er mit seinem fast neuen Traktor und einem 4000 l-Güllefass. Um beim Feld oben mit Güllen anzufangen, fährt er mit Traktor und Fass einen Feldweg hinauf. Der Weg ist flach, aber nur schmal. Rechts davon befindet sich der Hang mit einer Neigung von rund 35%. Der Boden ist leicht nass. Bei der fünften Durchfahrt bricht plötzlich der Weg unter der Last des Güllefasses weg. Das Fass rutscht den Hang hinunter und trifft den Traktor mit der Deichsel. Der Traktor kippt um und wird vom Güllefass 50 bis 100 Meter den Hang hinunter gezogen.

Nach etwa drei Sekunden steht Frédéric Teuscher reflexartig auf die Bremse. Der Ruck bringt den Traktor wieder auf die Räder. Und was dann? "Mit zitternden Beinen stieg ich aus dem Traktor", erzählt der Landwirt seinen Berufskollegen an der Unfallverhütungs-Tagung der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) von letzter Woche in Zollikofen BE. Sämtliche Scheiben seines neuen Traktores waren zersprungen.

Angurten systematisiert

Und was hat es dem Landwirt gemacht? "Zum Glück war ich angeschnallt. So habe ich nur den Kopf an der Kabine angeschlagen. Aber das war nicht weiter schlimm", sagt Teuscher. Der Sachschaden des Unfalles belief sich auf rund  30 000 Franken.

Doch zurück zum Sicherheitsgurt, warum war der Landwirt zum Unfallzeitpunkt angeschnallt? «Mein neuer Traktor war mit Gurten ausgerüstet. Und ich merkte, dass ich mich beim Arbeiten am Hang sicherer fühle, wenn ich angegurtet bin», erklärt der Meisterlandwirt, der auch Lehrlinge ausbildet. "Ich trug den Gurt also mehr wegen meines Komforts als wegen der Gefahr des Umkippens."

Dieses Erlebnis im Jahr 2003 ist dem Landwirt und seiner Familie stark eingefahren. "Seither haben wir das Anlegen von Sicherheitsgurten auf unseren Traktoren systematisiert. Beide Traktoren sind nun mit Gurten ausgestattet. Unsere Auszubildenden dürfen den Traktor nicht fahren, wenn sie sich nicht anschnallen."

Der Erlebnisbericht von Frédéric Teuscher ist nur ein Beispiel dafür, was ein Sicherheitsgurt bewirken kann. In den letzten 42 Jahren sind in der Schweiz 583 tödliche Unfälle mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen passiert. Das sind durchschnittlich 14 pro Jahr. Unfälle ohne tödlichen Ausgang werden nicht aufgezeichnet. "Diese hohe Anzahl von Todesfällen ist unakzeptabel und unerträglich", sagte Etienne Junod, Geschäftsleitungsmitglied der BUL, an der Tagung von letzter Woche.

Jeder Unfall ist einer zu viel

Etienne Junod führte Beispiele von vier tödlichen Unfällen an, bei denen der Fahrer nicht angegurtet war. In allen vier Fällen war der Fahrerschutz in der Kabine noch ganz. Junod folgert: «Das Anlegen eines Sicherheitsgurtes hätte diese Leben gerettet."

Spricht man Landwirte auf das Tragen von Sicherheitsgurten an, so stösst man oft auf Widerstand. Die Argumente gegen das Angurten sind vielfältig:

  • Das Land ist eben.
  • Ich fahre nur eine kurze Strecke.
  • Weil ich nur im Schritttempo unterwegs bin.
  • Es ist nicht praktisch.
  • Ich muss zu oft absteigen.
  • Ich muss mich drehen können.
  • Man wird belächelt.
  • Nachrüstung ist zu teuer.
  • Der Gurt klemmt.
  • Der Gurt ist zu kurz.
  • Angurten dauert zu lange.
  • Gab es früher auch nicht.
  • Weil mir noch nie etwas passiert ist.

Wie man diese Argumente entkräften kann, war ebenfalls ein wichtiger Teil an der Unfallverhütungstagung. Gemeinsam haben die Teilnehmer nach Lösungen gesucht, wie man Landwirte besser auf das Thema sensibilisieren kann. In verschiedenen Posten konnten die Teilnehmer zudem am eigenen Leib erfahren, wie sich ein Unfall anfühlen könnte und welchen Effekt dabei das Angurten ausmacht. Ein wichtiges Fazit der Tagung lautet: "Sicher arbeiten kostet nicht viel Zeit". Und die Konsequenzen, die ein Unfall mit Verletzung oder gar tödlichem Ausgang hat, sind weder für den Betrieb noch die Familie tragbar.

 

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